Malen in E-Dur

~18~

Victoria POV

,,Zu viel nachdenken ist wie schaukeln. Man ist zwar beschäftigt, aber kommt kein Stück weiter."

Eine Million Gedanken kreisen in meinem Kopf umher. ,,Felicita ist der Zwilling von Thomas...", ist jedoch der, die den Gedankenwirbel in Fahrt gebracht hat. Wir stehen immer noch in der Küche und starren auf die Tür, durch die Felicita die Flucht ergriffen hat. ,,Wie lange habt ihr euch jetzt nicht gesehen?", fragt Ethan mit ruhiger Stimme. ,,Fast fünf Jahre... sie hat sich so verändert, findet ihr nicht auch. Ich dachte, sie ist noch in der Schweiz und studiert dort. Ich fasse es nicht, dass sie hier war." Thomas ist total geschockt und stammelt vor sich ihn. Dabei scheint er auch zu vergessen, dass wir Felicita vor 5 Jahren nicht gekannt haben....

Er murmelt vor sich hin, bis sich plötzlich Wut in seinem Gesicht abzeichnet. ,,Und du Vitoria, wie konntest du sie einfach mitnehmen ohne eine Warnung. Du wusstest doch, dass ich eine Schwester habe. Wie konntest du sie hier mitnehmen!", schreit mich Thomas an. Ich verstehe es nicht, dass es plötzlich mein Fehler war. Aber ich bin verwirrt und irgendwie fühle ich mich auch verraten, sodass ich nur zurückschreie: ,,Wie sollte ich denn wissen, dass Felicita deine Schwester ist? Du hast mir damals kaum etwas erzählt und hast alles in dich hineingefressen !!!" 

,,...und wie kann es sein, dass ich der einzige bin, der nicht mal wusste, dass Thomas überhaupt Geschwister hat. Was kommt als Nächstes, vielleicht, dass du Vater bist, Thomas?", mischt sich Damiano mit beleidigter Stimme ein.

Ich kann über seinen Witz nicht lachen. ,,Wir sollten uns alle mal beruhigen und die Tatsache darauf lenken, dass Felicita nicht mehr da ist und wenn sie seit fünf Jahren nicht mehr in Rom war, sich leicht verlaufen kann", meint Ethan. Kurz darauf fängt es an zu regnen. Da verstehe ich erst, was Ethan gerade gesagt hat.

Auch Thomas scheint sich wieder auf die Tatsachen zu konzentrieren. ,,Du hast recht. Wir sollten sie suchen gehen. Wahrscheinlich ist sie einfach nach Hause gelaufen. Wenn wir Glück haben, wohnt sie gerade in meinem alten Elternhaus." Verlegen räuspere ich mich. Wie soll ich das bitte erklären? ,,Um genau zu sein, wohnt Felicita gerade bei mir", sage ich. Thomas Kopf dreht sich zu mir. Verwundert schaut er mich an. ,,Wie bitte?" Schnell erkläre ich, wie es dazu kam.

Am Ende umarmt mich Thomas. ,,Danke, dass du das für sie gemacht hast. Dass du für sie da warst, als ich es nicht war", flüstert Thomas mir ins Ohr. ,,Gruppenumarmung!", sagt Damiano spielerisch und legt seine Arme um uns und auch Ethan kommt dazu. Ich bin echt dankbar, dass ich diese Freunde gefunden habe. ,,Wir werden sie schon finden."

Plötzlich durchschneidet mein Klingelton die Stille. Wir lösen uns voneinander. Alberto ruft an. Ich gehe ran. ,,Hallo?", frage ich. ,,Hallo Vic, hier ist Felicita. Es tut mir leid, dass ich einfach weggelaufen bin. Können wir vielleicht später reden?" Ich bin positiv überrascht und erleichtert, dass Felicita nichts zugestoßen ist. Obwohl ich sie am liebsten sofort sehen möchte, kann ich mir denken, mit wem sie reden möchte. ,,Na klar. Ich gebe dich weiter an Thomas." Ein leises Danke höre ich noch, bevor ich Thomas das Handy in die Hand drücke.

,,Hallo?", fragt Thomas leise und geht in Richtung Schlafzimmer. Nach etwa 10 Minuten kommt er zurück. ,,Wir treffen uns in einer viertel Stunde im Park von der Villa Sciarra." Mit diesen Worten geht Thomas aus der Wohnung.