Die Tür öffnete sich. Ich trat als erstes ein. Der Raum war wirklich beeindruckend. Im Gegensatz dazu war das Büro von Colonel Peekhawk vergleichbar mit einem Schuhkarton. Dieses Zimmer in seiner Gänze zu beschreiben, würde definitiv den Rahmen sprengen. Sir Caulfield bloß reich zu nennen, wäre vermutlich eine glatte Untertreibung gewesen. Jegliche Griffe waren vergoldet, es wurde viel mit Marmorelementen und teurem Eichenholz gearbeitet. In der hinteren rechten Ecke konnte ich einen schweren Globus erkennen. Dahinter erhob sich eine Fensterfront, welche einen faszinierenden Ausblick auf den dahinterliegenden Garten bot. Vor dem großem, dunkellackierten Schreibtisch standen 3 Ledersessel, in denen bereits 2 Männer saßen. Hinter dem Schreibtisch erblickte ich ein mir bekanntes Gesicht. Sir Caulfield lächelte mich an: "Freut mich wirklich sehr sie wieder zu sehen, Mr Davy." Ich nickte ihm freundlich zu. Hinter Peekhawk schloss der Butler die große Bürotür. Nun fiel mein Blick auf die beiden Herren, welche bereits in den Sesseln saßen. Auf meiner linken Seite saß ein Mann um die 30. Er hatte schulterlange, braune Haare. Er wirkte nach vielem, aber er war mit Sicherheit keinesfalls ein Soldat oder Polizist. Er machte auf mich den Eindruck eines... Träumers oder so etwas in der Art. Der Mann zu seiner rechten sah etwas belehrter aus. Er machte auf mich den Eindruck eines Akademikers. Seine Kleidung war, im Gegensatz zu dem extravaganten Aufzug des anderen Mannes, einfach und nicht wirklich kostspielig. Trotz dessen machte es einen stilvollen Eindruck. Es war ein einfacher grauer Anzug, eine schwarze Krawatte und eine ebenfalls graue Hose. Er war in einem ähnlichen Alter wie der andere.
"Sieh einer an, der ist ja noch grün hinter den Ohren", lachte der linke Mann ironisch. "Hören sie nicht auf diesen Mann, er macht sich gerne über alles und jeden lustig. Die Zunge unseres lieben Mr Wilde ist leider etwas zu locker geraten.", erwiderte der Mann in dem schlichten Anzug. "Der Junge wird doch wohl noch etwas Spaß verstehen, nicht wahr? Und außerdem bin ich Schriftsteller, ohne ein loses Mundwerk wäre ich gar nicht konkurrenzfähig, mein Lieber." Auf ein leises Räuspern schwiegen die beiden Männer. Schon jetzt zeichnete sich ein grobes Bild dieser beiden Persönlichkeiten ab, mit welchen ich wohl nun die nächste Zeit verbringen würde. "Bitte setzen sie sich, Mr Davy.", sagte Sir Caulfield zu mir. Ich ging seiner Aufforderung nach. Als ich in dem Sessel Platz genommen hatte, fuhr er fort. "Wie bereits angekündigt haben wir bereits die 2 restlichen Mitstreiter rekrutiert, welche unsere Sache unterstützen und zukünftig mit ihnen zusammenarbeiten. Dies ist...", sagt er, bis er von dem Mann ganz links unterbrochen wurde. "Oscar Wilde, Autor. Sie haben sicherlich schon von mir gehört. Freut mich sie kennenzulernen, Mr Davy.", sagte er mit einer erstaunlichen Selbstsicherheit. Dieser Mann schien, wie ich es bereits beinahe angenommen hatte, ziemlich von sich überzeugt zu sein. Doch entgegen seiner Annahme habe ich noch nie etwas von ihm gehört. Als ich ihm das sagte, antwortete er vergleichbar selbstsicher: "Das ist wirklich furchtbar schade, sie haben etwas verpasst, mein Junge." "Harker, Dr. Elias Harker, freut mich.", fügte nun auch der andere Mann hinzu. Er machte einen sehr freundlichen Eindruck. Mr Wilde schien ihm allerdings ein wenig auf die Nerven zu gehen. "Wenn wir dies geklärt hätten, würde ich nun zu den leider unausweichlichen Formalien kommen.", sagte Caulfield. Währenddessen holte er einen mittelgroßen Stapel Papiere aus einer der etlichen Schreibtischschubladen. "Stop stop stop! Nicht so schnell.", sagte Wilde langsam. "Zu was verpflichtet uns dieser Wisch?" "Dazu wollte ich nun kommen, seien sie nicht so ungeduldig, Mr Wilde." Wilde schwieg. Trotz dessen zierte noch immer ein verschmitztes Lächeln seine Lippen. "Wenn sie diesen Vertrag unterschreiben, werden sie augenblicklich als geheime Ermittler des Scotland Yard eingestellt. Ihre Befugnisse gehen weit über die eines Yard Inspektors hinaus. Jegliche Weitergabe geheimer und sensibler Informationen würde für sie bedeuten, dass sie ohne Gerichtsverhandlung dem Galgen überantwortet werden." An diesem Punkt musste ich schlucken. Ich realisierte jetzt erst recht, wie ernst die Lage doch eigentlich war. Ein falsches Wort und man würde hingerichtet werden. Ich spürte, dass dies nicht nur mich verunsicherte. Das Lächeln von Wilde wurde schmaler. "Sie werden stets mir unterstellt. Jegliche Aufträge gehen von mir oder Colonel Peekhawk aus. Diese könnten sie unter vielerlei Möglichkeiten das Leben kosten. Mit einer Unterschrift stimmen sie zu, über diese Eventualitäten unterrichtet worden zu sein. Kost und Logis während ihrer Beschäftigung werden selbstverständlich von Scotland Yard übernommen.", fuhr er fort. "Ich bitte sie, sie zeigen uns Wasser und reden uns den Wein ein. Was sie sagen wollen ist, dass sie uns der Nase lang auf Himmelfahrtskommandos, mit einem Minimum an Überlebenschancen, schicken werden. Wir werden für sie den Kopf hinhalten und müssen ihre Kastanien aus dem Feuer holen. Sie versuchen das Wesentliche mit Kost und Logis zu kaschieren. Sie sollten Tacheles mit uns reden! Was verlangen sie von uns?", sagte Wilde energisch. Danach stellte sich eine unangenehme Stille ein. Niemand traute sich auch nur einen Ton zu machen.
"Sie haben natürlich recht, Mr Wilde. Ich sollte ehrlich mit ihnen sein, soweit es mir möglich ist. Aber ich kann ihnen leider nicht viel sagen, was sie zufrieden stellen könnte. Wir sehen unseren Feind nur schemenhaft und können ihn noch nicht greifen. Ja, sie werden mein verlängerter Arm sein und ich kann nicht sagen, wie lange sie das überleben werden. Trotzdem werde ich mein Bestes geben, ihnen die bestmöglichen Überlebenschancen zu bieten. Sie werden von den besten Ausbildern des Yards vorbereitet und trainiert werden, damit sie niemals unvorbereitet in eine Mission gehen.", erklärte Sir Caulfield. Diese gesamte Unklarheit gab mir zu denken. Das machte mir Angst. Ich blickte mich kurz um und sah in vergleichbare Gesichter. "Sie könnten ihrem Land einen großen Dienst erweisen. Ihr Mitwirken könnte zwischen Krieg und Frieden, zwischen Leben und Tod Unschuldiger entscheiden.", fügte Caulfield an. Bevor Wilde etwas sagen konnte, wendete sich Caulfield direkt an ihn: "Überlegen sie genau, was sie jetzt sagen, Mr Wilde. Erinnern sie sich, weswegen ausgerechnet sie auf diesem Stuhl sitzen." Wilde schluckte hörbar. "Nun denn, sie haben nun entweder die Möglichkeit zu gehen, oder sie unterschreiben.", sagte Caulfield und schob jedem von uns einen kleinen Stapel Papiere zu. Ich blickte zuerst nach rechts, danach nach links. Sowohl Dr. Harker als auch Mr Wilde schienen ziemlich angespannt zu sein. Nachvollziehbar in unserer Situation. Eine gewisse Nervosität zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab. Niemand wollte zuerst aufstehen und gehen, beziehungsweise nach dem Stift greifen. Ebenfalls ging mir diese eine Drohung von Caulfield Wilde gegenüber nicht aus dem Kopf.
Noch in Gedanken vertieft registrierte ich links neben mir eine Hand, welche langsam nach den Papieren griff. "Was bedeutet Operation Pillar?", fragte Wilde, nachdem er das Deckblatt grob überflogen hatte. Aus Interesse griff nun auch ich nach dem Stapel. "Dies ist der Name meiner Einheit- um genau zu sein bestehend aus, wenn sie unterschreiben, ihnen drei. Die Pfeiler des Fortbestands Englands.", antwortete Caulfield. Erneut schwiegen wir, obgleich sich eine gewisse Skepsis in den Gesichtern des Doktors und Wilde nicht leugnen ließ.
"Habe ich denn eine andere Wahl?!", fragte Wilde lächelnd und griff nach dem Stift, welcher bereits auf dem Tisch bereit lag. Ich konnte aus seinem Tonfall nicht recht deuten, ob er dies nun sarkastisch oder doch ernst meinte. Ich sah wie Wilde mit einer schnellen Handbewegung seine Unterschrift auf den Vertrag kritzelte. "Ich glaube, man darf sie nicht allein lassen, Wilde. Allein wären sie sicherlich hoffnungslos aufgeschmissen!", sagte Dr. Harker ebenfalls lächelnd und unterschrieb. Auch bei ihm war es schwierig zu ergründen, inwiefern er das ernst meinte. Nun war nur noch ich übrig. Ich blickte auf die Papiere. Das Papier war dick und fühlte sich teuer an. In der Kopfzeile sah man das Logo des Königshauses. Darunter stand: "Vereinbarung zum Beitritt der Operation-Pillar." Ich nahm den Stift von dem Tisch. Meine Hand war still, kein Zittern oder sonstiges. Ich war mir in dem Moment sicherer denn je, auch wenn ich nicht genau wusste, woher diese Sicherheit kam. Mein Herz pochte schnell. Langsam setzte ich meine Unterschrift auf den unteren rechten Teil des Papieres. In diesem Moment fiel mir ein Stein vom Herzen. Gleich als ob eine große Last von mir wich.
"Ich freue mich, sie in meinen Reihen begrüßen zu dürfen!", sagte Sir Caulfield feierlich. "Sie werden selbstverständlich nicht sofort in einen Einsatz geschickt. Wir haben zum Zweck ihrer weitergehenden Ausbildung eine Villa hier in London gemietet. Dort werden sie wohnen und von einigen Experten in sowohl physischen als auch intellektuellen Disziplinen geschult. Ich werde auf sie zukommen, wenn ich ihre Hilfe benötige. Haben sie noch Fragen?" Wir schüttelten beinahe synchron den Kopf. Nachdem er uns verabschiedete, wurden wir von einer Droschke Richtung Stadtrand gefahren. Wir fuhren zu dem Ort, an welchem ich nun die nächsten Wochen verbringen würde. Die ganze Fahrt über durchzogen etliche Gedanken meinen Kopf: Was werde ich erleben, worauf habe ich mich eingelassen, auf was für Gefahren lasse ich mich ein und allem voran...
Was hat es sich meinen mysteriösen Mitstreitern auf sich.
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Three Pillars
AdventureDer junge Soldat James Davy staunt nicht schlecht, als er im März des Jahres 1882 zu seinem Vorgesetzten und persönlichen Helden Jonathan Peekhawk zitiert wird. Das britische Empire ist in Gefahr- und er soll helfen es zu retten! Zusammen mit dem da...