Kapitel 12

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Marik

"Du möchtest was machen?!", vor lauter Schreck verschluckte ich mich am Essen.
"Morgen auf den Drachen reiten", erwiderte Helena. Hustend schüttelte ich den Kopf. "Ohne mich!"
Die Frau streckte die Beine aus, lehnte sich zurück und stützte sich mit den Armen auf dem staubigen Steinboden der Höhle ab.
"Warum?", hakte sie nach.
"Bei meinem letzten Flug wurde ich entführt!", entgegnete ich außer Atem. "Wenn das eine Entführung wäre, säßest du mit Wasser und Brot in einem Käfig", kam es von Helena. Wieder einmal hatte sie Recht - offensichtlich.
Seufzend stellte ich meinen leeren Holzteller beiseite, zog die Beine an meinen Körper und schlang die Arme darum. Grübelnd sah ich in die Flammen.
"Wirst du mitfliegen?"
"Habe ich eine andere Wahl?"
"Nein."

...

"Die Drachen warten nicht!", rief mir Helena zu, als ich an einem Bach nahe der Höhlen war, um mein frisch gewaschenenes Oberteil zu trocknen und anzuziehen. Schließlich eilte ich zu ihr. "Und wir beide fliegen jetzt auf den Drachen mit?", fragte ich nochmals argwöhnisch nach. Die Frau nickte und schwang sich auf den Rücken von einem der geflügelten Wesen.
Noch immer misstrauisch näherte ich mich ebenfalls einem Drachen.
Zögernd ließ ich mich hinter dem Kopf auf dem langen Hals nieder, um mich an den Hörnern festzuhalten. Daraufhin kam von dem geflügelten Wesen, auf dem ich saß, ein Schnaufen. Mit einem fragenden Blick sah ich zu Helena. "Keine Sorge. Er wird dich gewähren lassen", erwiderte sie und gab das Zeichen, dass die Drachen losfliegen durften.
Mit einem kräftigen Abstoß erhoben sie sich in die Luft.
Die Höhlen entfernten sich immer weiter und Baumkronen und Wiesen befanden sich unter uns. Während ich fasziniert sitzen blieb, begann Helena ihren Drachen zu wechseln. Sie lief über die Flügel des ersten Drachens und sprang auf den Rücken des nächsten. Schmunzelnd beobachtete ich sie dabei, bevor ich meinen Blick über die Landschaft schweifen ließ.
In der Ferne sah man die königliche Burg mit den angrenzenden Dörfern.
Am Horizont erstreckten sich weitere Wälder und schier unendliche Wiesen. Selbst die weit entfernten Gebirge, die sich im Osten des Königreichs befanden, konnte ich erblicken. Staunend sah ich auf die gigantischen Schatten der mächtigen Drachen hinab und beobachtete mein Spiegelbild auf der glitzernden Oberfläche eines Sees, als wir im Tiefflug über die Landschaft hinwegzogen.
Mein Misstrauen war längst vergessen.
Anmutig erhoben sich die Drachen erneut in die luftigen Höhen. Der Wind wehte durch meine Haare und zerzauste sie. Das Gefühl von Freiheit durchströmte meinen Körper und es erschien mir, als ob ich es mit jedem Atemzug wieder und wieder einatmen würde.
Glücklich schloss ich meine Augen, genoss die Sonnenstrahlen, die mein Gesicht trotz des frischen Windes erwärmten, und breitete meine Arme aus. Luftströme glitten durch meine Finger und die kraftvollen Flügelschläge der Drachen ertönten in regelmäßigen Abständen. Ich spürte die angespannten Muskeln des Drachenhalses, als das Wesen scheinbar seinen Kopf drehte, um sich womöglich umzusehen.
"Gut festhalten!", rief Helena, woraufhin ich meine Augen wieder öffnete und meine Hände instinktiv die Hörner umklammerten. Die Drachen ließen sich im Sturzflug aus der Höhe fallen. Adrenalin pumpte durch meinen Körper. Meine Augen tränten durch den Gegenwind leicht. Angst verspürte ich jedoch keineswegs.
Nachdem sich die geflügelten Wesen mit wenigen Flügelschlägen in der Luft abgefangen hatten, setzten sie zum Gleitflug an.
Der blaue Himmel erstreckte sich über uns, wurde vereinzelt von Wolken unterbrochen. Lächelnd lehnte ich mich zurück, sodass ich auf dem Drachenhals lag, und verschränkte meine Hände hinter dem Kopf.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Helena auf dem Rücken eines anderen Drachens stand. Ihr braunes Haar, welches von grauen Strähnen durchzogen war, wehte im Wind.
Sie bemerkte meinen Blick und schmunzelte. Daraufhin sprang sie leichtfüßig auf meine geflügelte Kreatur und zog mich an den Armen vorsichtig auf den Drachenrücken. Zögernd ging ich in die Hocke und richtete mich schwankend auf.
Mit wenigen Schritten lief sie rückwärts, woraufhin sie vom Drachen fiel. Erschrocken stürzte ich zum Rand des Körpers, um nach ihr zu sehen. Erleichtert stellte ich jedoch fest, dass ein anderes geflügeltes Wesen sie aufgefangen hatte.
Lachend lag sie dort, ihre Gliedmaßen von sich gestreckt.
Mit dieser Mimik und Gestik wirkte sie um einige Jahre jünger.
Mit einer Handgeste wies sie mir an, zu ihr hinunterzuspringen.
Zögernd richtete ich mich wieder auf und setzte zum Absprung an, bewegte mich einen Augenblick später jedoch in die kniende Position zurück.
Einmal tief durchatmend drückte ich mich ab und landete nach wenigen Sekunden taumelnd auf dem unteren Drachen. Helena lächelte mich anerkennend an und setzte sich auf.
Mit Leichtkeit stieß sie plötzlich eine Flamme aus ihrem Mund hervor - so gewaltig, dass ich trotz feuerfester Rüstung zurückwich.
Man merkte ihr an, dass sie von einem Wächter gelernt hatte.
"Wir fliegen zurück!", rief sie. Daraufin kehrten die geflügelten Wesen tatsächlich um und brachten uns anschließend unbeschadet zu den Höhlen zurück.

Schatten || Kostory FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt