Kapitel 5

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Nachdem der König mit seinem Gefolge davongeritten und im Lager wieder Ruhe eingekehrt war, besprachen wir unser weiteres Vorgehen.
"Wir bräuchten jemanden, der mit Toten oder Geistern reden kann", meinte Hannah.
"Um mit den Opfern hier im Lager kommunizieren zu können?", hakte ich nach, woraufhin die Königstochter bestätigend nickte.
"Außerdem müssen wir zur Mauer an der Grenze", fügte Kostas hinzu, "Ich bin mir sicher, dass die Schatten aus dem Reich hinter der Mauer stammen."
"Aus dem Land, das die Sonne nicht kennt", murmelte Hannah, "Wie viele Namen dieses Gebiet wohl hat?"
"Das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass wir jetzt erstmal Prioritäten in der Erforschung setzen. Unsere momentanen Anhaltspunkte sind die Toten und die Mauer", antwortete ich.
"Worum kümmern wir uns zuerst?", bemerkte Kostas.
"Lasst uns zuallererst den Arzt fragen, ob er nicht einen Menschen kennt, der mit Toten kommunizieren kann", schlug Hannah vor.
Gesagt und getan.
Nach einer kurzen Suche fanden wir schließlich den Arzt im Lager.
"Die einzigen Personen, die ich kenne und solche Fähigkeiten besitzen, sind entweder tot oder liegen hier", antwortete er und zuckte bedauernd mit den Schultern, "Hört euch doch mal in den umliegenden Dörfern um. Vielleicht kann euch dort jemand weiterhelfen."
"Keine schlechte Idee", bemerkte Kostas.
Gerade als wir unseren Proviant für die Wanderung in die Dörfer packten, kam Linea zu uns.
"Ihr geht?", stellte sie überrascht fest.
"Unser Aufenthalt hier war nur temporär. Im Lager können wir vorerst keine Fortschritte bei der Erforschung der Schatten machen. Wir müssen jemanden finden, der in der Lage ist, mit Toten zu kommunizieren", erklärte Hannah.
"Ich begleite euch!", rief das kleine Mädchen, woraufhin die Königstochter den Kopf schüttelte: "Zu gefährlich. Außerdem kannst du deine Mutter nicht alleine lassen."
"Aber ich möchte helfen!", erwiderte Linea und verschränkte die Arme vor der Brust. Hannah schaute ratlos drein. Mit Kindern umzugehen zählte noch nie zu ihren Stärken.
Kostas ging vor Linea in die Hocke und legte seine Hand auf ihre Schulter: "Wenn du unbedingt helfen möchtest, dann pass gut auf deine Mutter und auf die anderen Bewohner deines Dorfes auf."
Er richtete sich wieder auf, als Linea nachgab und nickte.
"Bei einer Sache könntest du uns doch helfen. Du kennst nicht zufällig jemanden, der uns bei unserer Suche nach der besagten Person unterstützen könnte?", fügte er hinzu.
"Doch. Folgt mir!", antwortete das kleine Mädchen und rannte mit einer Hand hinter sich her winkend aus dem Zelt.
Hannah, Kostas und ich eilten ihr nach.
"Myriam!", rief Linea und sah sich suchend zwischen den Zelten um.
"Hier drüben am Lagerfeuer!", erhielt sie als Antwort von der jungen Frau, woraufhin wir zu ihr liefen.
Sie stand über einen Topf, der über einem Feuer hing, gebeugt.
"Das Mittagessen ist gleich fertig", lächelte Myriam uns zu.
Wir setzten uns und Linea tippte die junge Frau an: "Myriam, wir brauchen deine Hilfe."
"Worum geht es denn?", erwiderte die Angesprochen und ging vor dem kleinem Mädchen in die Hocke, um mit ihr auf ungefährer Augenhöhe zu sein.
"Du kannst doch mit Toten reden...", fing Linea an.
"Wenn du mich jetzt fragen möchtest, ob ich mit den Opfern hier im Lager kommunizieren könnte, muss ich dich leider enttäuschen."
"Warum das?", meldete sich Hannah zu Wort.
"Weil die Menschen hier nicht tot sind?", entgegnete Kostas.
"Korrekt. Die Körper, die sich hier im Lager befinden, leben an sich, aber haben keinen Geist, wodurch ich machtlos bin", antwortete Myriam und sah uns entschuldigend an.
"Das bedeutet, dass die Schatten den betroffenen Menschen nur ihren Geist rauben", schlussfolgerte ich, "Ob sie sie auch umbringen?"
Hannah schaute entschlossen in die Runde: "Das werden wir noch herausfinden. Jetzt ist unser nächstes Ziel erstmal die Grenzmauer."
"Wann brechen wir auf?", hakte Kostas nach."
"Sofort", kam es von mir.

...

Mit frischen Proviant bepackt verabschiedeten wir uns von den Helfern im Lager, Linea und Myriam.
Kostas und ich erschufen wieder die Pferde, um schneller unterwegs zu sein.
Zu Fuß hätten wir fünf Tage
gebraucht - mit dem Pferd waren es zwei bis drei Tage.
Zeit war jetzt kostbarer als unsere Sicherheit.
"Seid ihr bereit?", fragte Kostas, woraufhin Hannah und ich entschlossen nickten.
Anfangs verlief die Reise größtenteils schweigend. Ab und zu wurden ein paar Hypothesen aufgestellt und von Kostas aufgeschrieben, welche Fähigkeiten die Schatten noch besitzen könnten.
Erst, als Hannah eine bedeutende Frage aussprach, fingen wir wirklich an, miteinander zu reden: "Wo schlafen wir in den Nächten?"
Zwar hatten wir Decken und alles weitere im Gepäck, jedoch brauchten wir auch Schutz vor den Schatten in der Dunkelheit.
"Solange wir den Wald nicht erreicht haben, liegen auf unserem Weg noch mehrere Dörfer", antwortete ich.
"Das wäre vorerst eine Lösung, aber irgendwann werden wir den Wald an der Grenzmauer erreichen. Was ist dann?", erwiderte die Königstochter wieder.
"Wir könnten den Wald umgehen und über die Hügelkette reiten. Dort gibt es nur wenige Bäume", meldete sich Kostas zu Wort.
"Das würde allerdings auch zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen", seufzte ich.
"Und Zeit haben wir nicht", murmelte das Mädchen wieder.
"Hannah, wäre es möglich, uns mithilfe von Magie einen Schlafplatz in den Baumkronen zu schaffen?", kam es wieder von Kostas.
Nach einer kurzen Überlegung meinte die Königstochter: "Insofern der Baum stark genug ist, sollte das durchaus möglich sein. Trotzdem müssen wir achtsam sein."

Schatten || Kostory FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt