Kapitel 04

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Es war nach einundzwanzig Uhr als ich die Türschwelle überschritt und ich realisierte, dass es schon wieder viel zu spät war und mir bewusstwurde, dass ich gegen neun Uhr in der Früh schon wieder im Hörsaal sitzen und mir eine der letzten Vorlesungen für dieses Semester anhören musste. Meine Eltern hielten nicht ganz so viel davon, wenn ich bis spät in die Nacht meine Nase über den Lernstoff hängen hatte, auch wenn sie sagten, dass ein guter Abschluss wichtig war, aber niemals über der eigenen Gesundheit stand. Und es wäre falsch, wenn ich mir vormachte, dass ich keinerlei Probleme mit dem Einschlafen und mit meiner inneren Ruhe hatte. Viel eher wurde ich sogar täglich mit Angstzuständen und mindestens einmal in der Woche mit einer Panikattacke konfrontiert. – Ein klares Zeichen, dass ich massiven Stress ausgesetzt war, gezeugt von zu hohen Erwartungen an mich und dem Fakt, dass es selten war, mir einmal am Tag auch Ruhe zu genehmigen, um wieder herunterzukommen.

„Vorhin hat ein junger Mann hier geklingelt und nach dir gefragt.", meinte meine Mutter, als ich das Wohnzimmer betrat, welche auf mich den Anschein erweckte, dass sie wieder auf mich gewartet hatte, bis ich nachhause kam. Sofort stieg in mir die Anspannung und das schlechte Gewissen, dass ich ein schlechter Sohn war, der viel eher seinen Eltern eine große Last war, anstatt einer Hilfe. „Hast du neue Leute an deiner Uni kennengelernt? Er sah aus, als wäre er genauso alt wie du und als seid ihr euch vertraut." Leicht irritiert runzelte ich meine Stirn, schüttelte meinen Kopf und sah, wie meine Mutter ebenso verwirrt schien, wie ich selbst, ehe sich ihre Mimik in Enttäuschung wandelte, weil mir bewusst  war, dass sie sich freute, wenn ich neue Bekanntschaften schloss. Es war viel eher eine Seltenheit geworden, als dass ich dies tatsächlich regelmäßig tat. Und dann stieg in mir etwas wie Angst, dass es sich hierbei um einen Menschen handeln konnte, der böse Absichten mit mir oder meiner Familie haben könnte.

„Und du kanntest denjenigen nicht?", wollte ich sichergehen, dass es sich hierbei nicht um ein dummes Missverständnis handelte. Zu gern passierte es mir, nach einem recht langen Tag, dass ich vieles falsch verstand und viel zu schnell mich in Sachen bereits hineinsteigerte, die nicht einmal hätten sein müssen. Es konnte sich hierbei einfach nur um jemanden handeln, dessen Namen ihr nicht mehr einfiel.

„Ich wüsste nicht, woher ich ihn kennen sollte, Hyunjin. Du bringst sonst deine Freunde auch nur selten her und Jeongin ist der Einzige, der mir wirklich im Gedächtnis geblieben ist." Nervös kaute ich auf meiner Lippe herum, wusste nicht so recht, was ich noch sagen sollte und nickte dementsprechend nur. Ich hatte schließlich kaum Freunde, die sich wirklich für mich interessierten, um sich die Mühe zu machen, damit diese freiwillig zu mir kamen. Zugleich wollte ich denjenigen auch nicht zu viel werden, sodass wohl eher der Gedanke im Raum stehen würde, dass ich ein fehlendes Interesse für all meine Freundschaften hatte. Dabei lag es eher, dass ich nicht wirklich extrovertiert war, sondern lieber in meiner eigenen, kleinen Welt war. Gefangen in meinem Kopf mit meinen Erwartungen und Wünschen, die nach immer mehr schrien, als ich eigentlich erfüllen konnte.

„Und bist du dir auch wirklich sicher, dass-"
„Er hat explizit nach dir gefragt... Also wird er sich nicht geirrt haben."

Somit hielt ich die Luft an, nickte nur noch und wusste nicht einmal mehr weiter. Wieder einmal. Ich hatte wirklich gedacht, dass meine anstehenden Prüfungen mein einziges Problem sein würden. Nun hatte ich jemanden Fremden an der Backe, der mit mir sprechen wollte, wobei ich wiederum kein Bedürfnis dazu hatte. Viel lieber hätte ich meinen Frieden, meine Ruhe.

„In der Küche ist noch etwas zu Essen. Ich bin mir sicher, dass du heute noch nichts gegessen hast, so wie ich dich kenne. Bleib bitte nicht allzu lang wach. Schlaf ist wichtig" Mit diesen Worten verabschiedete sie mich, um ins Bett zu gehen. Die Uhr zeigte kurz vor zweiundzwanzig Uhr an, doch ich fühlte mich kein Stück müde, noch hatte ich wirklich Hunger. Viel eher war mein Körper verwirrt, dass ich es in Betracht zog, bald ins Bett zu gehen, weil er noch voller Energie trotze.

„Gute Nacht"

𝗦𝗰𝗮𝗿𝘀 ✧ HYUNLIXWo Geschichten leben. Entdecke jetzt