Kapitel 26

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POV Saelind

Die Stadt lag in Schutt und Asche. Um mich herum herrschte völlige Verwüstung, aber die Sonne schien und etwas wie Glück lag über der Stadt. Der Kampf war endlich vorbei. Ein neuer Morgen war angebrochen und die Leute machten sich daran die ersten Steine wegzuräumen und die Stadt zu reinigen. Die ganze Nacht war ich auf den Beinen gewesen, hatte bei der Versorgung der Verwundeten geholfen und mich um die Leute gekümmert, die Freunde oder Familienmitglieder verloren hatten. Jetzt, im Morgengrauen, war ich völlig fertig und wollte mich nur noch hinlegen und schlafen. Ich konnte mich nicht erinnern wann ich das letzte Mal richtig ausgeschlafen hatte, vor drei Tagen, vier oder doch fünf oder sechs? Als ich die Häuser der Heilung verlies, lief mir Pippin über den Weg. Er war weggeschickt worden, weil die Ärzte meinten er stehe nur im Weg rum, während sie Merry verarzteten. Sein Arm war gebrochen, als er seinen Dolch in das Bein des Nazgûl gerammt hatte. Als der kleine Hobbit mich erblickte, leuchte das Licht der Hoffnung in seinen Augen auf, wahrscheinlich hatte er die ganze Zeit hier gewartet um endlich zu seinem Freund zu dürfen. Bevor er etwas sagen konnte, nickte ich ihm schon zu:" Ich denke nun wird niemand etwas dagegen haben. Ich glaube es geht ihm soweit ganz gut, den Umständen entsprechend. Geh ruhig zu ihm." Er strahlte mich an und flitzte blitzschnell an mir vorbei. 

Ich lehnte an einer Wand und säuberte meinen Bogen von dem schwarzen, getrockneten Blut der Orks, als ein Mann mit schulterlangen, rot-blonden Haaren schwungvoll um die Ecke bog und beinahe in mich hineingerannt wäre, wenn ich nicht im letzten Moment einen Satz zur Seite gemacht hätte. "Verzeihung," rief er aus, doch ich winkte ab:" Ist ja nichts passiert." Ich musterte ihn genauer, er war blass, kränklich, aber diese Haare, der Ausdruck in seinen Augen, seine Haltung, es wirkte so vertraut. "Gestattet mir mich vorzustellen," sprach er in diesem Moment und riss mich aus meinen Überlegungen:" Ich bin Faramir, Sohn von Denethor." Da musste ich unwillkürlich lachen, als ich mich an die erste Begegnung mit seinem Bruder erinnerte. Verwirrt sah er mich an und ich erklärte rasch:" Tut mir Leid, ihr erinnert mich nur sehr an euren Bruder." Er riss seine babyblauen Augen auf:" Ihr kanntet Boromir?" "Ja, ich. . ." ich brach ab und senkte traurig den Kopf:" Mein herzliches Beileid, auch zu dem Verlust eures Vaters." Ich hatte seinen Vater nie kennengelernt, aber aus dem was Pippin und Gandalf erzählt hatten, war er ein tyrannischer, selbstverliebter und ungerechter Mann gewesen, aber immer noch sein Vater. Ich lächelte den Mann vor mir aufmunternd an und entschuldigte mich dann, er brauchte wohl etwas Zeit für sich. Eilig schritt ich zum Palast, weil Aragorn besprechen wollte, was wir jetzt tun sollten. Die Niederlage auf dem Pelennor würde den Feind keines Wegs kaltlassen und er würde sicher bald wieder zuschlagen. Während der Sitzung beschlossen wir Mordor anzugreifen. Es würde aussichtslos und sinnlos werden, dass war uns allen bewusst, aber ansonsten würden zehntausend Orks zwischen Frodo und dem Schicksalsberg stehen.

Eines Morgens, nachdem alles geklärt und organisiert war und die Soldaten sich zumindest ein bisschen von der vergangenen Schlacht erholt hatten, brachen wir in voller Kriegsmontur auf. Schweigend ritten wir dahin, jeder in seine eigenen Gedanken versunken, bis vor das schwarze Tor von Mordor. Groß und unheilvoll ragte es über uns auf, eine Mahnung der Gefahren die dort hinter lauern mochten. Aragorn, Gandalf, Gimli, Legolas, Éomer, die Hobbits, ein Bannerträger und ich ließen die Armee zurück und galoppierten die letzten hundert Meter darauf zu. "Lasst den Herrn des Schwarzen Landes herauskommen!" rief unser Anführer laut:" Er soll seine gerechte Strafe erhalten!" Einige Sekunden herrschte totale Stille, dann fing das monströse Gebilde aus Stein an, sich mit einem Grollen zu bewegen. Eine einzelne Gestalt, mit einem Helm der dankenswerterweise den größten Teil seines entsetzlichen Gesichts verhüllte, kam herausgeritten. "Mein Gebieter, Sauron der Große wünscht euch willkommen," sprach Saurons Mund und grinste gespielt freundlich, wobei er seine blutig, gelben Zähne in voller Pracht zeigte. In all meiner Lebenszeit hatte ich nie etwas so Abstoßendes gesehen. Mit einem gehässigen Unterton fuhr er nun fort:" Ist hier einer in diesem Haufen, der ermächtigt ist, mit mir zu verhandeln?" "Wir sind nicht gekommen, um mit Sauron zu verhandeln, dem Treulosen und Verfluchten. Bestelle deinem Herrn dies: Die Streitmächte Mordors müssen sich auflösen. Er selbst hat dieses Land zu verlassen und nie zurückzukehren," verlangte Gandalf mit Entschlossenheit, doch hörte ich das Wissen, dass es nichts bringen würde, daraus hervor. "Ah, der alte Graubart. Ich habe einen Gegenstand, den zu zeigen mir befohlen wurde," er zog ein silbrig-schimmerndes Mithrilhemd hervor und hielt es für alle gut sichtbar hoch. Ich bemühte mich mein Entsetzen nicht zu zeigen, meine Gefühle für mich zu behalten, damit er nicht wusste wie viel Frodo uns bedeutete. Mit breitem Grinsen warf Saurons Mund das Kettenhemd Gandalf zu. "Frodo!" rief Pippin verzweifelt, bevor Gandalf ihn mit einem entschiedenen "Ruhe", zum Schweigen bringen konnte. Doch auch Merry gab nun einen entsetzten Laut von sich. Ich versuchte, dem hinter mir sitzenden Hobbit unauffällig meinen Ellbogen zwischen die Rippen zu bohren, damit er nicht weiter sprach, doch es war bereits zu spät. "Der Halbling war euch teuer, wie ich sehe," sagte der Mund:" Wisst, dass er durch die Hand seines Gastgebers sehr gelitten hat. Wer hätte gedacht, dass jemand, der so klein ist, solche Schmerzen erträgt. Und das hat er, Gandalf, das hat er." Ich wandte den Blick ab, versuchte die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken und meine Gedanken zu klären. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Aragorn an mir vorbeiritt und hörte die herablassende Stimme des Mundes:" Und wer ist das? Isildurs Erbe? Es braucht mehr für einen König, als eine geborstene Elbenklinge." Ein Wutschrei ertönte und der Kopf des Mundes kam in mein Blickfeld gerollt. Ich blickte auf, zu Aragorn, der mit Blutverschmiertem Schwert und verdächtig schimmernden Augen sein Pferd nun wendete und uns ansah:" Ich glaube es nicht. Ich will es nicht glauben." In diesem Moment kamen die ersten Orks durch Tor und eilig zogen wir uns zurück zu unserer Armee. 

Wir nahmen unsere Stellung ein, doch die Soldaten wurden immer unruhiger. "Haltet eure Stellung," befahl Aragorn, der vor uns entlang galoppierte:" Söhne Gondors und Rohans, meine Brüder! In euren Augen sehe ich dieselbe Furcht, die auch mich verzagen ließe: Der Tag mag kommen, da der Mut der Menschen erlischt, da wir unsere Gefährten im Stich lassen und aller Freundschaft Bande bricht. Doch dieser Tag ist noch fern. Die Stunde der Wölfe und zerschmetterter Schilde, da das Zeitalter der Menschen tosend untergeht, doch dieser Tag ist noch fern! Denn heute kämpfen wir! Bei allem, was euch teuer ist auf dieser Erde, sage ich: Haltet stand, Menschen des Westens!" Ich atmete tief durch und spannte meinen ersten Pfeil. Die Orks marschierten weiter aus dem Tor und umzingelten uns. Neben Legolas murmelte Gimli:" Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Seite an Seite mit einem Elb sterbe." "Wie wäre es Seite an Seite mit einem Freund?" fragte der blonde Elb leise. "Ja. Da hätte ich nichts dagegen," murmelte der Zwerg und brachte so etwas wie ein Lächeln zustande. Ich schluckte um den Klos in meinem Hals herum. Es war es wert gewesen, die ganze Reise nur damit diese wunderbare Freundschaft entstehen konnte. 

Wir waren eingeschlossen, nichts rührte sich. Die Stille fühlte sich an, wie das Luftholen vor einem großen Sturm. Und dann flüsterte Aragorn:" Für Frodo!" Und stürmte los. Merry und Pippin folgten ihm als erstes und dann rannten auch alle anderen los. Im Laufen schoss ich bereits mehrere Pfeile auf die Meute aus zehntausend Orks. Es herrschte Chaos überall waren Tote. Die Menschen schlugen sich tapfer, aber für jeden getöteten Ork kamen fünf weitere nach. Eine Hoffnungslosigkeit griff nach meinem Herzen, während ich beobachtete wie die Männer um mich nieder gemetzelt wurden. Was hatte es noch für einen Sinn zu kämpfen, sie würden alle sterben. Frodo war vermutlich bereits tot, der Ring bei Sauron oder auf dem besten Weg dorthin. Ein unmenschliches Kreischen ertönte und die verbliebenen acht Nazgûl stürzten sich auf die schrumpfende Menge der Menschen und nahmen mir damit den letzten Rest an Kampfgeist. Ich stolperte über einen Toten und taumelte. Jeglicher Wunsch sich zu verteidigen, war verpufft. Selbst die unberechenbare Wut, die ich stets verabscheut hatte, die mich im Notfall aber immer am Leben hielt, war fort. Es gab nichts mehr wofür es sich zu kämpfen lohnte. Um mich herum wurde es dunkel und die Ohnmacht drohte mich zu übermannen. Meine rechte Hand fuhr zu der schmalen Silberkette um meinem Hals, die ich seit dem Tag an dem ich sie geschenkt bekam, nicht einmal abgelegt hatte. In meinen Ohren erschall Gesang, der mein Herz berührte und meine Knochen erzittern lies. Die Stimme einer Frau, sanft und doch voll Stärke, eine Stimme die ich seit über tausend Jahren nicht gehört hatte. Mitteinem Mal flutete Hoffnung durch meinen gesamten Körper. Zitternd kam ich auf die Beine, vor meinem inneren Auge strahlte eine Frau im Licht. Wie eine Welle breitete sich das Licht und die Hoffnung um mich herum aus, waberte über angsterfüllte Krieger und lies sie wieder Mut gewinnen. Mit den ersten Tropfen der Hoffnung kamen die Adler und stürzten sich auf die Drachen der Nazgûl. Ich taumelte kurz und ging zu Boden, als ich sah wie Aragorn von einem gigantischen Troll zu Boden gestoßen wurde und meine Finger verloren für einen Moment den Halt an dem kühlen Silber. doch im nächsten Moment ertönte der Gesang erneut, kraftvoller und schöner denn je und ich taumelte weiter, eine hellleuchte Gestalt, die niemand sah, in Mitten der Verzweiflung. Abermals breitete sich die Hoffnung um mich herum aus. Von der Mitte des Feldes wo ich stand, bis in den kleinsten Winkel. Die Ringgeister wurden nach hinten geschleudert und versuchten verzweifelt vor dem Licht zu fliehen, dass nur in der Schattenwelt existierte. Doch die Hoffnung wuchs und breitete sich aus, bis zu drei kleinen Gestalten, die über den Feuern des Schicksalberges miteinander rangen. Die Kraft verlies mich und ich konnte nicht mehr aufrecht stehen. Ein letztes Mal bäumte ich mich verzweifelt auf, bevor ich fiel. Und das letzte was ich sah bevor die Dunkelheit mich umfing war der explodierende Schicksalsberg und der einstürzende Barad-dûr und eine Gestalt mit langen, blonden Haaren, die auf mich zu rannte. Dann verlor ich jegliche Orientierung und es wurde schwarz um mich.      

Die ElbenprinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt