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Ich hatte noch immer nicht ganz realisiert in was für Situation ich uns beide verfrachtet hatte, dadurch dass ich vom Plan abgewichen bin, aber es schien langsam durchzusickern. Das hier war keine Übung, die Luke oder jemand anders jeden Moment abbrechen oder Kat mir zu Hilfe eilen könnte. Das hier war echt.

Fehler, die mich damals vielleicht ein paar Runden laufen mehr oder ein Abendessen weniger gekostet hätten, konnte ich mir jetzt nicht mehr leisten. Wenn jetzt etwas schief geht oder ich nur einen Moment nicht aufpasste, kostete das wahrscheinlich nicht nur mein Leben.
„Jane! Konzentrier dich.", mit einem leichten Schlag gegen die Wange, holte mich Luke aus meinen Gedanken und in die Realität zurück aus der ich so unbedingt entfliehen wollte.

„Wenn ich dir das Signal gebe, schaltest du alles um dich herum aus und konzentrierst dich nur auf das Gefühl in deiner Hand. Nichts anderes. So wie wir es geübt haben. Verstanden?"

Er wartete auf ein bestätigendes Nicken von mir, dass er jedoch nicht erhielt.
Nicht weil ich es nicht verstanden hatte, sondern weil ich nicht wollte. Nicht konnte. Ich hatte soeben in dem Bruchteil einer Sekunde mit einer dummen intuiven Entscheidung die komplette Mission ruiniert. Schon wieder setzte Luke alles aufs Spiel, wofür er sein Leben lang gearbeitet und trainiert hatte, weil ich mich nicht kontrollieren kann.

So sehr mein Kopf sich weigerte negativ über mich zu denken, realisierte ich genau in diesem Moment, dass er nicht der Böse war. Ich war es. Ich war so sehr davon überzeugt, dass alle um mich herum die bösen waren und ich die Gute ohne zu merken wie ich alle um mich herum mit meinen Entscheidungen runter zog.
Ständig beschwerte ich mich über extra Runden, die ich laufen sollte, zusätzliche Stunden Selbstverteidigung Abends mit James und den anderen oder darüber wie schrecklich das Essen war, ohne über die anderen Nachzudenken.

Wie Luke Wochen von seiner Zeit an mich verschwendete, damit ich besser werde, während er wahrscheinlich auch lieber was anderes machen würde. Ich tat so, als würde er all das machen nur um mein Leben zu vermiesen. Wie James spät Abends geduldig versuchte mir jede Technik zum fünften Mal zu erklären und ich trotzdem nur meckerte und es schon wieder nicht hinbekam, obwohl auch er nach 12 Stunden Training, Missionen planen und zusammen mit Luke der oberen Etage Antwort stehen auch einfach mal schlafen gehen wollte.

Wie die komplette rote Garde direkte Befehle und strengste Sicherheitsmaßnahmen komplett ignoriert haben nur um mich suchen zu kommen, weil mich mal wieder alle negativen Gedanken wie eine Welle auf einmal trafen. Und schon wieder passierte es mir. In den unpassendsten Momenten.

„Hey! Was ist los? Jane, Ich brauch dich! Jetzt!"
„Ich kann das nicht.", murmelte ich leise, wie in Trance.
„Was?", kam es energisch von ihm.
„Ich kann das einfach nicht, Luke.", sprach ich ein bisschen lauter.
„Was meinst du, du kannst das nicht? Das ist jetzt nicht dein Ernst?"
„Du denkst ich kann das, ich aber nicht." Fassungslos musterte er mich. „Jane! Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Selbstmitleid. Reiß dich gefälligst zusammen."

Zitternd ließ ich seine Hände los und stolperte zurück auf den Boden. Ich schüttelte den Kopf. „Nein.", hauchte ich fast lautlos. „Jeden Tag, wenn ich in die Halle komme, denke ich das dieser Tag besser wird als der Vorherige, egal wie schlecht ich mich fühle, egal wie wenig Motivation ich habe, egal wie wenig Lust ich habe dich zu sehen und jeden Tag beweist du mir das Gegenteil. Du sagst mir, wie schlecht ich bin und bei jedem kleinsten Erfolg, wie wenig ich ihn verdient hätte. Und wenn du dann einmal nen Tag hast, an dem du nur halbwegs gut gelaunt bist, sagst du mir, dass ich alles hinkriegen könnte, aber glaubst es selber nicht. Ich kann das nicht mehr. Ich will das nicht mehr."

Und wieder hatte ich es getan. Jemand anderen den Bösen in einer Situation gemacht, die ich verschuldet hatte. Ich bereute mein Gesagtes in der selben Sekunde, in der ich meinen Satz beendet hatte, aber es war zu spät.

Für einen Moment sah er mich einfach nur an. Für nur den Bruchteil einer Sekunde blitzte Enttäuschung in seinen Augen auf. Dann schwenkte sein Blick auf den Boden. „Verstanden."

Ich schreckte auf, als ein lauter Knall zu hören war. Hektisch sah Luke sich um und zögerte für einen Augenblick, als sein Blick an mir hängenblieb. Er schien zu überlegen.

„Tut mir leid." Verwirrt starrte ich ihn an und lachte nervös auf. „Was tut dir leid?" Ich spürte wie die Luft um mich herum zu knistern begann und Luke konzentriert zwischen mir und seinen Händen hin- und herblickte.
Obwohl ich es versuchte, konnte ich meinen Blick nicht von ihm lösen und begann leicht zu schwanken.

„Was machst du?", meine Stimme war nur ein leises Flüstern. Seine Miene war kalt und er machte keine Andeutungen zu antworten. Ich wollte aufstehen, doch mein Körper schien nicht auf mich zu hören. Ein zweites Mal wollte ich mich vorlehnen um aufzustehen, aber bewegte mich kein Stück, als hätte ich keine Kontrolle über mich.

Ich spürte, wie meine Hände zu kribbeln begannen, wie sie es immer taten, bevor ich mein Elex benutzte, nur mit dem Unterschied, dass ich es diesmal nicht tat. Ich beobachtete wie sich mit einem Mal Flammen auf Lukes Händen bildeten und ich merkte wie ich immer Schwächer wurde.

Das war nicht sein Elex, was er benutzte.
Das war meins.

„Wie..?", nur mit Mühe brachte ich dieses einzelne Wort raus. Mit ausdrucksloser Miene wandte er sich von mir ab und drehte sich zum Fenster, oder das Loch das davon zurückgeblieben war.

Ich beobachtete, wie sein ganzer Körper anfing zu glühen, bevor ich mich nicht länger wehren konnte und mich zurück auf den Boden fallen ließ.
Mit letzter Kraft versuchte ich meine Augen offen zu halten, doch verlor kurz darauf den Kampf gegen die Dunkelheit, die mich kurz darauf empfing.

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