Kapitel 1 - Die Gewinnerin

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Jassy's Sicht:

Als ich die Wohnungstür geschlossen hatte, atmete ich erleichtert durch. Jedes Mal wieder war es nervenaufreibend von der Arbeit nach Hause zu gehen. Ich schmeiße die Tasche in die Ecke, schnappe mir ein paar Snacks aus der Küche und setzte mich an den Schreibtisch.

Mein Name ist Jasmin, kurz Jassy. Ich bin 19 Jahre alt und wohne in Linz, Oberösterreich. Ich hab meine eigene kleine Wohnung, arbeite selbstständig als Tänzerin in einer Crew und nebenbei bin ich auch noch Kellnerin. Das Tanzen allein bezahlt leider nicht alle Rechnungen.

Ich warf meine Haare nach hinten und sah auf den Bildschirm meines Notebooks. Im Display spiegelte sich kurz mein eigenes Gesicht. Ich starrte in meine leeren, blauen Augen. Danach hatte sich Windows hochgefahren. Sofort startete ich den Browser und scrollte durch YouTube. Rechts unten sah ich, dass einige Benachrichtigungen auf mich warteten. Ich klickte also drauf und mein E-Mail-Postfach ging auf. Ich kämpfte mich durch den Spam und die Versandbestätigungen, als mir eine Mailadresse ins Auge sprang. Ich hielt beinahe den Atem an, als ich las, von wem die E-Mail kam. Sie war von Domtendo, meinem Liebling-Let's Player. „Gewinnspiel", las ich am Betreff. Sofort rollte ich mit den Augen. Warum war ich so aufgeregt, nur weil sein Name im Absender stand? Etwas enttäuscht klickte ich die E-Mail an. Ich war mir sicher, dass es nur eine Standard-Absage sein würde, a la „Danke das du mitgemacht hast, aber leider hast du nicht gewonnen".

Domtendo hatte nämlich in einem Video eine Eintrittskarte zur diesjährigen Gamescom verlost. Außerdem würde er mit dem Gewinner oder der Gewinnerin dort den Tag verbringen. Natürlich hatte ich teilgenommen. Es war mir zwar schon von Anfang an klar gewesen, dass ich nicht gewinnen würde, aber die Teilnahme ging schnell und ich dachte mir einfach „Man weiß ja nie"...

Mein Laptop brauchte ewig zum Öffnen der Mail. „Ich muss ihn wirklich mal neu aufsetzen", dachte ich mir und schrieb ein Post-it. Immerhin brauchte er für eine E-Mail knappe 30 Sekunden. Als die Mail endlich da war, sah ich ungläubig auf den Bildschirm. Denn wie eine Standardnachricht, sah es nicht gerade aus:

Hallo Jasmin,
Ich freue mich dir mitteilen zu können, dass du das Gewinnspiel von Part 21 gewonnen hast. Ich hoffe du hast nichts dagegen, dass mein Kumpel Caleb aka RubinNishara uns begleiten wird. Bitte melde dich kurz, damit ich weiß, dass du diese E-Mail erhalten hast. Danach können wir die Details besprechen.

Bis bald, Domtendo

Für eine Sekunde musste ich sichergehen, dass ich mir das ganze nicht nur eingebildet hatte. Also zwickte ich mich. „Au...okay, kein Traum", dachte ich. Ich las alles noch ein zweites Mal durch – und dann ein drittes Mal. Ich konnte einfach nicht glauben, dass ich tatsächlich gewonnen hatte. Zitternd trank ich erst einmal mein Glas aus. Mein Hals fühlte sich trocken an vor Nervosität. Ich atmete tief durch. Danach klickte ich auf „Antworten".

Hallo Domtendo!

Danke für deine Nachricht. Ich kann nicht glauben, dass ich tatsächlich gewonnen hab...

Natürlich hab ich nichts dagegen, wenn Caleb mitkommt. Ich schau seinen Content sehr gern und gerade eure Collabs sind immer unterhaltsam.

Schick mir bitte die Details, damit ich den Trip planen und organisieren kann. Danke 😊

Bis bald, Jasmin.

Senden. Meine Hände zitterten stark und ich beschloss das Notebook erstmal ausmachen. Nervös lief ich in meinem Zimmer auf und ab. Ich sah auf meinen Kalender. Knappe 16 Tage bis zur Gamescom. „Ich kann nicht glauben, dass ich tatsächlich dort sein werde", dachte ich und lächelte. Ich hätte glücklicher nicht sein können. Mein Magen knurrte, also beschloss ich mir Essen zu kochen. In Gedanken war ich immer noch bei der E-Mail und der Gamescom. Und das würde sich vermutlich die nächsten Wochen auch nicht ändern.

~ Zwei Wochen später ~

Die Gamescom war nur noch 2 Tage entfernt. Ich war so verdammt gehyped und aufgeregt, dass ich mich kaum noch auf meinen Kellnerjob konzentrieren konnte. Um ehrlich zu sein: Ich könnte mir keinen schlimmeren Job vorstellen. Ich hasste es so sehr. Aber die Miete zahlt sich eben nicht von allein...Die Zugfahrt nach Köln und wieder zurück hatte mich beinahe das gesamte Trinkgeld von diesem Monat gekostet, also musste ich vor der Fahrt noch einiges reinholen – besonders da ich plante mir etwas Merch mitzunehmen. Domtendo hatte mir zwar angeboten die Fahrtkosten zu übernehmen, aber das konnte ich nicht annehmen. Die Eintrittskarte zur Gamescom hatte sicher schon genug gekostet.

Da wir uns ausgemacht hatten, dass wir uns um 3 Uhr am Kölner Bahnhof treffen, fuhr ich einen Tag vorher schon zum Linzer Hauptbahnhof, um mir mein Ticket zu kaufen. Das Ticket erst direkt vor der Fahrt zu kaufen war mir zu riskant und für Online hatte ich im Moment zu viel Bargeld und zu wenig auf dem Konto. Und extra zur Bank gehen, um das Geld einzuzahlen, um dann erst Online das Ticket zu kaufen war mir dann doch zu umständlich und es hätte ja auch sein können, dass das Geld erst morgen auf meinem Konto ist. Anyways...Ich stieg also in die Straßenbahn ein. Ich versuchte mich so unauffällig wie möglich umzusehen, um herauszufinden, ob dort eh niemand war, der mich kannte.

Gedankenverloren ging ich die Stufen von der Station zum Bahnhof hinauf. Sofort ging ich zu den Automaten, da ich jeglichen zwischenmenschlichen Kontakt mit Fremden vermied, wo es nur ging. Ich litt seit meiner Jugend an Angststörungen und hatte eine leichte Sozialphobie. Da die Automaten nicht funktionierten zwang ich mich nicht umzudrehen und mir den Stress mit der Online-Bestellung anzutun, sondern zum Infopoint zu gehen. „Es ist zumindest eine gute Übung für morgen", ermutigte ich mich. Der Typ sah mich schräg an. "Die Automaten funktionieren nicht. Kann ich sonst irgendwo eine Karte kaufen?", fragte ich leise und zögernd. Der Typ zeigte mit einem gelangweilten Blick nach links. „Um die Ecke findest du die Schalter. Dort sollte einer offen sein." Seine Stimme klang wahnsinnig gut gelaunt, hust... "Dankeschön", sagte ich und ging schnell in die Richtung, welche er mir gezeigt hatte. Linz war zwar die Stadt, in der ich schon mein ganzes Leben lang lebte, aber ich war noch nie in der Situation gewesen die Schalter finden zu müssen.

Ich drehte mich nicht um, aber ich spüren, wie er mich musterte. Er sah mir hinterher. Ich spürte seine Blicke auf meinem Pullover, die Ärmel entlanggleiten. Vermutlich, weil es August war. Doch viele Leute trugen Pullis. Warum also sah er gerade mich so an? Wahrscheinlich wegen meiner schwarzen Haare, welche an den Spitzen pink waren – beziehungsweise sollte es pink sein...Ich hatte sie schon lange nicht mehr geschnitten und nachgefärbt. „Vermutlich denkt er sich ‚Was für ein Klischee'", dachte ich mir und ging einfach weiter zu den Schaltern.

Zuhause kramte ich meinen Rucksack hervor. Ich hatte ihn ewig nicht mehr benutzt, also musst ich ihn erstmal ausräumen und sauber machen. Meine alten Schulbücher warf ich sofort in den Müll. Das Einzige, was ich aufbewahrte, waren meine Terminplaner, da ich diese immer voll mit Zeichnungen und Notizen füllte. Danach suchte ich alles für den morgigen Tag zusammen. Es dauerte ganz schön lange bis ich mir sicher war, dass ich alles eingepackt hatte. Doch gegen 21 Uhr konnte ich beruhigt einschlafen. Zumindest dachte ich das. Natürlich hielt mich die Aufregung wach. Ich überprüfte das Ticket und meine Wecker zum millionsten Mal, ich kontrollierte, ob ich eh keine E-Mal von Domi verpasst hatte, ich sah nach, ob ich alle Sachen ausgeschaltet und ausgesteckt hatte...

Und deswegen konnte ich auch nicht einschlafen. „Ach egal, ich werde einfach im Zug schlafen", redete ich mir ein. Obwohl ich von Vornherein wusste, dass ich weder in Zügen noch in Autos oder Flugzeugen schlafen konnte. 

Save Me (Domtendo/RubinNischara FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt