Dunkle Zeiten

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Das laute Öffnen der Kerkertür riss mich aus meinem Schlaf. Mein Rücken schmerzte. Das harte Holz der Pritsche tat meinem Kreuz nicht sonderlich gut. Feste Schritte hallten durch die Gemäuer des Gefängnisses. Auch Milgram schien die Schritte gehört zu haben. Er setzte sich langsam auf und blickte in die Dunkelheit, aus welcher sich langsam das Licht einer Petroleumlampe absetzte. Es war der Constable, welcher mich bereits vor wenigen Stunden in dieses Loch geworfen hatte. Oder war es womöglich noch länger? Ich hatte mein Zeitgefühl scheinbar vollends verloren. "Davy!", schrie der Wärter in meine Richtung, "Du hast Besuch!" Ich glaubte zunächst, mich verhört zu haben. Hatte Inspector Fowler letztendlich doch Caulfield benachrichtigt? Egal, ich würde keine weitere Minute in diesem Rattennest verbringen wollen. Als ich aufstand, knackte mein Kreuz, als würde es gleich auseinanderbrechen. Ein unangenehmer Schmerz durchzog meinen Rücken, doch er verschwand so schnell wie er gekommen war. Mit einem lauten Quietschen öffnete der Wärter die Zellentür. Langsam verließ ich humpelnd meinen Verschlag. Milgram nickte mir ein letztes Mal zu, bevor mich der Constable vor sich aus dem Korridor führte.

Erst jetzt blickte ich mich so richtig auf dem Weg um, zuvor war ich mehr darauf konzentriert gewesen, nicht vor Schmerzen die Treppen hinunter zu stürzen. Die Gänge waren aus altem, verwittertem Backstein. Überall war es feucht und allerlei Pflanzen und Gewächse bedeckten die Wände. Ab und zu hörte ich auch eine Ratte umherstreifen. Alles nicht wirklich einladend. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn ich länger in meiner Gefängniszelle verbracht hätte. Nach einiger Zeit erreichten wir das Verhörzimmer, in welchem ich von Inspector Fowler zuvor verhört wurde. Als ich es betrat, war ich allerdings allein in dem abgedunkelten Raum. Ich blickte den Constable fragend an. "Ihr Besucher scheint sich ein wenig zu verspäten. Er wird sicher gleich kommen.", antwortete er mir in einem rauen Ton. Nun war ich zugegebenermaßen doch etwas nervös. Werde ich gleich wirklich Caulfield gegenüber sitzen?

Ich wartete bestimmt noch 5 Minuten, bis ich plötzlich hinter mir das Öffnen des Schlosses hörte. Eine Person betrat den Raum. Die Schritte waren fest und entschlossen. Sie ging an mir vorbei und setzte sich mir gegenüber an den Tisch, allerdings erkannte ich nur schemenhafte Konturen. Ich wusste nicht, wer mir da gegenüber saß, aber ich konnte eins mit Gewissheit sagen- Robert Caulfield war es nicht.

Während seiner ersten Worte entzündete mein Gegenüber eine Lampe, welche er zuvor auf dem Tisch platziert hatte. Mir fuhr es durch Mark und Bein, als die Stimme der Person vernamm. Das fahle Licht der Laterne offenbarte das Gesicht des Fremden. "So sieht man sich wieder, Mr Davy." Die krächzende und doch bedrohliche Stimme des Mannes, dessen Tod ich mir in der kurzen Zeit doch so oft herbeigewünscht hatte, hallte leicht durch das kleine Zimmer. Mit ernster Miene blickte Crowley mich an. Ich merkte, wie sich mein Puls schlagartig erhöhte- doch ich war nicht im Stande auch nur ein Wort herauszubringen. "Ich weiß, dass ich die letzte Person bin, die sie momentan sehen wollen, Mr Davy.", sagte er ruhig. Angewidert blickte ich in sein eingefallenes Gesicht. "Da haben sie ganz recht, Crowley. Sie haben Laurel getötet. Und ich soll dafür jetzt büßen- ist das ihr genialer Plan? Sie töten die Frau, die ich liebe und schaffen mich damit parallel auch aus dem Weg?", brachte ich wütend heraus. Er blickte mich nur an. Wenn ich es nicht besser gewusste hätte, hätte ich gesagt, dass sich in seinem Gesicht eine Spur von Reue abbildete. "Ich bin nicht hier, um sie zu verhöhnen, James. Ich möchte ihnen mein Beileid ausdrücken. Es tut mir leid, was mit Laurel passiert ist." Ich war sprachlos. Ich verstand nicht recht, was ich gerade gehört hatte. Hatte er sich gerade wirklich entschuldigt? "Ich habe etliche Möglichkeiten durchgespielt, wie der Abend hätte verlaufen können. Wie ich reagieren würde, was sie machen oder sagen würden. Aber das... das habe ich nicht kommen sehen." Er musste schlucken. "Ich weiß, ich bin für sie ein Monster. Und da haben sie bestimmt auch nicht ganz unrecht- aber ich habe auch einen gewissen Sinn für Gerechtigkeit. Und ein solcher Kollateralschaden ist nicht akzeptabel. Sie würde ich ohne zu zögern töten, wenn es mir nützen würde, ohne Frage, aber keine unschuldige Person." Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm glauben konnte. Zumal er einen aufrichtigen Eindruck machte, konnte ich nicht vergessen, wer da gerade vor mir saß. Alleister Crowley. Ein brutaler Manipulator, der über Leichen geht, um das zu bekommen, was er will. "Hatten sie Laurel nicht in Paris in Gefangenschaft genommen und mit ihrem Leben gedroht? Wie könnte ich ihnen auch nur ein Wort glauben?", fragte ich misstrauisch und noch immer angeekelt. Crowley's Miene verzog sich erneut. "Sie war ein Druckmittel und ihr Leben somit in dem Moment von Nutzen. Aber vergangene Nacht... da war sie nur eine Zivilistin. Die den Tod nicht verdient hat." "Und einzig und allein sie haben daran schuld, Crowley!", fiel ich ihm ins Wort. Er blickte mir direkt in die Augen. Die Reue stand ihm nun vollends ins Gesicht geschrieben. "Das habe ich. Und deswegen will ich mich revanchieren. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich den Schmerz, den sie gerade empfinden, nicht einmal im Ansatz irgendwie lindern kann. Aber ich kann ihnen etwas geben, was ihnen womöglich helfen könnte, dass Laurel's Tod nicht komplett umsonst war." "Und das wäre?", fragte ich noch immer misstrauisch und zutiefst abgeneigt von dieser Person. "Antworten- auf ihre Fragen. Ich werde ihnen ein wenig über unsere Organisation erzählen." Ich traute meinen Ohren kaum. Ich schwieg. "Logischerweise werde ich ihnen keine konkreten Informationen geben können, aber genug um sie zumindest ein wenig zufriedenzustellen." "Warum tun sie das?", fragte ich. "Was wollen sie dafür?" "Ich mache das nicht für sie, Davy. Ich mache das für Laurel- um wenigstens ein bisschen Buße zu tun." Ich lehnte mich zurück. Ich traute diesem Mann nicht. "Nun gut, was haben sie zu sagen?" Crowley räusperte sich. Dann begann er zu erzählen.

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