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„Komm schon, Jane. Das kannst du besser.", James versuchte mich vergeblich vom Mattenrand aus zu motivieren. Stöhnend erhob ich mich vorsichtig und begab mich wieder in Angriffsposition.

Mit der Vermutung, dass Ryder mir nur weh tun wollte, behielt ich recht. Er tat mir mit jedem Angriff, den er startete unglaublich weh, aber machte keinen finalen Zug, bei dem klar wäre, dass er gewonnen hätte.

Immer wieder fiel ich auf seine Techniken rein und immer wieder nutzte er dies aus. Auch wenn ich mittlerweile schon mit ein paar guten Techniken vertraut war, reichte mein Wissen nicht aus, um einen guten Angriff gegen Ryder zu starten, da dieser einfach gegen alle meine Techniken den passenden Konter hatte und es so immer wieder raus schaffte.

Mein einziger Erfolg waren ein paar Ausweicher, die Ryder aber nur belustigend mit einem weiteren Angriff kommentierte. Als ich aufgeben wollte, weil ich echt nicht mehr konnte, wurde ich von James zurück auf die Matte geschubst und von Ryder mit einem erneuten Angriff fertig gemacht.

                                           ~~~

Die restliche Woche verging wie im Flug und ehe ich mich versah war es schon Sonntag und ich lag im Bett und konnte absolut nicht schlafen.
Kat tauchte Freitagmorgen wieder auf und berichtete mir völlig erschöpft von der Prüfung, obwohl sie nicht allzu viel verraten durfte.

James machte Überstunden mit mir. Wir trainierten von morgens bis Abends vor allem im Nahkampf, aber auch in allen anderen Bereichen und das sogar an einem Sonntag. Er zeigte sich beeindruckt von meinem Talent beim Waffentraining im Gegensatz zu Luke, welcher bisher immer noch nicht aufgetaucht war.

Einmal glaubte ich, ihn am Ende des Flurs um eine Ecke biegen zu sehen, aber ich musste mich geirrt haben. Ich hatte allerdings das ungute Gefühl, dass er morgen wieder vor meiner Tür stehen würde und mein Gefühl irrte sich selten.

Unsanft und nach Luft schnappend wurde ich aus meinem Schlaf gerissen, als sich ein guter Liter eiskaltes Wasser über mein Gesicht ergoss.
Ich riss die Augen auf und begann zu husten.

Als mir dann auch noch die Decke weggerissen wurde, saß ich mit komplett nassen Haaren und vor Kälte zitternd auf der Bettkante.

Jede andere Person hätte ich in so einer Situation bis zum geht nicht mehr angemotzt, aber als ich hochsah und in kalte blaue Augen blickte, wagte ich es nicht auch nur einen Ton rauszubringen.

„Du hast genau eine Minute um dich umzuziehen, ansonsten nehm' ich dich so mit wie du bist."
Ich wusste, dass er diese Drohung wahr machen würde, weswegen ich es erst gar nicht drauf ankommen ließ und blitzschnell die erst besten Sportsachen aus meinem Schrank riss und im Badezimmer verschwand um mich umzuziehen.

Mein Herz pochte bis zum Anschlag, als ich mir noch einen Zopf bindend aus der Tür trat. Die Uhr zeigte 3:30 Uhr. Luke hatte mich eine ganze Stunde früher geweckt.

Empört darüber lief ich ihm die kalten Gänge hinterher und die Treppen runter zu dem Raum mit der Aufschrift Ex13.

Seine Anweisungen waren kurz und knapp und die Kälte in seiner Stimme lies mich jedes Mal aufs neue erzittern. Er zeigte nicht die Art von Wut, die ich erwartet hatte. Ich dachte er würde mich von der ersten Minute an mit Beleidigungen nur so fertig machen und mich beim Nahkampf blutig schlagen.

Sein Tonfall hingegen wirkte den ganzen Morgen über einfach nur kalt, distanziert und professionell. Zwischendurch beim Nahkampf hatte ich den Eindruck, dass es ihm schwerfiel diese Maske zu bewahren.

Auch wenn er wenig beeindruckt von meinem neuen Kenntnisstand schien, merkte ich, dass er meinen Fortschritt in den vergangenen Tagen bemerkte und mich noch mehr forderte. Ich versuchte zwar mir es nicht anmerken zu lassen, allerdings war ich verdammt stolz, dass ich einige neue Techniken immer noch behalten hatte.

Unser Training war leise. Seine Anweisungen und Tipps kurz. Normalerweise würde ich nach jedem blauen Fleck den er mir verpasste, einen dummen Kommentar ablassen oder einige Sekunden liegen bleiben, aber heute traute ich mich nicht ihn auch nur schief anzusehen.
Ich hatte keinen Respekt. Ich hatte Angst.

Ich wollte mich für mein Benehmen entschuldigen, da dies das einzige war, was ich tun konnte. Das einzig angemessene. Aber ich traute mich einfach nicht. Ich hatte Angst vor seiner Reaktion, wenn ich ihm drauf ansprach.

„Muss ich mich erst drehen und dann den Schritt machen?", fragte ich leise und zögernd, sodass es fast ängstlich rüberkam.

„Erst den Schritt und dann nach hinten drehen.", seine Stimme war genauso leise wie meine, allerdings nicht ängstlich, sondern einfach abwesend und müde.

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