#6 - Ein Fehler nach dem anderen

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-Luna-

Ich bin nun bereits einige Tage in der Schule abwesend und habe mich krankschreiben lassen, um erst einmal über die ganzen Geschehnisse nachdenken zu können. Das Gespräch mit Tess lief an sich erstaunlich gut. Ich hatte eigentlich gedacht, dass sie verärgert drüber sein könnte, dass ich sie stehenlassen habe und auch ebenso viele Fragen über Jodie stellen würde. Doch es scheint sich wenig gestört zu haben uns in flagranti erwischt zu haben, vielmehr machte sie sich Sorgen, da ich danach unfassbar angespannt war. Sie fragte mich sicher hunderte Male, was schon dabei gewesen sei, sowas haben wir alle schon mal gemacht. Doch da wurde mir bewusst, dass ich dies zuvor nicht einfach mal so gemacht habe und dass es einfach unfassbar gedankenlos sowie gefährlich war. Ich habe einfach nicht mehr nachgedacht, als seien mir alle Sicherungen durchgebrannt. Ich habe keinen Deut mehr nachgedacht und in Kauf genommen, dass man uns erwischen könnte, was fatale Folgen hätte haben können. Doch zum Glück hat uns nur Tess erwischt, denke ich, dennoch kann ich nicht aufhören mir einen Vorwurf nach den anderen zu machen. Nichtsdestotrotz finde ich es unfassbar lieb von meiner alten Freundin, dass sie einfach für mich da war und nichts weiter hinterfragt hat, dass sie einfach da war und mir zugehört hat. Ich musste nicht einmal mit einer Silbe erwähnen, dass Jodie meine Schülerin ist. Sie hat es infolge der Erzählungen herausgefunden und mir wurde bewusst, dass wir uns nicht unauffällig verhalten haben, ganz im Gegenteil. Wir waren unfassbar leichtsinnig, finde ich. Und auch wenn Tess nicht urteilte, machte sie sich unfassbare Sorgen und eröffnete mir diese auch genau. „Es ist gefährlich Luna, pass bitte gut auf. Denn sie ist deine Schülerin. Ich sehe, was zwischen euch ist, aber es ist nun mal offiziell verboten.", sagte sie mir. Wieder einmal führte ich mir ihre Worte vor Augen und musste erkennen, dass sie recht hat. Solch ein Verhalten passt überhaupt nicht zu mir, selbst wenn man den Fakt, dass Jodie meine Schülerin ist. Selbst mit einer wildfremden Frau würde ich mir nicht die Blöße geben, mich so mit ihr in der Öffentlichkeit zu zeigen und meine Lust zu stillen. Was ist nur geschehen, frage ich mich, wo ist die Eiskönigin hin, die ein perfektes, diszipliniertes und emotionsloses Bild abgibt. Wo ist die Frau geblieben, die einst ihren Beruf geheiratet hat und perfekt ausführen wollte?

Am Montagmorgen beschließe ich endlich wieder meinen Arbeitsplatz aufzusuchen, nach einer Woche krankfeiern wurde es Zeit wieder meiner liebsten Beschäftigung, dem Unterrichten nachzugehen. Außerdem musste ich, ich musste unbedingt, ein Gespräch mit Jodie führen. Zu viele Sachen blieben unausgesprochen und sind ungeklärt. Doch ich konnte auch nicht den Mut aufbringen ihr eine Nachricht zu schreiben oder bei ihr anzurufen. Zumal ich sie nicht bedrängen wollte und selbst Angst vor der Reaktion hatte. Vielmehr wollte ich ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, wenn wir über das Treffen am Eiscafé und alle resultierenden Dinge sprechen würden. Erst hatte ich mit dem Gedanken gespielt, bereits in den letzten Tagen einfach zu ihr nach Hause zu fahren und sie aufzusuchen, doch dies hätte bedeutet, dass ich zuerst Einsicht in ihre Schulakte haben müsste und irgendwie doch einen großen Vertrauens- sowie Datenschutzverlust bewirken würde. Das konnte ich mir in der Situation einfach nicht leisten. Noch immer machte ich mir den Vorwurf, dass ich den Kuss hätte beenden müssen, bevor es zu weiteren Küssen kam. Doch stattdessen habe ich solch Gefallen daran gefunden, dass ich mich ihr nicht entziehen konnte. Vielmehr weckte sie den Wunsch in mir nach mehr, mehr von ihr. Dennoch musste ich heute die Sache klären und aus der Welt schaffen, seufze ich tief, denn so schön all dies gewesen sein mag, ebenso falsch war alles. Allein der Gedanke, dass es zu weiteren Liebkosungen kommen könnte, ist mehr als falsch. Ich steige nachdenklich aus dem Auto und trete den Weg zum Lehrerzimmer an, während ich immer wieder gedanklich mein Mantra wiederhole, es war und ist falsch, es war und ist falsch, es war und ist falsch. Doch umso öfter ich es denke oder auszusprechen vermag, umso falscher kommt es mir vor zu sagen, dass die Begegnung zwischen uns und alles was wir hatten falsch ist und war. Wie kann etwas so Leidenschaftliches und Schönes falsch sein, frage ich mich. Wieso kann sie nicht einfach eine junge Frau sein, die ich auf offener Straße oder sonst wo getroffen habe? Wieso verdammt muss sie meine Schülerin sein? Und warum hat sich aus einer guten Freundschaft, ohne Hintergedanken und über so viele Jahre, eine solche Wendung der Dinge entwickelt? Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als ich Jodies Stimme von Weitem vernehme und höre, wie sie ihrer Freundin Penny aus meiner Klasse eine Antwort gibt. Mein Kopf zuckt hoch und eine Gänsehaut legt sich auf meinen Körper, genervt stöhne ich auf. Das kann ja etwas werden, denke ich. Doch dann höre ich meine innere Stimme, die mir weiszumachen versucht, dass ich ihre Lehrerin bin und nicht mal einen Gedanken an sie oder an unsere Begegnung verschwenden sollte. Konzentration, rufe ich mich selbst zu innerer Ruhe auf. Ich setze meinen Weg fort, da ich unbewusst stehengeblieben war. Ich spüre einen bohrenden Blick, doch verspüre nicht das Gefühl ihn erwidern zu wollen. Würde ich doch am Ende wieder weich werden, denke ich. Stattdessen gehe ich Geschwind in Richtung Lehrerzimmer und denke mir, dass ich heute mit ihr reden muss, doch nicht jetzt und nicht hier. Die Lehrerzimmertür schlägt zu und ich komme endlich wieder in der Realität an, schließlich hatte ich gar nicht mitbekommen, wie ich den Weg bestritten hatte. Wunderbar, denke ich, es geht bereits gedankenverloren weiter. Schnell hole ich mir einen Kaffee, in der Hoffnung, dass dieser meine Nerven ein wenig beruhigt und mich in einen halbwegs normalen Tag starten lässt.

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