Kapitel 35

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„Es muss für die Eltern schwierig sein, wenn sie sich nicht einmal bei ihrem Kind entschuldigen können, weil es nie wiederkommen kann.", konnte Felix seinen australischen Freund am anderen Ende des Raumes hören. Es war bereits fünf Tage nach den Unfall gewesen. Fünf Tage nachdem Hyunjin gestorben war und es fühlte sich alles noch so unwirklich an, wie ein Traum, aus dem man gleich aufwachen würde und alles beim Alten war. Doch die negativen Gefühle waren bei Felix nach wie vor abgeschirmt, als wollte er es nicht zulassen zu trauern.

„Aber am Ende ist es ihre eigene Schuld, wenn sie nicht von Anfang an ehrlich sein konnten und ihn zu ihrem eigenen, kleinen Experiment machten. Er war der Letzte, der es verdient hat."
„Hast du etwas von Jeongin und Seungmin gehört?" Der Blonde rümpfte die Nase. In diesem Moment fühlte er sich nicht in der Lage irgendeinen sozialen Kontakt aufrecht zu erhalten und vor allem zu den Beiden wollte er keinen haben. Und in diesem Zeitpunkt wollte er lieber sein altes Muster fahren, für welches er teilweise so verachtet wurde. Aber er konnte keinen von den beiden mehr in die Augen sehen, ohne dass es ihm die Kehle zuschnürte und er keine Luft bekam. Hochkommende Gefühle konnte er nur für einen kurzen Augenblick zurückhalten, ehe sie in Emotionslosigkeit oder dem Gegenteil, einen Gefühlsausbruch endeten.

„Gerade ist mir nicht danach sie zu beobachten."
„Also verdrängst du lieber den Fakt, dass auch sie daran zu knabbern haben?"
„Und wenn, das würde nichts an dem Fakt ändern, was sie Hyunjin angetan haben. Besonders Seungmin... Er hat sich nicht mal erkundigt, wie es Jeongin geht. Ist es nicht unfair gewesen?"
„Und du bist nicht bei Felix geblieben. Du bist nicht mit ins Krankenhaus, obwohl du die einzige Person gewesen wärst, die er in diesem Moment hätte sehen wollen, wenn er seine Augen aufgemacht hätte."

Felix sah schweigend aus dem Fenster. Ein verregneter Tag im späten Frühling. Und irgendwie hätten es Tränen sein können, die geweint wurden und unterstrichen, dass es falsch war, wie er handelte und Seungmin zu Unrecht verurteilte. Er war schließlich keinen Deut besser. Und eher er sich versah spürte er, wie ihm die Tränen über die Wangen liefen. Zum ersten Mal seit diesen fünf, sich ewig langziehenden Tagen. Aber hatte er ein Anrecht darauf zu weinen, nach all dem, was er Hyunjin antat?

„Es tut so weh, Chan", hauchte er. Seinen Kopf gesenkt und sein Gesicht mit seinen Händen versteckt, wurden seine Schluchzer immer lauter. Und ja, in diesem Moment war es beruhigend zu sehen, dass Felix seine Gefühle tatsächlich zu ließ und sie nicht stetig unterdrückte. Auch wenn er auf eine gewisse Art und Weise eine Erniedrigung war, die er immer von seinen Eltern zu hören bekam. Jungen durften nicht weinen, Jungen mussten stark seinen und keine negative Emotionen zeigen. Teilweise wurde er für seine teilweise sensible Art aufgezogen, was in ihm eine tiefe, klaffende Wunde hinterlassen hatte. Eine von unzählig vielen, die er bis heute versuchte zu verstecken und selbst Chan kannte nur die wenigsten davon. Und Hyunjin war nun eine weitere unter ihnen, die tiefer nicht hätte sitzen können.

„Ich wollte ihn nicht schon wieder verlieren.", presste der Blonde hervor, spürte wie sein Freund ihn in seine Arme nahm und ihn fest an sich drückte. „Ich wollte alles dieses Mal richtig machen und am Ende habe ich es zerstört."
„Es ist nicht deine Schuld. Niemand konnte damit rechnen, dass er von dem Auto erfasst wurde, weil der Autofahrer sich abgelenkt hatte und statt auf die Straße, auf sein Handy gesehen hat." Aber dafür war es bereits schon zu spät. Felix' schlechtes Gewissen hatte sich eingeschalten und hätte nicht präsenter sein können, als in diesem Moment.

„Es ist nicht gesund dir an Dingen die Schuld zu geben, die du nicht beeinflussen kannst. Das solltest du nach allem, was passiert ist, wissen und in Wirklichkeit ist eigentlich schon das Schicksal jedes Menschen besiegelt, ab dem Punkt, an dem er geboren wurde. Aber es ist wichtig, dass du trauerst und es nicht nur in dich hineinfrisst, verstehst du? Du machst dich nur noch mehr kaputt, auch wenn dir Hyunjin dadurch nicht wiederzurückgegeben werden kann."

Doch was brachte Trauern überhaupt, außer dass man seine Verwundbarkeit zeigte? Manchmal waren Gefühle viel zu kompliziert als dass sie Felix hätte verstehen können.

„Ich hätte ihm meine Liebe gestehen sollen, an demselben Tag als ich merkte, dass etwas nicht stimmte."

Diese Worte hatten Chan selbst völlig aus der Fassung gebracht. Denn tatsächlich hatte er nicht einmal erahnen können, dass Felix überhaupt Gefühle für seinen Freund hatte. Und irgendwie machte es in diesem Moment auch mehr Sinn, warum er vor diesem Moment eher flüchtete. Warum er nicht in das Krankenhaus ging und doch war es keine Entschuldigung dafür, dass er es nicht tat.

„Es hätte nichts an dem Fakt geändert, dass der Unfall passiert wäre, aber er hätte wenigstens von meinen Gefühlen gewusst. Und vielleicht hätte das sein Schicksal am Ende auch ändern können. Er hätte nicht an dem Sterben müssen, wovor er eigentlich ein Trauma hatte und-"

Am Ende hätte es viele Dinge ändern können, aber man weiß nicht, ob das wirklich der Fall gewesen wäre. Schließlich wären es auch nur Möglichkeiten, die vielleicht passiert wären, aber eine wirkliche Sicherheit gab es nicht, dass sie wirklich so eingetroffen wären. Aber jetzt musste Felix mit der Gewissheit leben, dass er seine Chancen vertan hatte, seine Liebe zu gestehen und besonders der Liebeskummer in Kombination mit der Trauerbewältigung schien in dieser Zeit eine toxische Mischung zu sein, die ihn betäubte und nicht mehr klar denken ließ.

Aber Liebe war nicht das Allheilmittel und vielleicht war es auch besser, dass Hyunjin niemals von Felix' Gefühlen erfuhr, denn am Ende hatte alles eine Bedeutung, was und wie Dinge passierten.

E N D E

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Was ein toller Plottwist. Und irgendwie war er auch vorherzusehen, denke ich :D
Ich kann nur wieder sagen, dass ich mit der Story nicht sonderlich zufrieden bin. Aber anscheinend bin ich damit allein :')

Woran Felix zu nagen hat? Das könnt ihr euch selbst aussuchen. Ich nenne es die Kreativität der Leser, einige nennen es auch die Faulheit vom Möchtegern-Autor. Sucht es euch aus. Und wenn ihr irgendwelche Theorien habt, let me know xD
Jedenfalls hoffe ich, dass die Geschichte irgendjemanden gefallen hat. Auch wenn es ein Bad End war, aber ich war zudem Zeitpunkt nicht so in der Laune für ein Happy End, als ich die Story geplant habe. Vielleicht könnt ihr mir dafür verzeihen und stattdessen dann irgendeine andere von meinen Geschichten lesen, die zum Großteil alle ein schönes Ende haben >:D

Vielleicht sieht man sich in irgendeiner Story mal wieder oder so.
Stay safe & healthy! <3
- Jean

𝗦𝗰𝗮𝗿𝘀 ✧ HYUNLIXWo Geschichten leben. Entdecke jetzt