Tupfenherz blinzelte vorsichtig als sie ihre Augen öffnete, um sicherzugehen, dass sie richtig sah.
In der Realität lag sie nun an Pierre, Yuki und auch an Michail gekuschelt. Dennoch stand sie nun hier auf der ihr so vertrauten, nebligen Lichtung. Ein Gefühl der Erleichterung durchflutete ihren schmalen Körper und überdeckte den leisen Hauch der Besorgnis.
Heiliger SternenClan, du hast mich nicht vergessen.
Aufmerksam lauschte sie auf jedes Geräusch und ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, als ein silbergrauer Umriss den Nebel durchbrach.
„Silberstern!", miaute sie fröhlich. „Ich... ich dachte schon du hast mich vergessen.", tatsächlich hatte sie seit der beunruhigenden Prophezeiung von vor beinah einem Mond nichts mehr von ihrer Ahnin gehört. Was sie mir wohl zu berichten hat? Erfüllt sich die Prophezeiung bereits?
Die schöne SternenClan Kätzin schmiegte sich liebevoll an die junge Heilerin und putzte ihr sanft über die Wange.
„Ich habe Jemanden mitgebracht, der dich gerne sehen will.", ihre Stimme klang sanft und doch schwang da ein seltsamer Unterton mit, welcher die Getupfte beunruhigte.
Warum klingt sie so traurig dabei? Wer kann das sein?, sie schluckte unsicher und spähte hinter der Silberfarbenen in die undurchsichtigen Schwaden.
„Wer... wer ist es?", miaute Tupfenherz verzagt, doch Silberstern schwieg nur und wartete.
In diesem Moment schälte sich ein zweiter Umriss aus dem Nebel. Ein Kater, bei dessen Anblick ihr Herz entzweiriss, näherte sich ihr langsam und ließ ein leises Schnurren verlauten.
„NEIN!", der Schrei ging in ein tränenersticktes Keuchen über, als sie sich eine Pfote auf den Mund presste. Sie spürte die silbergraue Kätzin, die ihr Halt bot und starrte auf den Kater, der sanft lächelnd auf sie zu trat.
„Du hast mir gefehlt.", maunzte er sanft und seine grünen Augen funkelten hell.
Die Tränen stiegen in ihre Augen und flossen haltlos über ihre Wangen, während sie ihren Mentor entsetzt anstarrte.
„Wieso du? Wieso du? Wieso... nur...", nun war der Kater ganz nah vor ihr und strich mit seiner rauen Zunge sanft über ihren Kopf. Waren sie das? Haben sie ihn getötet? Nein, das können sie nicht getan haben...
„Weine doch nicht, Kleines.", seine Stimme war nun kraftvoller, als damals und sein Fell geschmeidiger, als zu dem Zeitpunkt, wo sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.
„Schlamm...nase...", schluchzte sie leise und er putzte sanft ihre Tränen fort, während Silberstern sie noch immer stützte.
„Es war an der Zeit für mich zu gehen.", flüsterte er in ihr Ohr. „Als man dich fortgejagt hatte, gab es für mich keinen Grund mehr zu bleiben. Du warst für mich wie meine eigene Tochter und ich konnte dich nicht beschützen...", ein Schatten legte sich über seine Augen, als er Tupfenherz direkt ins Gesicht sah. „Kannst du mir das jemals verzeihen? Dass ich dich so schändlich im Stich gelassen habe?", sein Blick war flehend und sie sah die Selbstkasteiung, die ihn in sein Ende getrieben hatte.
Gib dir doch nicht die Schuld... Du warst der Einzige, der für mich gesprochen, der an mich geglaubt hat.
Liebevoll gab sie ihm einen Kuss auf die Stirn und schniefte leise.
„Du bist für mich wie ein Vater gewesen.", flüsterte sie mit Tränen in den Augen. „Es gibt nichts, dass ich dir verzeihen müsste. Ich werde dich immer lieben, Schlammi."
Ihr ehemaliger Mentor schmiegte sich an ihre andere Seite. „Ich liebe dich auch, kleine Tupfen.", flüsterte er leise.
Lächelnd genoss sie seine Nähe und spürte erst jetzt, wie sehr sie diese in seiner Abwesenheit vermisst hatte.Dennoch prickelten ihr die verschiedensten Fragen unter ihrem Pelz, die sie wie ein Schwarm tausender Ameisen piesackten. Eine Zeit lang konnte sie diese noch unterdrücken, um die angenehme Stimmung nicht zu verderben, doch dann konnte sie ihnen nicht mehr standhalten.
„Schlammi?", schnurrend flüsterte sie seinen Kosenamen und er antwortete ihr mit dem ihr so vertrauten Brummen, welches besagte, dass er ihr seine ganze Aufmerksamkeit schenkte.
„Wie steht es um den Clan?", ein wenig fürchtete sie seine Antwort. Viel wichtiger: wie geht es Falkenfeder und meiner Mutter?, doch diese Fragen wollte, nein konnte sie nicht laut stellen.
„Nicht gut...", murmelte er leise und plusterte sein braunes Fell auf.
„Lichtstern ist an derselben rätselhaften Krankheit wie Herzjunges verstorben. Mondstern ist nun der Anführer des Clans und Falkenfeder seine Stellvertreterin."
Falkenfeder?! 2. Anführerin des WaldClans...
„Wie... wie kann das sein? Sie hat doch noch gar keinen Schüler ausgebildet?" Ob sie mich noch kennt? Ein Leben lang waren wir wie zwei Hälften eines Ganzen und jetzt? Sie war es die mich gezeichnet hat... meine Schwester, die mir noch immer so viel bedeutet.
„Mondstern hat es so entschieden und Niemand traute sich dem zu widersprechen. Sie ist distanzierter als früher. Sie ist nicht mehr die übermütige junge Kätzin von damals.", Schlammnase seufzte und seine grünen Augen wurden trüb. "Sie ist eine gute Stellvertreterin, als wäre sie dafür gemacht worden, doch sie ist nicht mehr die Falkenfeder von früher, als sie noch eine Pfote gewesen ist... Dass sie noch keinen Schüler hatte, merkt man ihr nicht an."
Wie groß war Mondsichels, nein Mondsterns Anteil daran wohl gewesen? Wie groß ist mein Anteil daran gewesen?, Tupfenherz bedauerte den Umstand zutiefst, dass sie Silbersterns Prophezeiung damals nicht rechtzeitig genug hatte deuten können.
Herzjunges Tod hat sie zerstört... wenn ich sie nur hätte retten können..., doch da zuckte die getupfte Kätzin unruhig mit den Schnurrbarthaaren, als ihr etwas auffiel.
„Lichtherz ist an derselben Krankheit gestorben, sagst du?"
„Es war derselbe Verlauf... Auch sie konnte ich nicht retten."
„Es ist also noch im Clan.", flüsterte die junge Heilerin entsetzt. „Und sie haben keinen Heiler mehr... Niemanden, der gegen die Krankheit kämpfen könnte."
Falkenfeder ist in Gefahr!
„Auch wir konnten nichts gegen die Krankheit ausrichten.", erinnerte ihr ehemaliger Mentor sie und stieß einen leisen Seufzer aus.
„Das stimmt.", es klang resigniert und doch erscholl ein Gedanke laut und klar in ihrem Inneren, in den sie all ihren Glauben steckte.
SternenClan, beschütze meine Familie. Mach, dass ihnen nichts geschieht. Auch wenn sie mich verstoßen haben, in meinem Herzen werden sie immer meine Familie sein.
In diesem Moment stemmte sich Silberstern, die bis eben still an ihrer Seite gesessen hatte, auf die Pfoten und blickte Tupfenherz direkt in die Augen.
Wenn die Sonne den Mond ablöst, wird der Falke auf die Reise gehen und die Herzen der Katzen erwärmen. Doch vorher wird der Schwarze Tod den Wald heimsuchen und nur ein gutes Herz kann ihn vertreiben., rezitierte die SternenClan Kätzin nachdrücklich und die blauen Augen funkelten wie helle Flammen.
„Tupfenherz! Diese Prophezeiung ist sehr wichtig. Du musst sie in deinem Inneren bewahren, denn du trägst das Schicksal des Waldes in deinen Pfoten! Das darfst du nicht vergessen."
Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Bernsteinaugen beobachtete die junge Heilerin, wie die zwei Katzen langsam verblassten.
„Nein! Bitte, geht doch nicht fort! Lasst mich nicht allein! Bitte...", doch all ihr Flehen half nichts.
Die getupfte Kätzin erwachte zwischen ihren neuen Freunden und begann hemmungslos in ihr helles Fell zu schluchzen.
Tränen der Trauer, der Angst und auch ein bisschen vor Erleichterung, im Wissen dass es ihrer Familie soweit gut ging, liefen über ihre Wangen und zwei Sterne erstrahlten heller als alle anderen am Silbervlies. Auch wenn die Zweibeinerdecke sie nur erahnen ließ, so spürte die ehemalige Clankatze doch ihr helles Licht.
„Lasst mich nicht allein... Bitte.", flüsterte sie leise mit von Tränen erstickter Stimme.Bild von @Lexi Skordelis (Facebook)

DU LIEST GERADE
The Betrayal
Mystère / ThrillerThe Betrayal handelt viele, viele Blattwechsel nach The Brightest Star. Tupfenjunges und ihre Schwester Falkenjunges sind direkte Nachkommen der legendären Silberstern und auch ihnen steht Großes bevor, wenn auch für jede anders als gedacht. Währen...