2. Elterngespräch

2.2K 151 62
                                    

Wie erwartet sind Jungkooks Eltern schon zu Hause, als er nachdem äußerst peinlichen Vorfall die Haustür aufschließt und die Schuhe sauber in den Schrank verräumt. Nur schwer kann er ein Augenverdrehen vermeiden, als er die bekannten Stimmen der Erwachsenen vernimmt. "Jungkook, mein Junge, bist du es?", ruft die Mutter aus der Küche, die hörbar am Kochen ist. 

Dieses Mal muss der Schüler doch die Augen rollen lassen.

Wer denn sonst, denkt er sich, antwortet aber nur mit einem schnellen "Ja" und kommt in die Küche. Sein Vater guckt wie immer in sein Laptop, um scheinbar neue Aufträge anzunehmen. Dieser interessiert sich nur halbherzig für seinen Sohn. Nur wenn er gute Noten nach Hause bringt, bekommt Jungkook vielleicht eine kurze Aufmerksamkeit - ein kleiner Anflug von Stolz? Aus seinem jüngsten Sohn muss ein erfolgreicher und ansehbarer Mann werden, der einmal eine hohe Position führen soll - sonder Traum des Erwachsenen.

Jungkooks Mutter wiederum ist am Kochen, schenkt seinem Sohn ein flüchtiges, liebevolles Lächeln, ehe sie sich wieder der kochenden Suppe widmet. "Ist Hyung nicht da?", fragt der Schüler und erntet nur ein Kopf schütteln der Frau. "Du weißt doch, mein Junge, er ist bei seiner Verlobten."

Ach ja, das hat er wirklich vergessen. Junghyun, sein fünf Jahre älterer Bruder, ist seit kurzer Zeit verlobt, irgendwie kommt er deshalb kaum mehr nach Hause. Jungkook wundert das sehr, denn er darf nicht mal bei Jimin übernachten, wenn er nicht den Lernplan abarbeitet hat, den sein Vater für ihn erstellt hat.

Völlig übertrieben, denkt sich der Schüler jedes Mal, aber hat sich damit schon lange abgefunden. Sich darüber aufzuregen wäre sinnlos. Das hat er damals bereits schon oft genug gemacht, saß aber dann bis spät in der Nacht da dran, denn er musste es an jenem Tag fertig erarbeitet seinem Vater vorlegen. 

Dementsprechend angespannt ist das Verhältnis zwischen den beiden. "Hast du die Englischschulaufgabe zurückbekommen, Jungkook?", fragt der erwachsene Mann, ohne seinen Kopf von den Unterlagen zu heben. "Ja, es ist eine zwei geworden!", verkündet Jungkook stolz, reckt dabei sein Kinn in die Höhe. 

Englisch war einfach von Beginn an nicht sein Fach, er kann die Vokabeln bis zum Auskotzen lernen, in wenigen Tagen hat er sie wieder vergessen. Deshalb freut er sich um so mehr auf diese mehr als gute Note.

"Nur eine zwei?" Endlich guckt er seinen Sohn an, aber der stolz, den Jungkook gerne in den Augen seines Vaters sehen möchte, findet er nicht. Nein, er sieht lediglich Enttäuschung. "Nächstes Mal wird es eine eins.", ist das einzige, was er dazu sagt.

Geknickt nickt Jungkook und lässt den Kopf hängen, er möchte nicht noch länger in die ernüchterten Augen gucken. 

Oft fragt er sich, wieso sein Vater nur auf Leistung aus ist, aber trotzdem nie ein Lächeln von ihm bekommt. Schreibt er eine eins, kommt von dem Erwachsenen nur "Lern weiter so". 

"Ich bin oben und lerne. Essen werde ich danach." Schnell flüchtet der Schüler in sein Zimmer, die angespannte Stimmung keine Sekunde länger auszuhalten. "Wieso sagt Eomma nie was? Ist sie auch nicht stolz auf mich?", murmelt er, während er die Tasche in die Ecke donnert. 

Lernen wird er heute nicht mehr, denn er kann bereits alles. 

Traurig verstimmt fällt er mit dem Oberkörper auf sein ungemachtes Bett. Die Augen nur leicht geöffnet auf die kahle Wand gerichtet. Jungkook wollte immer Bilder und Poster in seinem Zimmer aufhängen - sein Vater verbietet es ihm. "Es lenkt zu sehr ab", waren seine damaligen Worte und seine Mutter stellt sich nie gegen ihren Mann. Ein Wunder, dass Jungkook eine PlayStation und einen PC bekommen hat. 

Mühevoll versucht er die Gedanken an die Erziehungsberechtigten aus seinem Kurzzeitgedächtnis zu bannen, stattdessen an etwas anderes zu denken.

An Taehyung zum Beispiel. 

Sofort schießt die Röte in Jungkooks makelloses Gesicht. Die Situation der vergangenen Stunde bildet sich vor seinem inneren Auge.

"Das war so peinlich...!", jammert er in den stillen Raum. "Was denkt er denn jetzt nur von mir?" Mehr als peinlich berührt vergräbt er sein Gesicht ins Kissen und schüttelt wie verrückt den Kopf. 

Er wird mich bestimmt auslachen und mit seinen Freunden über mich lästern. Morgen werde ich Jimins schadenfrohes Lachen hören. 

"Ich bin so dumm, so dumm, so dumm. So dumm!", beleidigt er sich selbst. 

"Ich kann morgen nicht in die Schule. Niemals. Ich bin krank, genau. Ich bin krank und werde meinen Frust an die Versager im Spiel rauslassen. Das ist der Plan!"

𝐌𝐘 𝐔𝐍𝐈𝐕𝐄𝐑𝐒𝐄 • ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt