Kapitel 30

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„Würdest du dann nicht Ärger bekommen, wenn du wegen mir freinimmst?"

Ich konnte erkennen, wie seine Mundwinkel nach oben zuckten. Selbst bei dämmrigem Licht würde ich es wohl jedes Mal erkennen und anstatt einem Nicken bekam ich ein einfaches Kopfschütteln. Er nahm einen großen Schluck seines Kaffees und setzte sich dann einfach neben mich, schob die Decke ein wenig weg, damit er sich nicht auf diese setzte. Während ich nach wie vor meinen Blick auf ihn hatte, jede einzelne seiner Bewegungen aufnahm und nicht wusste, was ich sagen sollte. Einerseits wäre es nett, wenn ich nicht allein bleiben würde, andererseits wollte ich mich ihm nicht aufzwängen und den Teil seiner Freizeit so in Anspruch nehmen, dass er sein Leben nicht normal fortführen konnte.

„Du denkst schon wieder so viel nach.", meinte Felix, „Jedes Mal, wenn du überlegst, hast du dieses leere Starren, was dich verrät." Daraufhin schüttelte ich nur mit meinem Kopf und sah ihm kurz in die Augen, die mir zeigte, dass er sich sorgte. Und ja, es war mir unangenehm, dass er recht hatte und zugleich wollte ich eben auch nicht, dass er sich um mich keine Sorgen machen brauchte. Solang ich lebte, war doch alles in Ordnung, oder nicht?

„Du solltest dein Leben nicht nach mir richten. Ich bin es nicht wert, dass-"
„Wenn du so anfängt, ist es überhaupt jemand wert, dass wir dieser Person zuhören oder sollten wir nur auf uns achten und dabei alle anderen außer Acht lassen?", kam es knapp von ihm. Ich seufzte, senkte meinen Blick. „Es ist nicht gut, mit der Einstellung heranzugehen, dass du es nicht wert bist, dass jemand dir zuhört, für dich da ist oder mit dir den Tag verbringst, damit du dich ablenken kannst. Es gibt wenige Menschen, die genug Empathie besitzen, die hinter deinen Worten verstehen können, warum du sowas sagst und viele mehr, die dich mit der Einstellung ausnutzen. Es ist eine toxische Denkweise von dir und gleichzeitig ein toxisches Verhalten unserer Menschen, die dich dazu bringt, sowas zu denken."

Zwar hatte er gewisser Maßen recht, nur wie konnte ich meine Art ablegen, wenn ich von meiner Familie immer zu hören bekam, dass es die Schuld meines Vaters ist und dass mein ganzes Leben angeblich ruiniert war. Dabei lebte ich und oft mit ruhigem Gewissen, wenn ich nicht daran erinnert wurde und im generellen ging es mir gut. Eine kurze Zeit hatte ich sogar das Gefühl, dass meine Eltern diejenigen waren, die eine Therapie gut vertragen könnten, weil sie die Zeit nicht aufarbeiten konnten. Würde ich jedoch mit diesem Vorschlag um die Ecke kommen, würde ich wohl mein blaues Wunder erleben können.

„Viele suchen sich eben die Schwachstellen der anderen, um sich selbst zu bereichern. Wenn es dir schlecht geht, dann finden toxische Arschlöcher immer einen Weg, um dich zu ihren Gunsten ausnutzen können und wenn du sagst, dass du es nicht kannst, kommt es dann von ihnen, dass du dich nicht so anstellen solltest. Anderen würde es schlechter gehen. Deswegen solltest du solche Angebote nicht abschlagen, wenn sie dir gemacht werden. Du weißt nicht, wann es das letzte Mal sein wird." Seine Worte hatten in meinen Ohren einen faden Beigeschmack. Oder ich bildete mir zu viel ein, dachte Sachen, die nicht wirklich von Bedeutung waren.

„Wir relativeren die Gesundheit von uns und schieben uns damit gegenseitig in den Abgrund. Niemand kann alles verkraften und nicht alle funktionieren gleich. Aber es ist einfacher uns allen vorzuhalten, dass es einen vermeintlichen Maßstab gibt, wie gut oder schlecht es jemanden geht. Dabei haben wir doch alle unser Päckchen zu tragen, was wir so festschnüren, dass es im besten Fall nicht mehr aufgeht und wir unser Leben irgendwie weiterleben können."

Und da kam es wieder, diese Neugierde zum falschen Zeitpunkt, was Felix Päckchen war, was er zu tragen hatte und ihn zu dem Menschen werden ließ, der er heute war.

𝗦𝗰𝗮𝗿𝘀 ✧ HYUNLIXWo Geschichten leben. Entdecke jetzt