Kapitel 21

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„Und warum erzählst du mir das jetzt?", kam es von mir viel zu überstürzt, weil ich nicht so genau wusste, was ich mit dem Input, den er mir gerade preisgab, anfangen sollte. Dabei lag es auf der Hand, dass er ein schlechtes Gewissen hatte und mir etwas von früher erzählen wollte, um mir eventuell auf die Sprünge zu helfen. Aber viel eher war ich überfordert, weil es nicht nach mir klang und ich diese Erinnerungen nicht mit ihm teilen konnte. Ich war sogar so in Gedanken vertieft, dass ich nicht einmal mehr mitbekam, was um mich geschah. Verzweifelt versuchte ich die Erinnerungen herauszukramen, die am Ende verschollen blieben und sich letzten Endes in Kopfschmerzen wandeln würden.

Und dann spürte ich, wie er mich an meiner Jacke viel zu sehr festhielt, ich in der nächsten Sekunde ein Auto direkt vor mir vorbeifahren sah und ich realisierte, wie sich mein Körper versteifte, ich in einen Tunnel voller Schwärze sah und am anderen Ende mein dreizehnjähriges Ich erblickte, wie es im Krankenbett lag, verkabelt an zig Geräten, die mich am Leben hielten. Sofort stieg in mir Panik auf, weil ich wusste, dass es direkte Erinnerungen waren, an meine Vergangenheit. Dabei glaubte ich nicht an sowas, dass man sich selbst sah während man bewusstlos war, obwohl ich es gerade selbst erlebte. Und nun konnte der Moment nicht ungünstiger sein, an damals erinnert zu werden. Besonders, da ich immer viel Acht darauf gab, nicht in solche Situationen zu kommen, weil ich ganz genau wusste, dass niemand wirklich davon wusste. Von mir, dem Trauma und dem Umgang damit.

„Hyunjin!", konnte ich wahrnehmen und kam endlich dazu einen tiefen Luftzug zu nehmen, weil ich dachte, dass mir die Möglichkeit des Atmens genommen wurde. Anstatt meines eigenen Ichs, nahm ich Felix vor mir war, der mich mit mehr also nur besorgten Hundeaugen ansah und ich wusste, dass er mein Verhalten mehr als nur seltsam finden würde. Und das war es auch. Ich hätte lernen können, damit umzugehen. Doch das aus dem Weggehen und Verstecken war wesentlich einfacher.

„Habe ich irgendetwas Falsches gesagt?" Und obwohl ich einfach die Wahrheit hätte sagen können, war die Hemmschwelle viel zu groß, sodass ich einfach nur mit dem Kopf schüttelte, mich zu einem halbherzigen Lächeln zwang, was mir nie jemand abkaufte. Besonders weil ich selten jemandem ein Lächeln schenkte. Außer, ich meinte es wirklich ernst oder wollte niemandem zur Last fallen. „Du sahst aus als hätte dein Geist deinen Körper in diesem Moment verlassen. Ist wirklich alles in Ordnung?"

Sicherlich musste ich ausgesehen haben, als hätte ich mein Gesicht mit Mehl eingepudert. Allein schon an dem Fakt, dass die Temperatur meiner Hände an die einer Leiche herankommen konnten, zeigte mir schon, dass ich mit meinem Verdacht richtig liegen musste und der besorgte Blick des Blonden verriet mir, dass ich nicht allzu falsch liegen sollte.

„Mit mir ist alles okay. Ich habe nur nachgedacht."
„Dich hätte beinahe ein Auto mitgenommen, weil du nicht aufgepasst hast! Früher warst du genauso abwesend und fahrlässig. Es wundert mich, dass du heute noch am Leben bist!" Seine Worte viel zu laut und aufgebracht, ließen meine Angst steigen. Ich kannte die Schuldzuweisungen. Jedoch kamen diese von meiner Mutter und waren an meinen Vater gerichtet. Ständig hatte sie gemeint, dass es seine Schuld war, dass ich kein normales Leben mehr führen konnte. Dabei hatte er wohl genauso mit sich kämpfen müssen, weil er schließlich am Steuer saß und laut seinen eigenen Aussagen war es nicht einmal seine eigene Schuld. Sondern jemand fuhr ihm in einer Grünphase der Ampel in die Seite des Autos und erwischte mich vollkommen. Selbst wenn er achtsamer gewesen wäre, hätte er an meinem Schicksal nichts daran ändern können und das wollte keiner der Beiden so wirklich begreifen.

„Was weißt du schon, ob ich überhaupt noch am Leben bin?"

𝗦𝗰𝗮𝗿𝘀 ✧ HYUNLIXWo Geschichten leben. Entdecke jetzt