"Helena, ich muss bald zu Kostas und Hannah", teilte ich der älteren Frau mit. Jede Nacht, vor dem Einschlafen, quälte mich die Trennung von Dennis. Tagsüber konnte ich dies erfolgreich verdrängen, doch sobald ich ohne Ablenkung war, sah dies anders aus.
Ein verständnisvolles Nicken ihrerseits.
"Dann solltest du zeitig schlafen. Wenn du morgen früh losfliegst, kommst du nachmittags an der Mauer an", erklärte sie.
"Fliegen?"
"Die Drachen haben dich als Mitglied ihrer Familie anerkannt. Sie werden dich zwar gehen lassen, aber nur mit der Vergewisserung, dass du in Sicherheit bist", erwiderte sie, während sie lächelnd zu den schlafenden Drachen blickte.
"Diese besonderen Wesen waren wohl immer eher deine Familie als Menschen", murmelte ich.
"Ich habe diese Familie, seit ich keine menschliche mehr habe", wies sie mich zurecht. Fragend sah ich sie an, woraufhin sie herzhaft seufzte. "Als ich noch in einem Dorf lebte, fand ich einmal ein verwaistes Drachenjunges. Ich zog es auf, bis es schließlich für sich alleine sorgen konnte. Zur damaligen Zeit wurden diese Wesen noch aktiv gejagt, doch ich wäre keine Feuerbändigerin, wenn ich das Junge ausgeliefert hätte. Eines Nachts überfielen Banditen mein Dorf. Sie nahmen all unser Hab und Gut, missbrauchten Frauen und Mädchen, töteten die Männer und Jungen, die sich ihnen in den Weg stellten, brannten die Häuser und Felder nieder. Ich kam gerade von der Jagd, als es geschah, und suchte verzweifelt nach meinem Ehemann und meiner kleinen Tochter. Doch für sie kam jede Hilfe zu spät. Ich hingegen wurde gerettet - von dem Drachen, den ich einst aufzog. Er brachte mich hierher und begleitete mich einige Tage später zurück ins Dorf, um die Toten zu begraben."
"Was war mit deiner Familie geschehen?", fragte ich vorsichtig nach.
"Sie wurden im Haus eingesperrt, bevor die Banditen dieses anzündeten", antwortete Helena monoton und formte ihre Hände zu Fäusten.
Ich wusste, dass die ältere Frau kein Mitleid wollte - ihre Vergangenheit hatte sie stark gemacht und abgehärtet.
"Hast du dich an ihnen gerächt?"
Helena grinste genugtuend, als sie erzählte: "Es hatte eine Weile gedauert, um die Bande aufzuspüren. Aber den Drachen und mir bereitete es eine große Freude, sie das Gleiche erleben zu lassen, was sie den mir wichtigsten Menschen angetan hatten - bei lebendigem Leibe verbrennen."
"Aber Rache bringt keine -", begann ich, wurde jedoch von meinem Gegenüber unterbrochen: "Toten zurück, ich weiß. Es ging mir auch nicht hauptsächlich um Vergeltung, sondern viel mehr darum, andere Menschen vor solch einem Verlust zu schützen. Diese Banditen hatten innerhalb kürzester Zeit eine Gemeinschaft und mehrere Familien existenziell zerstört."
Forschend sah ich sie an, was sie einem entschlossenen Blick erwiderte.
"Was ist aus dem Drachen geworden?", hakte ich nach.
"Er führt nun diese Familie an", antwortete sie.
Das erklärte, warum die Drachen so perfekt auf Helena hörten. Sie war die Ziehmutter des Anführers und da ich unmittelbar zu ihrem Freundeskreis zählte, akzeptierten die Wesen auch Anweisungen von mir.
Helena lächelte schwach in die Richtung der geflügelten Wesen.
"Wie kamst du an den Hof?", fragte sie danach an mich gewandt.
"Was sagt dir, dass ich dort nicht aufgewachsen bin?", entgegnete ich.
"Du hattest es an deinem ersten Abend hier angedeutet."
"Kostas lebt seit seiner Geburt am Hof und wurde somit zur rechten Hand erzogen. Der König suchte einen zweiten Berater im ganzen Land, jemand der das Landleben mit seinen Tücken kannte. Mein jetziger Freund und ich verstanden uns auf Anhieb, als ich an den Hof zur Beurteilung gebracht wurde und dementsprechend blieb ich zur Erziehung", erklärte ich.
"Wie alt warst du damals?"
"Acht Jahre."
"Also wurdest du mehr oder weniger zum Leben als Berater gezwungen?", hakte Helena nach.
Schulterzuckend dachte ich nach. "Es gefällt mir."
Mein Gegenüber nickte verständnisvoll. "Vorher warst du, ebenso wie ich, auf dem Land aufgewachsen?"
Ich bejahte dies.
"Kannst du daher auch jagen und fischen?", kam es von der älteren Frau.
Ein Nicken meinerseits. Daraufhin herrschte angenehme Stille und wir gingen langsam zu Bett.
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Schatten || Kostory FF
FanfictionSie scheinen aus dem Nichts zu kommen: Dunkle Gestalten, die alles zu verschlingen drohen. Kaum etwas ist anfangs über sie bekannt, doch eines ist sich jeder bewusst: Wenn diese Wesen nicht aufgehalten werden, wird alles Leben ausgelöscht.