Kapitel 05

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„Was hältst du davon, wenn du zu mir kommst und wir etwas zusammenmachen?" Mit halbem Ohr hörte ich wieder einmal nur zu, bekam die eigentliche Fragestellung nicht mit. Erst als Jeongin seine Hand auf meine legte, somit meine Aufmerksamkeit weckte, realisierte ich, dass ich während dem Mittag wieder einmal tagträumte und ganz woanders war, wo ich in Wirklichkeit war. Es hatte mich tatsächlich nicht losgelassen, wie ein Fremder nach mir fragte und keinerlei Details zu seiner Person bei meiner Mutter zurückließ. Allein dessen Name hätte mir die Sache um einiges vereinfacht. Doch nun hatte ich schon den zweiten Tag infolge das große Rätselraten ohne jeglichen Erfolg und auch, dass meine Mutter mir nicht zum ersten Mal sagte, ich sollte das alles vergessen, machte es mir nicht sonderlich einfacher.

„Du meintest, du magst Kino nicht so, weil zu viele Menschen um dich herum sind und du es lieber hast, wenn wir unter uns sind.", erklärte er sich weiter. Zwar fand ich es süß, dass er sich einen Kopf um mich machte. Zugleich wusste ich jedoch nicht, was ich darauf antworten sollte. Weder verlangte ich von ihm, dass er sich an mich, noch an meine Bedürfnisse anzupassen hatte und genauso wenig wollte ich ihm irgendwas ausschlagen, nur weil ich mit gewissen Dingen nicht zurechtkam, wie es andere taten. Natürlich war es von ihm nett gemeint und doch schien es falsch zu sein, wenn ich auf seinen Vorschlag einging.

„Ich würde schon klarkommen."
„Was ist los? Irgendwas scheint passiert zu sein.", kam es von ihm direkt, seine Augen starrten mir regelrecht in die Seele, als würde er mich hypnotisieren wollen, um mich somit zum Reden zu bringen. Jedoch schüttelte ich meinen Kopf, verneinte, dass etwas tatsächlich war, obwohl ich ganz genau wusste, dass ich ihm nichts vormachen konnte. Es war nichts Weltbewegendes, wie meine Mutter mir sagte und dementsprechend würde ich von meinem besten Freund nichts anderes zu hören bekommen, als dass ich es einfach vergessen sollte, weil es mich nur unnötig verrückt machen würde.

„Ich habe die letzten Tage einfach schlecht geschlafen, wegen den Klausuren... Die beginnen ja nächste Woche." Ein nervöses Lächeln legte sich auf meine Lippen, während ich fix meine Hand, die noch immer unter der Jeongins lag, wegzog und unter den Tisch versteckte, als ich ein wenig des Essens in meinen Mund schob, dieses zaghaft zerkaute.

„Du lügst.", kam es wie es der Pistole geschossen von meinem Gegenüber, weswegen ich mein Essen voreilig herunterschluckte, ein stechendes Ziehen in meinem Brustkorb spürte. „Es ist okay, wenn du es mir nicht sagen möchtest, aber dann lüge mich bitte nicht an. Ich möchte nicht in der Illusion leben, dass es dir gut geht, obwohl du deinen Schmerz hinter einer Maske versteckst." Ich spürte regelrecht, wie enttäuscht er war von meiner kleinen Notlüge, die eigentlich nur gutgemeint war. Sein sonst verbliebener, friedlicher Gesichtsausdruck wurde dunkel, gar kühl und seine Aura glich sich diesem ebenso an, sodass ich nicht einmal wusste, was ich machen sollte. Außer wie ein kleines, eingeschüchtertes Kind auf dem Stuhl zu sitzen und zuzusehen, wie er sich erhob und sein Tablett, welches noch recht voll mit Essen war, mit sich nahm.

„Ich hol dich morgen ab. Wenn du morgen doch keine Zeit hast, dann lass es mich morgen früh spätestens wissen, Hyunjin." Mir wurde noch einmal bewusst, wie sehr ich ihn damit verärgert hatte und am liebsten wäre ich hier und jetzt in Tränen ausgebrochen. Nur da gab es ein Problem, ich weinte nicht. Es brachte mir rein gar nichts, wenn ich meinen Gefühlen freien Lauf ließ, zeigte, womit man mich traf und was mir nahe ging. Dementsprechend nickte ich nur, zeigte, dass ich ihn dahingehend verstanden hatte und sah, wie sich sein Körper vom Tisch distanzierte und ich allein hier saß. Ich traute mich nicht einmal mehr, ihm hinterherzusehen, weil ich mich derartig schämte, obwohl für viele nicht einmal groß etwas dabei war.

Ich wollte mich bereits erheben, als ich mitbekam, wie sich ein blonder Junge gegenüber von mir setzte. Auf denselben Platz, auf dem Jeongin zuvor saß, weswegen ich in meiner Bewegung einfror und ihn etwas irritiert musterte.

„Endlich erwische ich dich auch mal, Hyunjin!"

Erst auf dem zweiten Blick realisierte ich, dass es sich hierbei um den Jungen aus dem Bus handelte, der mich seltsamer Weise ohne Grund angelächelt hatte und ich mir nicht sicher war, was ihm dazu veranlasste dies zu tun. Und irgendwie fühlte ich mich in seiner Gegenwart nicht ganz wohl.

𝗦𝗰𝗮𝗿𝘀 ✧ HYUNLIXWo Geschichten leben. Entdecke jetzt