Jassy's Sicht:
Ich wusste, dass ich mich nicht ewig vor einem Gespräch mit Caleb drücken konnte. Es wäre nicht fair ihn nach dem gestrigen Tag einfach ‚im Regen stehen zu lassen' – und das wortwörtlich, denn wir hatten zuletzt im Regen gesprochen...
Ich musste mich der Realität stellen: Ihn wurde ich nicht mehr so schnell los. Mein ganzes Leben hatte ich immer versucht Leute bei mir zu halten aber als Brad in unser Leben – in mein Leben – kam, hat sich dieses Bemühen um 180° verändert. Von da an hatte ich nur noch versucht Menschen von mir fernzuhalten, um sie nicht zu verletzten oder gar in Gefahr zu bringen. Ich wollte für jeden immer nur das Beste – nur nicht für mich. Und jetzt, wo ich in einem anderen Land einigermaßen sicher war, würde ich diese Chance auf einen ‚Neuanfang' nutzen – zumindest so lange, bis ich zurückkehren musste. Doch ich würde noch warten, bis Caleb wieder zurück nach Hause fahren würde. Denn ich wollte ihn nicht noch unnötig verletzen. Ihm zu sagen, dass ich nach wie vor vorhatte zu gehen würde nur wieder einen unnötigen Streit provozieren.
Ich kramte in meiner Tasche herum und fand die Karte, die Domi's Onkel mir gegeben hatte. Ich seufzte und steckte sie dann in meine Geldbörse. Ich war noch nicht bereit, jedoch wäre er der einzige, von dem ich mich je behandeln lassen würde. Ich beschloss mich bei ihm zu melden, sobald ich soweit war. Es würde ein langer Prozess werden, aber irgendwann würde ich es schaffen. Irgendwann würde ich Hilfe zulassen. Ich hatte die Hoffnung auf ein normales Leben ohne Selbsthass und ohne Angst vor Brad noch nicht aufgegeben. Mein Handy vibrierte und ich sah, dass es eine Nachricht von Markus war. „Ruf mich an, sobald du Zeit hast. Wir müssen reden." Ich seufzte und beschloss es direkt hinter mich zu bringen.
„Markus, hör zu: Das, was ich gestern gesagt habe und wie ich mich verhalten habe, tut mir leid. Du hattest recht: Ich hätte nicht versuchen sollen deine Anweisungen in Frage zu stellen. Und schon gar nicht hätte ich dir meine Verletzung verschweigen sollen. Ich hab mich falsch verhalten, und es tut mir leid. Ich hoffe, du kannst es mir verzeihen und möchtest mich trotzdem noch im Team haben", sagte ich direkt. Ich wollte das Thema sofort geklärt haben. Denn so würde ich ihm und mir die Zeit für eine Moralpredigt ersparen. Kurze Zeit war es still auf der anderen Seite der Leitung. Markus hatte anscheinend nicht erwartet, dass ich direkt einsichtig sein würde. Er kannte mich eben schon jahrelang und manchmal war ich stur. „Danke, dass du meine Entscheidung verstehst und sie mir nicht übelnimmst. Ich versichere dir, dass du dir keine Sorgen um deinen Platz in meinem Team machen musst. Ich arbeite viel lieber mit dir zusammen als mit Maria. Sie ist menschlich eine Katastrophe, das weißt du sicher sogar besser als ich. Aber ich hatte keine andere Wahl, als sie anzurufen und sie zu bitten einzuspringen. Ich hoffe, dass du mich in dieser Sache auch verstehst." „Natürlich. Wie lief der Wettbewerb eigentlich?" „Ganz okay. Wir haben den dritten Platz als Gruppe belegt und Maria hat beim Solo den 4. Platz belegt. Ich will ihre Leistung nicht runtermachen, denn sie hatte nur einen Tag lang Zeit sich vorzubereiten. Für die Zeit, die sie hatte ums ich vorzubereiten, ist der 4. Platz großartig." Stille. „Ich schätze, du wirst diesmal nicht mit nach Österreich fahren?" „Nope." „Deine Entscheidung. Ich stresse dich nicht. Sag einfach Bescheid, wenn du bereit bist, und wir überlegen uns was." „Danke Markus." „Keine Ursache. Ich muss aber wieder los. Pass auf dich auf." „Du auch auf dich."
Es war sehr früh am Morgen, also war ich die Einzige, die wach war. Ich war für das Gespräch extra auf den Balkon gegangen, um niemanden zu stören und genoss nun die Aussicht. Ich dachte wie immer über alles nach. Wäre gestern alles nach Plan gelaufen wäre ich heute Abend schon wieder in Linz gewesen und hätte meine Wohnung ausgeräumt. Es hätte ein neues Leben begonnen – und das alles hatte ich nur Domi zu verdanken. Das Schicksal hatte mich gewinnen lassen – vermutlich als Widergutmachung, weil es meine Mutter zu Brad geführt hatte.
Die Balkontür ging auf und Caleb kam raus. „Morgen", sagte ich. „Morgen." Und wieder schwieg ich, weil ich nichts anderes wirklich konnte. Es war so unfair ihm gegenüber, aber ich machte es nicht absichtlich. Egal wie sehr ich es wollte, ich bekam meinen Mund nicht auf. Und Caleb wusste das. „Wir müssen uns nicht sofort darüber unterhalten. Sag einfach Bescheid, wenn es so weit ist. Bis dahin, werde ich mich gedulden und dich nicht darauf ansprechen", sagte er. „Ist das wirklich okay für dich?" Er nickte. Wir standen nebeneinander und starrten beide in die Leere.
„Wärst du heute wirklich mitgefahren, wenn...dass alles gestern nicht passiert wäre...", fragte er nach einer Weile. Ich sah ihn an, gab ihm aber keine Antwort. Mein Blick und das Schweigen war Antwort genug. „Und...hast du es immer noch vor?" Ich nickte leicht. Ich beschloss ihn nicht anzulügen. „Ich verstehe..." „Caleb..." „Nein. Schon okay. Ich habe gesagt, ich respektiere deine Entscheidung und versuche nicht mehr sie dir auszureden." „Danke." Ich umarmte ihn. Ich wusste nicht, wie viel Zeit bis zum nächsten Plan vergehen würde, aber ich würde jede Sekunde bis dahin genießen.
Abends musste Caleb wieder zurück. Ich fühlte mich schlecht, weil er ging, ohne dass wir geredet hatten. Ich hatte es den ganzen Tag nicht übers Herz gebracht. Ich wusste, dass unsere Gefühle nichts ändern würden – ich würde nicht bleiben. Doch ich hatte Angst Caleb damit zu enttäuschen oder zu verletzen. Deswegen sprach ich es erst gar nicht an. Ich beschloss bis zur nächsten Woche geeignete Worte zu finden und dann mit ihm zu reden. Dieses Wochenende war zu viel auf einmal passiert.
Ich saß auf der Couch und nahm einen Notizblock. Ich begann nach geeigneten Worten zu suchen. „Ist der für Caleb?", fragte Juli als sie sich zu mir setzte. Ich nickte. „Domi hat mir erzählt, was gestern alles passiert ist. Falls du reden willst, ich hör dir gern zu." Ich zuckte mit den Schultern. „Ich...keine Ahnung. Es ist einfach so kompliziert. Ich möchte mit ihm darüber reden, aber...ich kann es einfach nicht. Ich hab das Gefühl, als würde...das was ich sagen will, ihm vielleicht nicht reichen...Verstehst du was ich meine?" Sie nickte. „Und woher weißt du, dass es nicht ‚reichen' wird? Wenn es das ist, was du fühlst, dann muss es reichen." Sie hatte recht. „Denk mal drüber nach."
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Save Me (Domtendo/RubinNischara FF)
FanfictionDas ist die Geschichte von Jassy. Durch Zufall gewinnt sie bei einem Gewinnspiel vom Let's Player Domtendo. Sie bekommt eine Eintrittskarte zur Gamescom und darf dort mit ihm den Tag verbringen. Zuerst freut sich Jassy, doch als sie dann tatsächlich...