Kapitel 32

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Marik

Zitternd strich ich mit dem Daumen über Kostas' Handrücken. Mein Schwert hing am Gürtel. Magnus und Cuno liefen vor den Reihen der Wächter und Drachen auf und ab. Der König stand mit seinem Gefolge etwas abseits.
Unsere Blicke waren der Grenzmauer zugewandt. "Dahinter liegt das Übel - der Parasit, der unsere Tage bestimmt, in der Nacht unsere Liebsten holt und uns bis in die schlimmsten Albträume verfolgt. Doch dieses Elend endet heute. Gemeinsam werden wir siegen!" Magnus war bei diesen Worten fest entschlossen.
Kostas drückte meine Hand ein wenig fester.
Die Wächter setzten sich in Bewegung und eilten zu ihren zugeteilten Drachen und Truppen.
Die Gruppe für die Höhlen-Infiltration teilte sich durch die Hälfte, sodass jeweils fünf Personen auf einem geflügelten Wesen saßen.
Wir würden etwas entfernt von der Höhle landen und uns den Weg erkämpfen.
Die Drachen erhoben sich. Tief durchatmend schloss ich für einen kurzen Moment meine Augen.
Überlebe. Du musst überleben, um Kostas und Hannah zu schützen.
Die ersten Feuerbändiger und Magier begaben sich in die Luft und erstickten die Schatten mit einem Meer aus Feuer und Licht. "Das ist zu einfach", murmelte Dennis misstrauisch. "Es scheint sich bei allen um niedrig-entwickelte Exemplare zu handeln", stellte ich fest. "Was bedeutet dies für uns?", hakte Magnus nach, während er unsicher das Geschehen beobachtete. "Wir müssen für alles gewappnet sein. Die Schatten können auf jeden Fall höhere Entwicklungsstufen erreichen, wenn sie Seelen gefressen haben. Allerdings bezweifle ich, dass sich diese doch komplexe Schwarze Magie allein dadurch beschränken lässt, dass man ihr den Zugang zu Seelen verweigert", erklärte ich. "Du gehst also von weiteren Methoden aus, durch die sie stärker werden können", fragte König Amaury. Ich nickte.
Hannah hatte sich derweil von unserem Gespräch abgewandt und selbst Lichtfunken hinunterprasseln lassen. "Seht euch das an!", forderte sie entgeistert auf. Überrascht beugten wir uns zum Rand des Drachenrückens, nachdem ich das geflügelte Wesen dazu angetrieben hatte, auf der Stelle zu kreisen. "Mik liegt richtig." Kostas fuhr entgeistert mit der Hand durch seine Haare. Manche Schatten schienen miteinander zu verschmelzen. "Verhindert diesen Prozess!", wies der König die umliegenden Drachen an. Daraufhin erhöhte sich die Feuerkraft und Magie, die auf die Schatten einwirkten. Jedoch strömten für einen vernichteten bereits zwei neue nach.
Das nächste Problem bestand darin, dass die folgenden Schatten bereits höher entwickelt waren, bevor sie überhaupt am derzeitigen Schlachtfeld ankamen. Dies wiederum bedeutete, dass sie resistenter gegenüber unserer Fähigkeiten waren, somit mehr aushielten und sich exponentiell anhäuften. "Haltet sie von der Mauer zurück!", orderte Magnus an, während er unseren Drachen auf die Höhlen zu lotste. "Wir brechen einen neuen Eingang auf." Als wir auf den festen Boden sprangen, kümmerten Amaury, Rasmus, Hannah, Helena und ich uns um die Schatten, während Magnus die Erde beben ließ.
Schwankend versuchte ich präzise Feuerbälle auf die herannahenden Schatten zu feuern, verwarf sie jedoch immer wieder. Der Erdbändiger rief uns zu sich, damit wir den neuen Höhleneingang betreten konnten. Nacheinander stiegen wir in die Tiefe hinab. Der Gang war breit genug, damit drei Personen nebeneinander gehen konnten. Die rauen Felswände wurden von Helenas Flammen in ein schwaches Rot getaucht. Kostas lief hinter mir und hielt meine Hand. Kalter Schweiß überzog seine Handfläche, wobei ich mir sicher war, dass dieser nicht nur von Dennis ausging. "Unser Tunnel ist noch nicht mit dem Haupttunnel verbunden. Schatten greifen uns also vorerst nur von hinten an", erklärte Magnus. Als ich mich umdrehte, erschien der Ausgang weit entfernt. Helena schuf instinktiv eine Wand aus Feuer hinter uns.
Ein flaues Gefühl staute sich in meinem Bauch an. Vorsichtig glitt meine freie Hand im Lauf über die Wand. Der Untergrund war rau und trotzdem relativ eben. In meinen Ohren hallte mein Herzschlag wider. Ein Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet.
"Sobald ich die letzten Meter des Felses entferne, werden wir uns mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen Schatten befinden", warnte Magnus.
Atme ruhig. Bleib gelassen.
Meine hektische Atmung schien sich allmählich wieder einigermaßen zu kontrollieren. Ich nickte Kostas zu, löste mich von ihm und ließ Feuer auf meinen Handflächen tanzen. Der Erdbändiger legte seine Hände an das letzte verbliebene Hindernis und begann, herunterzuzählen.
"Drei."
"Zwei."
"Eins."
Die Wand zerbröckelte und gab den Tunnel dahinter frei. Die ersten Schatten bemerkten dies augenblicklich und strömten um uns herum. "Bleibt zusammen!", rief Kostas und wässerte alles, woraufhin Hannah eine Lichtquelle über unseren Köpfen schuf, die von den Pfützen reflektiert und dadurch verstärkt wurde. Ich stieß einen Feuerteppich hervor, um weitere Schatten am Hereinkommen zu hindern. Die Übrigen, die bereits bei uns waren, starben aufgrund ihrer niederen Entwicklungsstufe an der Lichtquelle.
"Geht es allen gut?", fragte Rasmus nach.
Ein mehrstimmiges Bejahen ertönte.
Ich trat nach vorne und ließ den Feuerteppich vor mir wandern, damit wir in den Haupttunnel eintreten konnten. Helena verschloss den Weg, der nach oben führte, mit einer weiteren Feuerwand. Hannah setzte zusätzlich eine Lichtquelle über die Kreuzung der beiden Tunnel. Trotz meines Feuer, das den Boden vor uns bedeckte, versuchten Schatten hindurchzukommen. Manche starben, stärkere hingegen näherten sich uns. Diese wurden jedoch, da sie nacheinander folgten, von den Magiern in unserer Gruppe vernichtet. "Mik, sieh dir das an", bemerkte Kostas und deutete auf etwas im Halbdunkeln. Die Schatten veränderten ihre Gestalten und passten sich den unbeleuchteten Stellen der Wände an. Im Haupttunnel traten Furchen und Risse auf, dies ermöglichte ihnen das Versteckspiel. "Sie können jetzt überall sein. Seid wachsam!", befahl Amaury. Ich ließ den Feuerteppich verschwinden. Wir rückten dichter beisammen und achteten auf jede kleinste Bewegung in unserer Umgebung. Plötzlich kamen sie aus jedem Winkel der Höhle gestürzt. Kostas ließ erneut Wasser aus seinen Handflächen strömen, woraufhin Kasimir die Lufttemperatur wenige Millimeter oberhalb der Pfützen reduzierte, um sie zu gefrieren. Licht und Feuer wurden zeitgleich losgelassen, sodass ich unmöglich sagen konnte, von wem was stammte. Magnus zog derweil sein Schwert, um die Schatten zumindest zeitweise abzulenken.
Sogleich herrschte Chaos. Ich wirbelte herum und schoss Feuerbälle. Diese Kreaturen stürzten sich auf uns wie Drachen auf fremde Wasserbändiger. Wir kämpften uns langsam und schleppend voran, der Andrang an Schatten war unvorstellbar enorm. Ausweichen, ducken, zielen, schießen, den Anderen Rückendeckung geben. In meinem Kopf liefen sämtliche Prozesse parallel ab, die anfängliche Nervosität verflog im Laufe des Kampfgeschehens. Meine Sinne verschärften sich, mein Geist fokussierte sich allein auf mein Handeln und meine Umgebung. "Von oben!", brüllte Rasmus, als sich Schatten von der Decke abhoben. Für einen sicheren Stand kniete ich nieder und stieß dann Flammen empor. Hannah und Kostas hielten mir derweil andere Schatten vom Leib. Ich konnte mittlerweile nicht mehr sagen, wie viele Kreaturen ich bereits vernichtet hatte - das einzige, was zählte, war, dass wir uns ihnen noch mit der Oberhand entgegensetzten.
"Bei welcher Entwicklungsstufe sind wir angelangt?", hakte Magnus nach, als er zusammen mit der Königstochter leuchtende Erdbälle schuf und auf die Schatten feuerte. "Vier!", rief ich über den Lärm des Kampfes zurück. Ich hatte das ungute Gefühl, dass wir am heutigen Tage Stufen zu Gesicht bekommen werden, die uns außerhalb der Höhle noch nie über den Weg gelaufen waren.
Helena und ich schossen Feuerbälle in den vor uns liegenden, tiefer gehenden Tunnel. Kasimir schuf sauerstoffhaltige Winde, um zuallererst uns einmal damit zu versorgen und zunächst die Feuer zu verstärken. Kostas achtete derweil darauf, dass die Feuer nicht unkontrolliert wüteten und erstickte manche Brandherde gegebenfalls mit Wasser.
"Wie können es nur so verdammt viele sein?" Hannah unterbrach sich wegen des Kampfes immer wieder selbst. "Entweder ihr Erschaffer hat sie noch schnell nebenbei zum Leben erweckt oder er war auf diese Schlacht vorbereitet", theoretisierte Kostas mit leicht ironischem Unterton. Daraufhin schuf er zusammen mit Kasimir neue Eis-Spiegel. "Vorbereitung? Woher sollte der Dunkle Magier von unseren Expeditionen wissen?", hakte die Königstochter verwundert nach. Rasmus blickte sie scharf an und hob mahnend den Finger, während er mit dem Zauberstab in seiner anderen Hand weiterhin Lichtkugeln lossandte. "Falls er hinter all dem steckt - unschuldig, bis anderes bewiesen ist - wird er seine Wege zur Informationsbeschaffung haben, wenn nicht vielleicht durch die Schatten selbst. Außerdem waren wir bezüglich unserer Expeditionen nicht sehr diskret." Hannah nickte verstehend und zog kurzerhand ihren Wasserschlauch vom Gürtel, während ihr Vater sie deckte. Kostas blickte - soweit ich das aus dem Augenwinkel korrekt beurteilte - besorgt drein. "Ich habe noch ein Anliegen: Kam es nur mir so vor oder wirkten die Schatten wirklich aggressiver... irgendwie mordlustig?"

Schatten || Kostory FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt