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Felicita P.O.V

Ich summe vor mich hin und schließe die Tür zu unserer Wohnung auf, dann gehe ich in die Küche, um mir erstmal ein Glas Wasser zu holen. Ich bin etwas erschöpft, lehne mich an die Theke, schließe die Augen und denke ein oder zwei Stunden zurück.

~Flashback vor drei Stunden~

Ich bewundere mich im Spiegel. Alessia und Vic haben wirklich gute Arbeit geleistet. Wir haben laut Musik gehört, herumgetanzt, verschiedenen Klamottenkombinationen ausprobiert und uns schließlich gegenseitig geschminkt. ,,Felicita? Kommst du, die anderen warten bestimmt schon", ruft mich Vic. Ich lächel' mir noch einmal im Spiegel zu, dann gehe ich zu Vic, die sich gerade ihren neuen Bass anschaut. ,,Ich wünsche mir so sehr, mit diesem Bass den ESC zu rocken", sagt sie und ich sehe ihre Augen aufgeregt funkeln. Wenn sie nur wüsste, dass sie sogar die Möglichkeit dazu hätte....

Ich umarme Vic von hinten. Sie dreht ihren Kopf zu mir um und küsst mich leicht. Mein Herz klopft schneller in meiner Brust. Ich atme tief Vics Duft ein. Ich löse mich leicht von ihr. ,,Wir sollten zu den anderen gehen", murmel ich ihr ins Haar. Als wir die Terrasse betreten, sehe ich schon, dass Thomas auf der Tanzfläche gelandet ist. Auch Ethan und Damiano entdecke ich, die anderen Gäste kommen mir aber nicht bekannt vor. Es sind Leute in unserem Alter dabei, aber auch aus anderen Altersklassen. Alessia geht auf Damiano zu, der am Grill steht. ,,Topolina! Da bist du ja endlich", erklingt eine Stimme hinter uns. Ich drehe mich um, als Victoria auf die Stimme zu rennt. Sie gehört einem Mann, der sie in den Arm nimmt. Victoria winkt mich zu ihr, da sehe ich, dass der Mann die gleichen Augen wie Vic hat. Wahrscheinlich ist dieser Mann ihr Vater. ,,Ich muss dir jemanden vorstellen....", sagt Vic. ,,Papa, das ist meine Freundin Felicita. Felicita, das ist Christiano, mein Vater", stellt Vic mich vor. Kurz erstarre ich, was, wenn er mich nicht akzeptiert? Schließlich bin ich eine Frau. Meine Eltern würden Vic niemals akzeptieren. Das Lächeln auf Christianos Gesicht beruhigt mich und lässt mich nur etwas verlegen werden. Es ist ein wichtiger Schritt in einer Beziehung, den Partner seiner Familie vorzustellen. Es zeigt nur, dass Vic es ernst meint. Das lässt meine Wangen rot anlaufen. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen. ,,Es ist schön Sie kennenzulernen", begrüße ich ihn. Christiano lacht. ,,Duze mich bitte, sonst fühle ich mich so alt..." Er zwinkert mir zu und nimmt mich vorsichtig in die Arme. Zuerst bin ich wie erstarrt, doch als er dann noch hinzufügt: ,,Willkommen in der Familie" erwidere ich seine Umarmung. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals und meine Augen werden feucht. Wann habe ich das letzte Mal meine Eltern umarmt? Christiano löst sich von mir und ich fange Vic's fragenden Blick ein. Ich schüttel' kurz den Kopf und wische mir eine Träne von der Wange.

Eine Person tritt hinter mich. ,,Christiano, was hast du getan, dass meine Schwester fast weint?", fragt Thomas halb belustigt und halb besorgt. Er legt mir eine Hand auf die Schulter. ,,Schwester? Weinen?", fragt Christiano verwirrt und ich stöhne leicht. Wie soll ich das jetzt bitte erklären?

~Flashback Ende~

Ich habe mich noch nie so willkommen gefühlt. Ich gehe Richtung Schlafzimmer, um mir eine Jacke zu holen. Schließlich trage ich nur ein kurzes Kleid und draußen ist es kälter geworden. Ich will den Raum gerade verlassen, als ich den Brief von vorhin entdecke. Die anderen können doch noch ein bisschen auf ihre Getränke warten....ich drehe das Briefkuvert. Kein Absender, jedoch ist der Brief an eine Leilani Fontana gesendet worden. Moment, das ist meiner Mutter. Na ja, Fontana war ihr Geburtsname. Der Brief ist an meine Mutter gerichtet, bevor sie geheiratet hat. Ich öffne ihn und ziehe ein schönes Briefpapier heraus. Es sieht sehr altmodisch aus. Die Farbe ist hellbraun und in den Ecken befinden sich schwarze Blumenranken. Die Schrift ist leicht geschwungen und sieht wunderschön aus, dennoch erkenne ich sie nicht. Es ist nicht die Schrift von meiner Mutter.

Liebste Leilani,

dein Brief hat mich gestern erreicht und ich weiß nicht wirklich, was ich dir schreiben soll. Dass du schwanger bist, hat mich überrascht und dann auch noch mit Zwillingen. Ich kann kein guter Vater sein und deinen Kindern das geben, was sie verdienen. Gib den beiden einen Kuss von mir und pass gut auf sie auf. Ich werde nächste Woche schon nicht mehr hier in Rom sein. Ich muss weiter ziehen, denn meine Künstlerader lässt einen weiteren Aufenthalt hier nicht zu. Die Leute in Rom sind noch nicht bereit für meine Kunst. Ich hoffe, du verstehst das. Ich bitte dich, nehme das Angebot von deinem Vater an. Heirate Alessandro, auch wenn es mich vor Eifersucht zerreißen wird. Werde glücklich mit ihm und vergesse mich.

Für immer dein Francesco R.

Ich lese mir den Brief immer wieder und wieder durch. Ich drehe ihn und entdecke eine wunderschöne Blume auf der Rückseite. Unter ihr steht: Leilani~ die Blume des Himmels~ das alles nehme ich jedoch kaum wahr. In meinen Ohren rauscht es. Heirate Alessandro...nehme das Angebot von deinem Vater an....schwanger....auch noch mit Zwillingen. Mir wird eiskalt.  ,,Allesandro Raggi ist nicht mein Vater!!!", sage ich tonlos. Ich höre, wie ein Glas auf dem Fußboden zerbricht. Ich kann immer noch nicht glauben, was ich gerade erfahren habe. Er ist nicht mein Vater. Plötzlich verstehe ich, warum Mama immer wütend wurde, wenn ich gemalt habe, weshalb ich nicht Kunst studieren darf. Mein Vater ist Künstler und er hat Mama im Stich gelassen....

Thomas kommt auf mich zu und reißt mir den Brief aus der Hand. Ich will protestieren, aber ich kann nicht. Alles ist starr und selbst das Atmen fällt mir schwer. ,,Francesco R. ist also unser Vater. Wo hast du diesen Brief her?", will Thomas wissen. Ich kann ihn nur still ansehen und den Kopf schütteln. ,,Mein Gott.... Felicita antworte mir endlich. Ich suche schon gefühlt seit Jahren, nach weiteren Hinweisen, wer mein Vater ist. Nun sag schon, weißt du, wer Francesco R. ist?", fragt Thomas ungeduldig. Ich kann ihn aber nur weiter anstarren. Zu erfahren, dass mein Vater eigentlich gar nicht mein Vater ist, ist schon nicht zu fassen, aber dann noch zu erkennen, dass dein Zwilling davon wusste....ist schlicht weg schockierend. ,,Unser Vater.... Francesco R. ist unser Vater", flüstere ich noch, dann wird mir schwarz vor Augen.



Malen in E-DurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt