Mik
Ich wusste nicht, wie lange ich bereits mit den Drachen flog. Anhand der Sonne konnte ich nur erahnen, dass es sich um Stunden handeln musste.
Noch dazu war ich mir ziemlich, dass wir zu den nördlichen Höhlen unterwegs waren, dadurch brauchte der Flug seine Zeit....
Die Nacht war hereingebrochen und ein kalter Wind wehte. Trotz der Körperwärme des Drachen, der mich in seiner Pranke gehalten hatte, hatte ich gefroren.
Umso erleichterter war ich, als wir endlich an den Höhlen ankamen und landeten.
"Wer bist du?", wurde ich von einer Fremden empfangen. "Marik", beantwortete ich perplex ihre Frage und dank des Mondlichtes konnte ich ihr Gesicht erkennen. Eine lange Narbe zierte ihr Gesicht, verlief von ihrem Kinn über ihre rechte Gesichtshälfte bis hinauf zur Stirn.
Sie musterte mich und nickte langsam. "Wo haben dich die Drachen aufgesammelt?"
"Im Wald an der Grenzmauer", erwiderte ich, woraufhin sie höhnisch lachte. "Und jetzt nochmal die Wahrheit. Kein normaler Sterblicher würde auch nur auf den Gedanken kommen, sich freiwillig in der Nähe der Schatten aufzuhalten."
Ich zog eine Augenbraue hoch und erklärte ihr, dass ich es ernst meine und ein vom König beauftragter Erforscher der Schatten sei.
Erneut ein Nicken ihrerseits, bevor sie eine Höhle betrat.
Da ich nicht wusste, wie ich mich in Gegenwart der Drachen verhalten sollte, lief ich ihr hinterher.
"Wie heißt du?", fragte ich die Frau.
"Helena", bekam ich als Antwort.
"Bist du auch eine Feuerbändigerin?"
"Sonst würde ich wohl kaum hier leben", stellte sie fest.
Sarkasmus und Ironie schienen ihre täglichen Begleiter zu sein.
Augenverdrehend beobachtete ich, wie sie sich an ein Lagerfeuer setzte und die Drachen sich auf den kalten Boden legten.
Zögernd ließ ich mich gegenüber von Helena nieder. "Wann werde ich wieder zu meinen Freunden können?"
"Was hast du schon alles vom Königreich gesehen?", kam es gleichgültig von ihr.
Verwirrt von ihrer Gegenfrage antwortete ich: "Die Burg mit den umliegenden Dörfern, alles, was auf dem direkten Weg zur Grenzmauer liegt, und die nördlichen Wälder."
"Und das, was du während des Fluges hierher aus der Luft erspähen konntest?"
Ein Nicken meinerseits und ein abwertendes Schnauben von ihr.
"Womöglich sind die einzige Gefahren, die du kennst, die Schatten. Dabei gibt es so viel mehr - Banditen, Wegelagerer, Brandstifter. An jeder Ecke droht das Risiko, sein Leben zu lassen. Deine Unerfahrenheit im echten Leben außerhalb der Burgmauern wird dich eines Tages den Kopf kosten. Hast du dein Feuer jemals in einem ernsthaften Kampf eingesetzt? Befandest du dich irgendwann mal an der Schwelle zum Tod? Wie möchtest du ein gesamtes Königreich vor einer derartig großen Bedrohung, wie die Schatten es sind, retten, wenn du noch nicht einmal fähig bist, dich selbst zu verteidigen?"
Tief durchatmend versuchte ich mich vergeblich zu beruhigen. Zwar lag sie im Recht, und doch fühlte ich mich in meinem Stolz verletzt. Mein Kiefer spannte sich an. Meine Hände ballten sich zu Fäusten.
"Warum -", fing Helena erneut an.
"Sei ruhig!", unterbrach ich sie, nachdem ich aufsprang. "Ich bin keinesfalls so unwissend, wie du zu glauben scheinst!"
"Ah ja? Im Moment sehe ich nur ein Kind, das verzweifelt versucht, sich wie ein erwachsener Kriegsherr zu präsentieren." Meine Fingernägel drückten in meine erhitzten Handflächen, während ich eine Augenbraue hochzog und erwiderte: "Ich hingegen erblicke vor mir nur eine verbitterte Frau, die voreilig urteilt und ihre Meinung als ungeschriebenes Gesetz empfindet."
Augenblicklich grinste sie leicht.
"Du musst noch viel lernen", bemerkte sie nur, bevor sie aufstand, um sich in der Nähe auf ein 'Bett' aus Heu und Fell zu legen.
"Wir reden morgen weiter. Mach es dir bis dahin irgendwo bequem."
Mit ungläubigen Gesichtsausdruck sah ich in die letzten kleinen Flammen des Lagerfeuers. Diese Frau sollte einer verstehen....
Die ersten Sonnenstrahlen des nächsten Morgens schienen in die Höhle. Gähnend setzte ich mich auf und verzog das Gesicht, da mein Rücken aufgrund des steinigen Untergrundes schmerzte. Mein Schlaf war alles andere als erholsam gewesen.
"Guten Morgen", begrüßte mich Helena, die zu mir trat, "Das Frühstück wartet bereits."
Verwundert - und noch immer leicht wütend aufgrund ihrer gestrigen Äußerungen - folgte ich ihr, als wir einen verwachsenen Pfad zum Wald am Fuße der Höhlen hinunterstiegen. An einem Fluss blieb die Frau letztendlich stehen.
"Du weißt, wie man fischt?", fragte sie mich, während sie zwischen ihren Händen eine Flamme entfachte.
Ich bejahte und watete ins Wasser. Mein Vater hatte mir dies einmal beigebracht.
Nach einigen misslungenen Versuchen fing ich die ersten Fische und warf sie zu Helena, welche einen flachen, relativ großen Stein am Ufer erhitzt hatte, um so die Ausbeute die braten.
"Könntest du heute meine Frage beantworten?", kam es von mir, woraufhin sie mich ahnungslos ansah.
"Wann werde ich wieder zu meinen Freunden können?", fügte ich hinzu.
"Wenn die Zeit reif ist", antwortete sie schlichtweg, "Dass die Drachen ausgerechnet dich hierher brachten, wird bestimmt seine Gründe haben."
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Schatten || Kostory FF
FanfictionSie scheinen aus dem Nichts zu kommen: Dunkle Gestalten, die alles zu verschlingen drohen. Kaum etwas ist anfangs über sie bekannt, doch eines ist sich jeder bewusst: Wenn diese Wesen nicht aufgehalten werden, wird alles Leben ausgelöscht.