"Und der Junge? Was ist mit dem Mann passiert? Er ist schlichtweg zerfallen!" "Das ist eine etwas längere Geschichte.", antwortete Frankenstein. "Wir haben Zeit.", sagte Harker. "Ich glaube, dass er es ihnen besser selber erklären sollte." Wir nahmen seine Antwort hin. Frankenstein und ich nahmen den Jungen auf unsere Schultern. Er war noch immer sehr schwach. Langsam trugen wir ihn durch die mittlerweile dunklen Gassen von Paris. Vor einem kleinen Haus blieben wir stehen. "Hier habe ich eine kleine Wohnung.", sagte er, während er die Tür aufschloss. Wir betraten einen kleinen, spärlich beleuchtenden Raum in der dritten Etage. Vorsichtig trugen wir den Jungen in das Schlafzimmer und legten ihn in das kleine Bett. Nachdem Frankenstein den Jungen noch etwas stabilisierte, war es Zeit, dass er uns einige Fragen beantwortete. "Wer ist der Junge?", fragte Wilde. "Wie gesagt, von mir würden sie es nicht glauben." "Wir würden es nicht glauben? Wie abstrus soll seine Geschichte sein?", fragte Wilde skeptisch. "Sie haben ja keine Ahnung." Wir merkten, dass wir dahingehend keine Antworten mehr bekommen würden. Das Gespräch verlief im Sande. Ich unterhielt mich noch ein wenig mit Viktor Frankenstein. Schließlich kannte ich ihn ausschließlich aus den verschiedenen Artikeln, welches es auf die Insel schafften. In jenen Ausschnitten wurde er als kalter, fokussierter Mann dargestellt. Als ein Mensch, der ohne zu zögern über Leichen gehen würde. Doch nun erschien er mir als sympathischer, offener, aber leicht zurückhaltender Mensch. Er erzählte mir von seinen damaligen Experimenten, bei welchen er unteranderem versuchte tote Schweine wiederzubeleben. Er verfolgte die Idee, dass es irgendwie möglich sein muss, toter Materie wieder Leben einzuhauchen. Allerdings stieß diese Annahme auf wenig Gegenliebe. Missgunst gegen seine Person machte sich breit. Einige seiner damaligen Kommilitonen haben ihn dann beim Dekan und der Ethikkommission angeschwärzt, nachdem er dies auch bei menschlichen Leichen ausprobierte. Seine damaligen "Freunde" strebten einen Gerichtsprozess gegen ihn an. Anklagepunkte sollten die Verletzung des hippokratischen Eids, Leichenschändung und... Mord sein. Dieser wurde ihm aber nach eigenen Angaben angehängt. Da er dafür allerdings mit Sicherheit die Todesstrafe bekommen hätte, sah er sich gezwungen aus der Schweiz zu flüchten. Er verbrachte zuerst einige Monate in Wien und zog dann auf die Orkney-Inseln, wo er seine Experimente weiterführte. Anscheinend ohne großartigen Erfolg. Nach mehreren Stunden beendeten wir unser Gespräch. Harker und Wilde waren bereits auf dem Sofa eingeschlafen. Irgendwann döste auch ich in meinem Sessel ein.
Am nächsten Morgen wachte ich relativ spät auf. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel. Frankenstein, Wilde und Harker schliefen allerdings noch immer. Langsam rappelte ich mich auf. Mein Kopf brummte und mein Kreuz schmerzte. Normalerweise war ich zumindest etwas Komfort gewohnt. Verschwommen sah ich Frankenstein zusammen gesunken in seinem Sessel schlafen. Noch immer halb in Morpheus Armen versuchte ich mich in dem Zimmer zu orientieren. Die Sonne strahlte vereinzelt durch das halb verdreckte Fenster. Die Kerze vom Vortag war heruntergebrannt und erloschen. Ich ließ meinen Blick durch den Raum gleiten. In einer Ecke erkannte ich eine braune Aktentasche, aus welcher eine Dokumentenmappe herausguckte. Langsam griff ich nach der Mappe und öffnete sie. In ihr waren einige Zeitungsartikel von regionalen Schweizer Zeitungen. "Frischer Arzt unter Mordverdacht", "Der Monster Arzt Frankenstein!" und "Frankenstein: Vom Engel zum Teufel" waren einige der Schlagzeilen. Doch ein Artikel erregte meine Aufmerksamkeit besonders. "Brutaler Überfall auf Zentralbank" las ich innerlich vor. Warum hatte er diesen Artikel aufgehoben. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, hörte ich eine Stimme hinter mir: "Was machen sie da?" Ich wandte mich um. "Guten Morgen, Frankenstein." Er kam einige Schritte auf mich zu. Er blickte auf die Blätter in meiner Hand. "Meine Vergangenheit. Wer nicht daraus lernt, ist verdammt sie zu wiederholen.", sagte er und nahm mir die Blätter aus der Hand. "Ja, ich kenn den Text.", lächelte ich. Bevor ich auf den Artikel eingehen wollte, öffnete sich die Schlafzimmertür. "Haben wir dich geweckt?", schreckte Frankenstein auf und fragte er den Jungen. "Ein wenig, ja.", antwortete er. "Bitte verzeih uns.", sagte ich. "Schon gut." "Wo sie jetzt wach sind. Sie schulden uns ein paar Antworten.", sagte Wilde, welcher auch wach geworden war. "Ich weiß.", schluckte er. "Ich glaube, dass sie sich besser hinsetzen sollten." Skeptisch nahmen die beiden anderen in den Sesseln Platz. Ich blieb stehen. Der junge Mann musste schlucken. Sowohl Harker, Wilde als auch ich blickten ihn misstrauisch an. "Nun denn... Mein Name ist Neron..." Wir blickten ihn noch weiterhin skeptisch an. Sein Blick zeigte uns, wie er sich gerade schwertat. "und ich bin... der Sohn des Teufels." Er musste schlucken. Verwirrt blickte ich zu Wilde. An seinem Gesicht konnte ich ablesen, dass auch er seine Aussage nicht wirklich einordnen konnte. "Könnten Sie uns diese...", er musste kurz stocken, "Metapher etwas genauer erklären", fragte Wilde skeptisch. "Es ist keine.", antwortete er kühl. Meine Stirn legte sich in Falten. Nach einigen Sekunden der Stille schloss er die Augen und atmete tief ein. Die plötzlich eintretende Atmosphäre wirkte bedrückend. Es war als, ob es in dem Raum immer stickiger werden würde. Als ob uns, von einem Moment auf den anderen, eine Spannung umgeben würde. Eine unergründliche Spannung, welche mir das Blut in den Adern gefrieren lies. Andererseits breitete sich eine gewisse Wärme in dem Raum aus. Dann hob Neron seinen Kopf wieder und öffnete langsam die Augen. Seine rote Iris begann bedrohlich zu leuchten. Wie zwei glühende Kohlen in der Dunkelheit erhellten seine Augen die nähere Umgebung. Verunsichert und leicht beängstigt machte ich einen leichten Schritt zurück. Mir war, als würden sich um seine Hände dunkle Nebelwolken bilden. Ich nicht wagte zu atmen.

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Three Pillars
AdventureDer junge Soldat James Davy staunt nicht schlecht, als er im März des Jahres 1882 zu seinem Vorgesetzten und persönlichen Helden Jonathan Peekhawk zitiert wird. Das britische Empire ist in Gefahr- und er soll helfen es zu retten! Zusammen mit dem da...