#18 - Sturz in den Abgrund

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-Jodie-

Nach unserer heißen Liebesnacht und einem Aufwachen in Lunas Armen am nächsten Morgen, holt mich heute, zwei Wochen später, die Realität wieder ein, ich denke an die Nacht und den Morgen danach zurück und muss erneut lächeln, wobei ich mich aus meinem warmen und bequemen Bett quäle, um ins Badezimmer zu gehen. Auch wenn Luna und ich in letzter Zeit einige Mal telefoniert und viel geschrieben haben, konnten wir uns nur noch einmal nach dieser Nacht sehen, da Luna in letzter Zeit viel mit den Klausuren ihrer Klassen und anderen Vorbereitungen zu tun hatte, dennoch fehlt mir unsere Zweisamkeit, wie an jenem Abend sehr und auch wenn ich sie heute in der Schule sehen werde, ist es einfach nicht dasselbe, so wird es nie dasselbe sein, denke ich und erinnere mich damit an unsere unausgesprochenen Regeln. Heute werde ich nach all der Zeit Penny wiedertreffen, die auf keinen meiner Anrufe reagiert hat und ich werde ein Gespräch zu ihr suchen, jedoch habe ich in den letzten Tagen die Hoffnung auf Versöhnung und ein Fortbestehen unserer Freundschaft verloren. Ich steige in die Dusche, um meine Müdigkeit abzuwaschen und denke an Luna, was sie wohl gerade denkt, frage ich mich

Nachdem ich ausgiebig gefrühstückt und mich mit mulmigem Gefühl in die Schule gequält habe, sitze ich nun im Klassenzimmer, wobei mir klar wird, dass ich überhaupt nicht vorbereitet auf das bin, was folgen wird, auch wenn ich genug Zeit hatte mich auf den heutigen Tag vorzubereiten. Ich habe zwar den ganzen Schulstoff aufgeholt und bin bestens auf die Schule an sich vorbereitet, aber nicht auf eine Begegnung mit P und ebenso wenig darauf Luna heute wieder als meine Lehrerin vor mir stehen zu sehen, verdammt nochmal, denke ich und rutsche unruhig auf meinem Stuhl umher. Immerhin habe ich vorerst nur ein Problem, da ich Frau Kolibri, wie ich sie immer innerhalb der Schulmauern nenne, damit ich nicht in Schwierigkeiten komme, erst in der dritten Stunde sehe. Penny betritt mit einem Augenrollen in meine Richtung den Klassenraum und mein mulmiges Gefühl bestätigt sich, als sie sich neben mich auf ihren Platz fallen lässt, da sie sich nicht einfach umsetzen kann, was gerade nicht nur zu ihrem Leidwesen den Tatsachen entspricht. Sie wirft ihren Rucksack lustlos neben den Tisch und lässt sich auf den Stuhl neben mir fallen, während ich sie aus dem Augenwinkel beobachte und mit mir selbst ringe, ob ich etwas sagen oder die ganze Sache auf später verschieben soll, aber begrüßen kann ich sie ja, denke ich, doch da unterbricht mich ihre Stimme bereits in meinem Vorhaben, „Wie ich sehe lebst du noch, wie schön. Doch lass mich bitte in Frieden, ich will weder jetzt, noch überhaupt mit dir reden... egal über was und hör auf mich anzurufen", sagt sie mit verachtender und strenger Stimme, was mich schlucken lässt und mir die Tränen in die Augen treibt. Wie konnte unsere Freundschaft nur innerhalb weniger Minuten so kaputtgehen, wann hatten wir aufgehört offen und ehrlich über alles zu reden und wieso hatte sie mich unbewusst vor eine Wahl gestellt, wieso kann sie nicht die Vergangenheit ruhen lassen und meine Liebe zu Luna akzeptieren, frage ich mich. Es schmerzt fast noch mehr, sie so zu sehen und doch nicht mit ihr reden zu können, als der Fakt, dass unsere Freundschaft beendet ist. Ich denke noch einmal nach, ob noch mehr hinter der Sache steckt, wieso sie unsere Freundschaft einfach so beendet hat, doch bis auf den Fakt, dass Lunas Familie Unheil über Pennys Familie brachte, wofür Luna nichts kann und dass sie natürlich meine Lehrerin und damit jede Beziehung moralisch verwerflich ist, fällt mir nichts ein, als würde das nicht reichen, denke ich und schlage mit gedanklich gegen die Stirn. Als unser Physiklehrer den Raum mit einem Türknallen betritt, verstummen die Gespräche um mich und auch meine Gedanken, was mich meinen Blick abwenden lässt und ich kurz P in mein Blickfeld bekomme, wobei es sich anfühlt, als wäre sie unerreichbar, obwohl sie genau neben mir sitzt und ich schlucke traurig, um mich dann auf den Unterricht zu konzentrieren. Jedoch hält die Konzentration nicht lange an und ich muss an den Tag zurückdenken, an dem Penny mein Leben ebenso stürmisch verlassen hat, wie sie es vor vielen Monden einmal betreten hat.

Mich erfasst ein Flashback und ich denke an den Tag unserer ersten Begegnung zurück, an einen sonnigen Tag, an dem ich mit meinen neuen Mitschülern auf dem Außengelände sitze und warte, bis unsere Hortnerin zurückkommt, nachdem sie unsere Eltern zum Klassenraum und damit zum ersten Elternabend der ersten Klasse gebracht hat. Ich schaue mich unsicher um, da mein Kindergarten auf dem Arbeitsweg meiner Mutter und damit nicht in meiner Heimatstadt lag, kenne ich nun keine Menschenseele dieser Klasse, sodass ich ganz allein bin und mich unsicher umsehe. Rechts neben mir sitzt ein Mädchen, welches genauso unsicher wirkt, wie ich es bin, sodass ich langsam den Kopf in ihre Richtung drehe und dabei aus dem Augenwinkel sehe, wie sich kleine Gruppen von verschiedenen Kindern bilden, die sich scheinbar schon aus dem Kindergarten oder von sonst woher kennen, nur das Mädchen und ich sind dort sitzengeblieben, wo wir uns vor einigen Minuten hinsetzen sollten. Wir sitzen auf einem dicken Baumstamm, sodass unsere Füße nicht bis auf den Boden reichen, ich beobachte, wie einige Kinder beginnen auf dem Spielplatz zu spielen, das Klettergerüst hochklettern und rutschen oder Sandburgen bauen. Einige Jungs seilen sich hingegen von der Menge ab und spielen am Waldesrand, der noch innerhalb der Umzäunung des Geländes liegt. Unsicher rutsche ich hin und her sowie schaue in den Himmel, um mich etwas von dem Fakt abzulenken, dass ich mich gerade in die Stellung des Außenseiters manövriert habe, dabei versinke ich in meiner eigenen Welt und ordne den Formen der Wolken Tiere zu, wobei ich den Blick des fremden Mädchens mit den braunen Haaren spüre, doch dann erlangt eine Wolke meine Aufmerksamkeit, die aussieht wie eine Giraffe, mein Lieblingstier, denke ich und schmunzle. Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen, „Sieh mal, ein Panda", erklingt die leise Stimme des Mädchens neben mir und ich drehe mich verwundert zu ihr, um zu sehen, wie sie auf den Himmel zeigt, „Die Wolke, sie sieht aus, wie ein Panda. Siehst du in den Wolken auch immer Tiere?", erklärt sie sich und ich muss lachen, wobei ich näher zu ihr rutsche, „Unfassbar... ich dachte immer, dass ich die Einzige wäre, die das so macht", sage ich lächelnd und sie schüttelt den Kopf. Einige Stunden später, nachdem wir die Begehung der Schule mit unserer Hortnerin abgeschlossen und somit sämtliche Räumlichkeiten kennengelernt haben, dürfen wir auf den Spielplatz. Auf dem Gelände gibt es zwei Spielplätze, einen mit Sand, dorthin gehen einige Kinder, um Burgen oder ähnliches zu bauen und die anderen gehen wiederum auf den Spielplatz, der etwas größer ist und wo ein großes Klettergerüst sowie einigen Rutschen, Reittieren, die wackeln und Schaukeln gibt. Da ich lieber klettern, als buddeln möchte, gehe ich auf den großen Spielplatz, wo ich nur auf einige bekannte Gesichter, aber vielmehr fremde Gesichter treffe und dabei erkenne ich, dass ich ständig neue Kinder treffe, obwohl wir nur 20 Kinder in der Klasse sind, aber ich kann mir einfach schlecht Gesichter bei der ersten Begegnung, geschweige denn einen Namen, merken. Gerade als ich am höchsten Punkt des Klettergerüsts angekommen bin und die Aussicht genieße, wandert das Mädchen von vorhin wieder in meinen Blick, welche auf einer Matte auf der Wiese am Berghang liegt und in die Wolken schaut, ich schmunzle bei diesem Anblick und ärgere mich innerlich, dass ich sie nicht nach ihrem Namen gefragt habe, ob sie wohl wieder ‚Tiere' beobachtet, denke ich. Als ich mich weiter umsehe, fällt mir auf, dass man von hier das nahegelegene Schwimmbad sehen kann, wobei man nur den 3 Meter Springturm sieht und ich drehe meinen Kopf in alle Richtungen, um möglichst viele neue Eindrücke zu bekommen und beobachte dabei auch das ein oder andere Kind aus meiner Klasse, wobei ich nicht ganz unbemerkt bleibe, „Du beobachtest gern andere Menschen oder Dinge, habe ich recht?", reißt mich die Stimme des braunhaarigen Mädchens aus meinen Beobachtungen und mein Blick schnellt in Richtung Boden, wo sie steht und mich auffordernd, mit einer Hand an der Stirn, um die Sonne abzuschirmen, ansieht. „Sag mal, wie lange stehst du denn bereits da? Du beobachtest dann demzufolge auch gern, was?", frage ich provozierend, wobei ich sehe, wie sich ein Lächeln auf ihren Lippen bildet und dabei die
typische Schulanfänger Zahnlücke zum Vorschein kommt. „Da hast du recht. Magst du vielleicht mal runterkommen? Ich bekomme langsam Genickstarre", fragt sie mich und ich schüttle den Kopf, „Nein, aber komm doch hoch. Hier hat man eine super Aussicht", sage ich und schaue sie mit einer erhobenen Augenbraue an, sodass sie langsam in Richtung Anfang des Klettergerüsts geht, um hochklettern zu können. Dabei beobachte ich sie und frage, „Wie heißt du eigentlich?", was sie ihren Blick heben lässt und dann antwortet sie, „Ich heiße Penny und du? Weißt du, ich mag die Höhe nicht so gern", was mich schmunzeln lässt, Penny also, denke ich und schwinge mich an einer Stange in ihre Richtung, „Ich heiße Jodie. Warte, ich komme runter", rufe ich und sehe wie sie weiter in meine Richtung klettert, als müsse sie mir ihre Tapferkeit beweisen, doch kurz bevor sie auf dem kleinen Absatz ankommt, der nur eine Handbreite von mir entfernt ist, greift sie nach der falschen Stange und rutscht ab, ich greife schnell nach ihrer Hand, um sie zu mir zu ziehen, doch ich verliere das Gleichgewicht und sie zieht mich damit mit in den Abgrund, sodass wir gut 1,50 Meter in die Tiefe und damit auf den harten Grasboden fallen und lachen. „Danke, dass du mich festhalten wolltest, entschuldige den stürmischen Abgang", sagt sie lachend und dreht sich in meine Richtung, worauf ich noch lauter lachen muss, „Alles gut, hast du dir wehgetan?", frage ich sie und drehe mich ebenso in ihre Richtung, um sie besorgt zu mustern. „Nein, aber nach dem Absturz sollten wir immer zusammenhalten. Was hältst du davon, wenn wir Freundinnen, vielleicht beste Freundinnen werden?", fragt sie mich unsicher und wendet ihren Blick gen Himmel, ich grinse und stürze mich auf sie, „Klingt gut, lass uns Freundinnen werden! Doch wir sollten bei den Wolkentieren bleiben und nicht mehr klettern", äußere ich lachend und muss kurz auch in der Realität lachen, was mir ein Räuspern des Lehrers einbringt. Dabei ändert sich mein Lächeln zu einem bedauerlichen Gesichtsausdruck und ich versuche mich wieder dem Unterricht zu widmen.

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