Mein Name ist James Davy. Meine Geschichte ist unspektakulär, bis zu jenem verhängnisvollen Tag. Ich wurde 1862 geboren und wuchs den längsten Teil in ärmlichen Bedingungen auf. Meine Kindheit verlief schlichtweg ereignislos. Meine Eltern verstarben früh und ich musste einige Zeit in verschiedensten Waisenhäusern verbringen. Mein damaliges Leben als trostlos zu bezeichnen, wäre noch eine Untertreibung. Mit 18 Jahren trat ich in die Armee der Krone ein. Ich war mehrere Monate in der British Army stationiert, bis zu dem Tag, der mein Leben von Grund auf veränderte. Ich habe keine sonderlichen Leistungen erzielt, weswegen ich doch relativ überrascht war, als ich jenes Tags zu einem hohen Befehlshaber beordert wurde. Ich werde diesen Tag vermutlich nie vergessen. Es war der 22.03.1882, ein sonniger Montag. Meine Nerven waren am Ende, zum Zerreißen gespannt. "Was hatte ich gemacht, werde ich entlassen? Was war der Grund für die Order?" Solche Gedanken durchzogen meinen Kopf. Ich ging durch den leeren Korridor zu dem Büro des Colonels. Meine Schritte hallten durch die Stille, was meiner sowieso schon angespannten Nervenlage nicht wirklich weiterhalf. Einige Schweißtropfen rannen meine Schläfen herunter. Ich stand endlich vor der massiven Eichentür des Colonels. Ein leicht verkratztes Messingschild zierte die Tür: Colonel Jonathan Peekhawk. Ich schluckte. Ich nahm meinen Mut zusammen, hob meine Hand und klopfte an die Tür. Es dauerte einen Moment, bis ich hinter der Tür einige dumpfe Schritte vernehmen konnte. Mir öffnete ein hochgewachsener Mann, wessen Gesicht ich schon öfters in Zeitungsberichten gesehen hatte. Colonel Peekhawk war ein Kriegsheld. Mutig, gerissen, ein fantastischer Stratege. Ich hatte seine Berichte bereits Jahre vor meinem Eintritt verfolgt und wollte schon damals so werden wie er. Nun stand ich ihm direkt gegenüber. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, was mir auch relativ gut gelang. "Private James Davy?", fragte mich der Mann. Mit einem leisen Schlucken würgte ich ein "J-jawohl, Sir!" heraus. "Haben Sie schlecht geschlafen, Davy? Sie sehen so... indisponiert aus." "Nein, Sir. Mir geht es gut.", antwortete ich. Der hagere Mann ließ mich herein. Das Zimmer war von innen doch erheblich größer als man es von außen vermuten konnte. Auf der linken Seite des Zimmers war ein riesiges Bücherregel aus wertvollem Rosenholz. Auf der rechten eine kleine, aber gut gefüllte Bar. In der Mitte des Zimmers stand, auf einem dicken orientalischen Teppich, ein großer aufgeräumter Schreibtisch. Vor jenem Schreibtisch, welcher übrigens ebenfalls aus Rosenholz bestand, standen zwei große Lederstühle, welche bereits beim Anblick bequemer schienen, als alles was ich in meinem Leben jemals gesehen habe. Ich muss zugeben, dass ich von dem Anblick dieses Zimmers sprachlos war. Erst kurze Zeit später bemerkte ich den Mann, welcher in einem der schwarzen Stühle Platz genommen und seinen Blick fest auf mich gerichtet hatte. Sein Auftreten war beeindruckend. Seine Gesichtszüge waren von einer Schärfe, welche ich bisher noch nie in meinem Leben gesehen habe. Sein Blick war zielsicher, nach vorn orientiert und von einer Entschlossenheit, dass es mir fast Angst machte. Sein ganzes Äußeres strahlte zudem so viel Aristokratie aus, dass ich im ersten Moment dachte, dass vor mir der König von England sitzt. Als sich unsere Blicke trafen, lächelte er und stand auf. Nun konnte ich den Mann in voller Gänze mustern. Er war ungefähr so groß wie ich, also knapp 1,90m. Er trug einen Smoking und ich sah seinen Zylinder auf dem Tisch dahinter liegen. Er machte einen Schritt auf mich zu und hielt mir die Hand hin. "Darf ich vorstellen, Sir Robert Caulfield. Seines Zeichens Leiter einer Sonderkommission des Scotland Yard.", sagte mir Peekhawk feierlich. Ich schüttelte Sir Caulfield die Hand und Peekhawk deutete auf einen der beiden Stühle. Ich nahm Platz und musste mich kurz daran gewöhnen, dass ich halb in dem Sessel versank. "Was kann ich für sie tun?", fragte ich in Richtung des Colonels. "Sind sie immer so vorlaut, Private? Sprechen, ohne dass jemand das Wort an sie richtet?", sagte Peekhawk argwöhnisch. Ich schluckte. Ein eiskalter Schauer huschte meinen Rücken herunter. "Es tut mir leid, Sir." "Seien sie nicht so streng mit dem Jungen, Jonathan. Er meint es doch nur gut. Und das ist doch eine gute Einstellung.", meinte Sir Caulfield zu meiner linken. Ich musste erneut schlucken. "Na gut, wollen wir mal nicht so sein. Also, Davy. Wie vertraut sind sie mit der Innenpolitik unseres Landes, in Hinblick auf Kriminalität?" "Ich würde mein Wissen allenfalls als rudimentär bezeichnen. Ich habe die letzten Monate hauptsächlich in den Mannschaftsgebäuden und der Kaserne verbracht. Ich habe nicht viel von der Außenwelt erfahren, Sir.", meinte ich kleinlaut. Ich blickte auf Peekhawk und es fühlte es sich an, als würde mich sein Blick gleich durchbohren, so fest wie er mich anstarrte. "Schwach, äußerst schwach. Man muss ihnen zu Guten halten, dass man die Sache versucht hat, möglichst klein zu halten. All die Ungereimtheiten der letzten Wochen." "Was für Ungereimtheiten, wovon reden sie?" Peekhawks Miene verfinsterte sich schlagartig und erneut huschte mir ein Schauer den Rücken runter. "Man sollte nie seine Idole kennenlerne.", dachte ich mir. "Die Kriminalität steigt rapide, Davy. Sie wird strategischer, konzentrierter. Sowohl Innenministerium, Polizei und alle anderen Exekutivorgane sind ratlos, was das Ziel dieses Anstieges ist." "Das Ziel? Vermuten sie eine einzelne Partei hinter diesem Anstieg? Und mit allem Verlaub, warum erzählen sie dies alles gerade mir, Sir?", fragte ich. Bereits während ich die Worte aussprach, merkte ich, dass ich den gleichen Fehler erneut gemacht hatte. Ein tiefes, langsames Ausatmen des Colonels zeigte mir, dass ich mich doch etwas zurückhalten sollte. Da auch Sir Caulfield bemerkte, das Peekhawks Schläfenader langsam anfing sichtbar zu pulsieren, fuhr er fort: "Wir wissen bisher noch nichts mit Sicherheit. Allerdings müssen wir tatsächlich damit rechnen, dass wir uns einer Gruppierung gegenübersehen, welchen Ausmaßes auch immer. Die Angriffe gegen unser Land sind erheblich und hervorragend sowohl geplant als auch ausgeführt. Und nun zu ihrer letzten Frage: Ich wurde von oberster Stelle dazu aufgefordert, eine kleine Gruppe zusammenzustellen, welche sich dieser Gefahr stellen soll. Eine Gruppe kompetenter Mitarbeiter, welche ihren Beitrag zum Schutze unseres geliebten Königreiches beitragen soll. Dabei hat mir mein alter Freund Jonathan ein wenig geholfen und mir unteranderem ihren Namen genannt." "Meinen? Bei allem Respekt Sir, aber ich glaube ich...", meinte ich, bis ich harsch von dem wütendem Colonel Peekhawk unterbrochen wurde. "Private Davy, ich muss mich doch sehr wundern. Haben sie denn bei ihren Befehlshabern nichts gelernt! Dass sie sich nicht schämen, über ihr Verhalten!", schrie mich der erboste Colonel an. Ich merkte, wie ich intuitiv immer mehr in den Sessel hineinversank. "Ruhig Blut, Jonathan. Der Bursche ist doch nur neugierig. Lassen Sie einmal den Soldaten in Ihnen ruhen und lassen Sie ihn gewähren.", redete Sir Caulfield beruhigend auf Peekhawk ein. "Meinetwegen.", grummelte er. "Also, fahren sie fort. Was sind ihre Fragen, Junge?". Sir Caulfield richtete sich erneut zu mir. Es war erstaunlich, wie sich der Eindruck eines Menschens so schnell ändern konnte. "Gibt es bereits andere Personen, welche dann an unserer Seite kämpfen würden?", fragte ich. "Wir haben bereits zwei andere Männer rekrutiert. Mit ihnen wäre die Gruppe komplett!", meinte der Mann lächelnd. "Drei Männer, gegen eine, sagen wir, Verschwörung ungeahnten Ausmaßes. Ist das nicht ein wenig riskant?", sagte ich fassungslos. "Ich kann ihre Bedenken verstehen, Mr Davy. Allerdings wäre es riskanter, zu viele Leute auf diesen Einsatz vorzubereiten. Wir wissen momentan schlichtweg nicht, wer Freund und wer Feind ist. Und Jonathan hat wohl großes Vertrauen in sie. Und da ich ihm vertraue, vertraue ich gleichzeitig auch in sie, Junge." Ich schwieg. Zu viel ging mir gerade durch den Kopf. "Eine Gruppierung, welche England angreifen will? Eine Verschwörung? Das kann doch nicht sein." Man sah mir meine Ungläubigkeit an. "Ich weiß, dass es schwerlich zu glauben ist, aber es ist wahr!", meinte Caulfield zu mir. "Und Sie wollen mich einstellen? Als... ja was denn eigentlich genau? Als Lebensmüder ihrer Majestät? Was wäre meine Aufgabe?", fragte ich noch immer ungläubig. "Als Ermittler und Agent der Krone! Ihre Zuständigkeiten und Befugnisse würden weit über den eines normalen Soldaten oder eines Beamten hinausgehen. Selbstverständlich wird für ihre logistischen Bedürfnisse aufgekommen.", sagte Sir Caulfield zuversichtlich. "Das war nicht meine Frage! Was genau werde ich machen müssen?" Mein Blick wanderte für einen Augenblick zu Peekhawk, wessen Kopf wieder eine natürliche Farbe angenommen hatte. Trotzdem durchbohrte mich sein Blick noch immer. Ich blickte erneut in Richtung Caulfield. "Ich möchte nicht verhehlen, dass es schwierig wird. Es wird sich als kompletter Wechsel ihres Lebens darstellen. Doch sie würden damit mehreren tausend Menschen helfen." "Sie scheinen mich nicht zu verstehen, Sir Caulfield. Bei allem Respekt, aber ich will genau wissen, was auf mich zukommt!", sagte ich nun etwas energischer. Caulfield wollte mich hinhalten. Das sah ich ihm an. Ich konnte es regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn ratterte. Seine nächsten Worten würden wohl überlegt sein. Es verstrichen einige Sekunden. Dann sagte er mit einer zittrigen Stimme, die ich dem Mann niemals zugetraut hätte: "Mr. Davy, unser Land sieht sich einer unbekannten Bedrohung gegenüber. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, was passieren wird. Weder wem wir uns entgegensehen noch ob und wie lange sie diesen Kampf überleben werden. Doch, so wie ich Peekhawk verstanden habe, hat unser Land mit ihnen eine Chance, halbwegs glimpflich gegen diesen geheimen Feind anzukommen. Bitte nehmen sie dies jetzt nicht als Betteln oder Flehen meinerseits auf, sondern als Bitte. Eine Bitte an ihre Menschlichkeit, einen Appell. Sie können unserem Land, vielleicht auch der ganzen Welt, einige düstere Stunden ersparen. Hören sie auf ihr Herz, James. Ich bitte sie inständig." Ich schluckte. Ich musste einen Moment innehalten, um zu verarbeiten was ich soeben gehört hatte. Dieser Mensch hatte Angst. Große Angst vor etwas, von dem er bisher nur Konturen im Nebel kannte. Doch dies schien in zu beunruhigen, so sehr zu beunruhigen, dass er mich, einen einfachen Soldaten, bat ihm zu helfen. Doch in seiner Stimme lag noch etwas anderes, was ich bisher nur selten vernommen hatte. Ein Klang kompletter Aufrichtigkeit. Er glaubte das, was er da sprach. Und dies beunruhigte mich noch mehr. "Dürfte ich eventuell eine Nacht über meine Entscheidung schlafen, Sir? Wie sie meinten, würde diese Entscheidung einen Wandel in meinem Leben darstellen. Da muss ich mir wirklich sicher sein." Der besorgte Gesichtsausdruck in Caulfields Gesicht wich wieder einer neutralen, aber freundlichen Miene. "Selbstverständlich, Mr Davy. Aber ich bräuchte ihre Antwort bereits in den nächsten 2 Tagen, es eilt.", sagte er zu mir. Ich bestätigte ihm, dass ich ihm die Antwort zukommen lassen würde und drehte mich zum Colonel, welcher der Unterhaltung letztendlich doch noch still gefolgt war. "Darf ich mich erheben, Sir?", sagte ich in weiser Voraussicht, nicht erneut Peekhawks Puls hochschnellen zu lassen. Nachdem er dies bejahte, erhob ich mich, salutierte in Richtung dem Colonel und deutete entgegen Sir Caulfield eine leichte Verbeugung an. Dann verließ ich den Raum. Als ich in den Gang trat, musste ich einmal tief durchatmen. Ich war froh, aus dieser dermaßen angespannten Situation geflüchtet zu sein. Doch als die Tür letztendlich ins Schloss fiel, und Caulfield und Peekhawk anfingen über mich zu reden, hatte ich bereits eine Entscheidung betroffen.
Eine Entscheidung, die ich aus heutigen Standpunkt niemals hätte treffen dürfen!

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Three Pillars
AdventureDer junge Soldat James Davy staunt nicht schlecht, als er im März des Jahres 1882 zu seinem Vorgesetzten und persönlichen Helden Jonathan Peekhawk zitiert wird. Das britische Empire ist in Gefahr- und er soll helfen es zu retten! Zusammen mit dem da...