Kapitel 33 - Konsequenzen

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Caleb's Sicht:

Wir stiegen beide ein. Jassy seufzte. Sie wusste, dass ich mich nun auch nochmal dazu äußern würde. Und ich wusste, wie unangenehm ihr die Situation war. Besonders da sie wusste, dass wir etwas über sie besprochen hatten, ohne dass sie anwesend war. Domis Auto machte zum Glück bei der Zentralverriegelung keinen lauten Sound, denn ansonsten wäre Jassy sicher sofort ausgerastet. Wir wollten nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen – und schon gar nicht riskieren, dass Jassy aus dem fahrenden Auto springen würde.

„Wir werden nach Hause fahren", sagte Domi und startete den Wagen. Ich beschloss ihr noch ein paar Minuten Schonfrist zu geben. Ich sah in den Seitenspiegel. Jassy sah immer noch beschämt nach unten. Ich sah sie an. Ich liebte sie. Ich war weder sauer noch verletzt über die Situation – ich wusste, dass es eines Tages passieren würde. Ich wollte einfach nur, dass es ihr gut ging. Und aus diesem Grund würde ich ihr sagen, dass sie mal mit jemanden darüber reden sollte.

Ich atmete tief durch, denn nun war es Zeit ihr den Schrecken ihres Lebens zu verpassen. „Hör mal Jasmin..." Sie schreckte sofort hoch. „Was habt ihr vor?", fragte sie sofort misstrauisch. Wir nannten sie nie beim vollen Vornamen, also wusste sie, dass irgendwas los war. „Wir haben uns vorhin unterhalten..." Ihr Griff ging zur Türschnalle. „Vergiss es", meinte Domi, der das Ganze im Rückspiegel sah. Jassy sah mich an. Ich konnte die Panik in ihren Augen erkennen. Aber ich konnte es nicht ändern. Ich musste es ihr sagen. „Ihr werdet mich nicht in ein Krankenhaus bringen...", sagte sie. Man konnte die Panik in ihrer Stimme hören. „Wollen wir nicht", meinte ich beruhigend. Sie sagte nichts. Sie sah mich nur weiterhin an. „Hör zu. Wir wollen nur, dass es dir gut geht." Doch auch das schien sie nicht zu überzeugen. Also versuchte ich einfach mit ihr zu reden, ohne sie darauf vorbereiten zu wollen. Denn vielleicht würde das ja besser funktionieren... „Jassy, hör mir doch zu. Alles ist gut. Wir versprechen dir, dass wir dich nicht in ein Krankenhaus bringen. Und wir werden dich auch nicht einweisen lassen. Okay. Es ist alles in Ordnung." Sie nickte leicht.

Einige Minuten lang sagte keiner von uns etwas. Ich wollte warten, bis Jassy sich etwas von dem „Schock" erholt hatte, bevor ich sie mit der Information, wo wir hinfahren würden, überrollen würde. „Was...was habt ihr dann...vor?", fragte sie. Sie hatte sich etwas beruhigt. Doch ich wusste, dass das nicht lange anhalten würde. Denn nun war es Zeit ihr Domis Plan mitzuteilen. Und wir wussten beide, dass der ihr überhaupt nicht gefallen würde. Bevor ich mir überlegen konnte, wie genau ich es ihr sagen sollte, sagte Domi gerade heraus: „Mein Onkel ist Psychiater." Jassy verlor jegliche Farbe in ihrem Gesicht. Ich konnte sehen, wie die Panik zurückkehrte und sogar noch 1000-mal schlimmer als davor wurde. Nun war er an der Reihe ihr zu versichern, dass alles in Ordnung war. „Psychiater?!", fragte sie nach einer Minute geschockt. Sie hatte anscheinend etwas gebraucht, um das Wort überhaupt rauszubekommen. Domi seufzte. „Ja, Psychiater. Aber wie Caleb dir schon seit 10 Minuten versucht zu versichern ist alles in Ordnung. Also krieg dich bitte wieder ein." „Aber..." „Nichts aber. Jassy, ich weiß, was dir gerade alles durch den Kopf geht. Aber du kannst mir vertrauen, wenn ich sage, dass du nicht eingewiesen wirst. Okay?" Jassy gab mir keine Antwort. „Er redet mit dir und danach fahren wir drei wieder zu mir nach Hause. Einverstanden?" Jassy schluckte, nickte dann aber leicht. Sie wusste, dass sie so oder so keine Wahl hatte.

Jassy's Sicht:

Ich war kurz davor mich zu übergeben - und zwar inmitten von Domi's Auto. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Mir war heiß und kalt gleichzeitig. Ich sagte nichts mehr darauf. Ja, Domi hatte mich damit etwas beruhigt, aber trotzdem ging es mir nicht wirklich besser. Ich wollte mit keinem Arzt sprechen. Ich hatte große Probleme mit Ärzten – besonders Psychologen und Psychiater.

Ich war still und starrte aus dem Fenster. Ich hatte immer noch Panik, war aber zum Glück wieder weit von einer Panikattacke entfernt. Ich dachte nicht nach, den jeder Gedanke an das, was passieren würde machte mich wahnsinnig. Ich hatte so oder so keine Wahl. Es verging eine weitere Viertelstunde, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, bis wir auf einem Parkplatz anhielten. In mir machte sich noch mehr Panik breit und ich musste schnell aussteigen und frische Luft schnappen, denn ich war kurz davor mich vor Panik zu übergeben.

„Alles okay?", fragte Caleb mich als auch er ausgestiegen war und ich nickte nur leicht. „Ich sag schonmal Bescheid, dass wir da sind", meinte Domi und wand sich dann noch an Caleb. „Pass auf, dass sie nicht versucht abzuhauen", flüsterte er ihm zu, doch ich konnte es hören. Sie kannten mich mittlerweile viel zu gut. Wenn eine Situation stressig für mich war, konnte es leicht passieren, dass mein Kopf einfach auf Auto-Pilot schaltete und ich tatsächlich einfach davonlaufen würde. So war es ja auch auf der Gamescom gewesen.

Ich lehnte am Auto und atmete tief durch. Es ging etwas besser, aber ich fühlte mich trotzdem noch nicht bereit hineinzugehen. Um ehrlich zu sein, würde ich mich dafür aber nie bereit fühlen – den freiwillig würde ich es nie tun. Vielleicht war der Schubs von Domi und Caleb genau das, was ich brauchte. Ich atmete tief durch und setzte einen Fuß vor den anderen Richtung Gebäude. Im Augenwinkel konnte ich erkennen, dass Caleb mich fragend und überrascht ansah. Vermutlich hatten sowohl Domi als auch er angenommen, sie müssten mich zwingen das Gebäude zu betreten. „Dir kann nichts passieren, Jasmin. Alles ist in Ordnung. Du schaffst das. Vielleicht ist es wirklich nicht so schlimm. Denk einfach nicht an die Vergangenheit. Es ist ein neuer Arzt. Eine neue Chance. Er weiß nichts über dich und du nichts über ihn. Einfach nur zwei Menschen, die sich unterhalten", redete ich mir Mut ein. Ich musste versuchen mir ein positives Mindset einzureden.

Domi sah mich genauso an wie Caleb, als ich mich neben ihn setzte. Ich sagte nichts. „Das hätte ich jetzt nicht erwartet...", meinte er. Ich bekam nur mit, wie Caleb ihm deutete, dass ich es war, die freiwillig das Gebäude beteten hatte. Er musste gar nichts sagen oder tun. Auch er setzte sich zu uns. Die Verwunderung in Domis Gesichtsausdruck wurde noch größer. Anscheinend hatte er damit gerechnet, dass es eine riesige Diskussion geben würde. Doch ich war kein kleines Kind mehr. Mir gefiel es nicht hier zu sein, aber ich konnte auch nichts dagegen unternehmen. Ich akzeptierte, dass unvermeidbare. Es war meine eigene Schuld, denn hätte ich nicht die Kontrolle verloren, hätte ich beim Wettbewerb zusehen können und wäre dann morgen zurück nach Österreich gefahren. Doch nun würden mich Domi und Caleb niemals fahren lassen. Ich wusste wie beide darüber dachten und nun hatte ich ihnen ‚bewiesen', dass ich mich allein nicht unter Kontrolle hatte. Und keine Kontrolle zu haben, würde mich vielleicht irgendwann mein Leben kosten – auf die ein oder andere Art. Denn auch wenn ich mich meist nie tief genug schnitt, damit es bedrohlich werden könnte...Brad machte keine Fehler. Die Kontrolle zu verlieren könnte bedeuten Brad könnte sich dadurch einen Vorteil verschaffen. Caleb und ich hatten gestern einfach nur wahnsinniges Glück, mehr nicht. Wäre der Polizist nicht aufgetaucht, hätten wir die Begegnung wahrscheinlich nicht überlebt.

Doch der Plan und die Sache mit Brad musste erstmal warten. Denn zuerst musste ich dieses Gespräch hinter mich bringen. „Ihr seit dran", sagte die Dame am Empfang zu uns. Doch ich war wie immer leicht abwesend. Ich stand auf und folgte Domi. Ich versuchte immer noch nichts zu denken oder zu fühlen. Ich setzte mich auf einen Stuhl und fixierte einen Punkt an der Wand. Ich wollte mich ein wenig aus der Realität in eine ‚Trance' befördern. Denn für mein Gehirn war das, was passierte zu viel auf einmal, um es richtig verarbeiten zu können. 

Save Me (Domtendo/RubinNischara FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt