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P.o.v Sevda 

Ich glaube diese Beerdigung war eines der schlimmsten in der ich je war. Es tut irgendwie weh Umut so leiden sehen. Er umarmte die Grabsteine seiner Eltern richtig fest und wollte sie nicht mehr loslassen. Natürlich tut es mir genauso weh und meine Tränen hören auch nicht auf zu fließen, da ich die beiden ehrlich in mein Herz geschlossen hatte. Das letzte mal als ich sie sah, war als ich die Stadt verließ. Ich hatte ihnen versprochen sie zu besuchen, aber ich kam nie dazu. Ehrlich gesagt wollte ich das auch nie, weil ich dann Umut bestimmt gesehen hätte und mein Herz hätte das nicht mitgemacht. Als jeder weg ging, blieben nur noch Umut und ich übrig. Ich ging auf ihn zu und legte meine Hand auf seine Schulter. Ich spürte seine Gänsehaut und er lehnte auch kurze Zeit später sein Kopf gegen mein Arm (hoffe ihr habt das bildlich im Kopf oder so). ,,Komm Umut steh auf wir müssen langsam los."  ,,Sevda können wir noch etwas hier bleiben. Ich will mich nicht so früh verabschieden." ,,Ja okay, aber nur fünf Minuten." Er nickte und nahm ein Tuch hervor. Beim genaueren hinsehen sah ich, dass es der Lieblingsschal von Frau Günes war. Mir lief ungewollt eine Träne runter. Umut nahm etwas von der Erde seiner Mutter und von seinem Vater in die Hände und legte es in sein Tuch. Er verpackte es fest, sodass nichts von der Erde rausflog. ,,Weißt du Sevda die beiden waren mein Anker für dieses Leben. Sie haben mich jedes mal zurück in das Leben gebracht. Sie haben mich adoptiert, obwohl sie wussten, dass ich ein Problemkind bin. Sie wollten mich haben, weil sie gesehen haben wie ich am leiden bin und aufrichtige Hilfe brauche. Sie haben mich bei allem rausgeholt. In der Schule wurde ich gemobbt, sie haben dafür gesorgt, dass es aufhörte. Ich habe Hayat verloren und sie haben alles getan, dass ich mit diesem Schmerz auskomme und mich selbst nicht zerstört. Ja das mit der Psychiatrie war natürlich nicht das idealste was dir Eltern als Hilfe anbieten können, aber ihr habt nicht gesehen, was sie im Hintergrund noch für mich getan haben. Dann als du weggingst Sevda, es ging mir da auch nicht gut. Ich mochte dich als eine gute Freundin und auf einmal warst du weg. Ich weiß unsere letzten Zeiten miteinander waren nicht die besten. Wir haben uns nie ausgesprochen. Während ich bereit war die alles von mir zu erzählen, konntest du dich nicht überwinden mir von dir zu erzählen. Ich wollte ein guter Freund für dich sein, aber wegen deiner Art dachte ich jedes mal, dass du mich nicht magst. Das ist jedoch nicht unsere Thema. Darüber würde ich mit dir gerne ein anderes mal reden." Umut stand auf und nahm meine Hand in seine. ,,Komm wir gehen jetzt zurück in das Hotel." Mein Bauch kribbelte. Es fühlte sich so gut an seine Hand wieder halten zu können. Oh mein Gott woran denke ich? Wir sind grade neu weg von dem Grab seiner Eltern. Ich sollte mich schämen an sowas zu denken. Außerdem liebe ich doch Malik oder? Also sollte ich aufhören so über Umut zu denken. Ich merkte nicht wie Umut auf einmal stehen blieb und ich knallte gegen sein Rücken. Wir standen vor einem Grab, der mir nicht unbekannt war. Warum tut er das? Will er mich auf dem Boden sehen? Eben meinte er doch, dass er ein guter Freund für mich sein will und jetzt tut er sowas. Ich wollte meine Hand aus seiner reißen, aber er hielt sie zu fest. ,,Was soll das Umut? Ich dachte ich bedeute dir etwas?" ,,Ja das tust du. Ich will, dass du endlich mit deinen Eltern abschließt." ,,Wie meinst du das?" ,,Sevda du weißt was ich meine." ,,Nein weiß ich nicht." ,,Sevda ich weiß nicht wie es bei deinem Vater war, aber als deine Mutter starb hab ich alles von dir beobachtet. Du hast nie deine Trauer ausgelebt. Du hast nie geweint. Nie wolltest du eine Pause von irgendwas und nie bist du deine Eltern besuchen gekommen, auch wenn ich dir immer Tickets zukommen lassen habe." ,,Du warst es die ganze Zeit?" ,,Ja ich war es, aber ich bin noch nicht fertig. Du wolltest immer stark bleiben, aber hast dich nur von der Außenwelt zurückgezogen und hast sogar deine jahrelange Freundschaft in die Brüche gehen lassen. In deinem Kopf hast du mit deiner Trauer abgeschlossen, aber was sagt dein Herz dazu? Was tut dein Herz, wenn du an deine Eltern denkst hm?" Ich weinte, Er hatte Recht. ich ließ mich auf den Boden fallen und weinte nur. Meine Trauer zu meinen Eltern habe ich immer verdrängt. Beide starben bevor ich sie richtig kennenlernen durfte. Meine Mutter war zwar bis zu meinem 18. Lebensjahr am leben, aber ob ich mit ihr wirklich Zeit verbringen konnte ist die Frage. Die arme Frau hat jeden Tag für meine Behandlungen beim Arzt überall geputzt und kam erst dann nach Hause, wo ich schon am schlafen war. An mein Vater kann ich mich nur brüchig erinnern. Ich weiß gar nicht mehr, wie er klingt oder aussieht. Wir hatten nie das Geld dafür, um uns digitale Geräte zu kaufen und Erinnerungen zu sammeln. Es belastet mich, dass ich nichts von meinen Eltern habe. Ich bin so neidisch auf jeden, der eine schöne, gesunde Familie besitzt. Mein Traum war es immer eine gesunde Familie zu besitzen und mit ihnen einmal frühstücken zu können, aber es wird nie so sein. Ich bin immer auf mich alleine gestellt und werde es auch für immer  sein. Wie gerne ich nochmal 14 sein würde, um die letzten Tage meiner Eltern beisammen erleben zu können. ,,Sevda rede nicht mit dir selbst. Rede mit mir. Ich will, dass du mir deine Schmerzen mitteilst, wie ich es getan habe." ,,Ich kann nicht Umut." Ich schluchzte laut, weil die Schmerzen unerträglicher wurden. ,,Warum musstest du mich hierher bringen hm? Wolltest du mich leiden sehen? Hier bitteschön siehst du wie ich auf den Boden sinke." Umut kniete sich hin und schaute mir in meine Augen. ,,Nein Sevda ich wollte, dass du endlich dieses ganze Schmerz, was du in dir trägst, rauslässt. Ich hab es eben getan. Ich habe mit dir geredet. Mein inneres brennt zwar immer noch, aber ich komme damit klar. Du im Gegensatz zu mir hast nie deine Trauer oder deine Verzweiflung rausgelassen. Dadurch wurdest du ehrlich unerträglich Sevda. Du hast es leider nie bemerkt. Natürlich wir hatten auch unsere Fehler, aber du hast nie Verantwortung für deine Taten übernommen und ich wollte hiermit bezwecken, dass sich alles ändert. Du sollst hierher kommen können, ohne Angst davor zu haben deine Trauer ausleben zu können. Ich will, dass du dir einen neuen Anker suchst, um wieder glücklich Leben zu können. Ich  weiß nicht, ob du dich für mich entscheidest, aber ich will mich an dir festhalten können. Ich will, dass wir beide uns aus all dem helfen können Sevda. Ich schwieg und ließ meine Tränen laufen. Umut schaute mir in die Augen und umarmte mich danach. Das ließ mich komplett brechen. Ich schluchzte, zitterte und was weiß ich noch. Es war, als ob mein ganzer Schmerz aus mir fließen würde. ,,Umut bitte, bitte verlass du mich nicht. Ich will nicht mehr alleine sein. Bitte bleib immer an meiner Seite und lass mich nicht los." ,,Ich verspreche es dir kleines." Ich umarmte ihn so viel fester. Es ist so komisch. Statt Umuts weinen, hört man meins, obwohl die Beerdigung seiner Eltern erst vor einigen Stunden war. Als ich fertig war mit dem weinen und den ganzen Schmerz aus mir rausgelassen hatte, war es schon dunkel. Umut ließ mich währenddessen gar nicht los und strich mir durch meine Haare. ,,Umut es tut mir leid. Eigentlich sollte ich mit dir trauern und nicht du mit mir. Alles gut Sevda. Ich will, dass eine starke Sevda mir bei meiner Trauer beisteht und keine die den Schmerz für immer in sich trägt." Dieser Mann ist einfach wunderbar. Wie kann man ihn nicht mögen? ,,Komm wir gehen jetzt wirklich ins Hotel Umut." ,,Na gut." Wir standen auf und gingen zum Hotel. Als wir an einer Gasse vorbei gingen hielt Umut meine Hand etwas fester, aber ich sagte nichts, weil ich seine Nähe genoss. Im Hotel angekommen, wollte ich mich lösen, aber Umut ließ meine Hand nicht los. Ich schaute ihn fragend an. ,,Kannst du heute bei mir schlafen bitte." Jetzt schaute ich ihn eher zögernd an. ,,Bitte ich brauche das." Ich nickte ein und wir gingen in sein Zimmer. Ich bekam von Umut ein T-Shirt und eine Jogginghose und zog mich dann auch um. Dann legte ich mich auf die Kante des Bettes und schloss meine Augen, aber schlief nicht ein. Umut kam dazu und legte sich auch hin. ,,Warum bist du so an der Kante?" Bevor ich ihm antworten konnte, zog er mich mit einem Ruck zu sich. Mein Rücken war an seiner Brust angelehnt. Ich mochte es so nicht und dreht mich um, sodass mein Kopf auf seine Brust schaute und Umut sein Kinn auf mein Kopf legte (ich hoffe ihr habt das wieder bildlich im Kopf wenn nicht dann sry hehe). ,,Umut?" ,,Hm?" ,,Wie geht es dir?" Er antwortete mir nicht, aber es lief eine Träne auf meine Haare. Das war meine Antwort. ,,Es tut immer noch sehr weh, aber sie würden nicht wollen, dass ich in ein schwarzes Loch falle, weshalb ich das mit dir zusammen durchstehen will, aber dafür musst du auch abgeschlossen haben." ,,Heute im Friedhof da hab ich es beendet Umut. Du hattest recht und ich will mich ändern. Nicht nur für mein Umfeld, sondern auch für mich." ,,Find ich gut kleines." Ich umarmte Umut und atmete seinen Duft ein. Kurze Zeit später schlief ich dann auch ein. Es war ehrlich so ein anstrengender Tag, aber morgen da werde ich mich definitiv um Umut kümmern.

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