~ 45 ~

50 3 0
                                    

Felicita P.O.V

Ich kann nicht glauben, was Victoria gemacht hat. Ich wollte mich entschuldigen und alles klarstellen, aber irgendwie haben mir die Worte gefehlt. Doch Victoria hat kein Recht, mich einfach wegzuschicken. Ich spüre die Hände des Bodyguards an meinen Armen. Er drängt mich bestimmt zum Ausgang. ,,Hilfe, Security! Hier ist ein durchgeknallter Fan", höre ich Vics Stimme immer noch in meinen Kopf. Der muskelbepackte Mann öffnet das Absperrband und gibt mir einen leichten Stoß, damit ich hinter der Absperrung stehe. Der Security geht wieder und ich höre noch, wie er in sein Mikro spricht, dass man hier etwas Verstärkung braucht bzw. einen Wachposten. Kopfschüttelnd gehe ich um die nächste Ecke. Ich kann es nicht glauben, was gerade passiert ist. Hätte ich nicht den Schmerz in Vics Augen gesehen, wäre ich sauer auf sie.

,,Felicita? Hat es nicht geklappt?", fragt Alessia. Sie kommt geradewegs auf mich zu, in ihrer Hand hält sie die Leinen von Toto und Chili. Schnell erzähle ich ihr, was gerade passiert ist. ,,Oh, oh.... Vic geht es ja gar nicht gut. Wir müssen etwas machen. Mit diesem ganzen gebrochenen Herzen Vibe kann sie nie im Leben den ESC gewinnen" Ich nicke ihr zu, aber weiß selbst nicht, was ich machen kann.

Toto jault etwas und schaut mich fragend an. Er vermisst Vic bestimmt genauso viel wie ich. Wenn ich es doch nur schaffe, unbemerkt zu ihr zu kommen....plötzlich habe ich eine Idee.

,,Alessia, kannst du es schaffen, die Security dort vorne abzulenken, damit ich unbemerkt an ihm vorbeikomme?" Nachdenklich sieht Alessia mich an, um dann selbstbewusst zu erwidern: ,,Klar, ich kriege das auf jeden Fall hin" Sie zieht ihren Haargummi aus den Haaren, kramt in ihrer Tasche, holt einen Lippenstift heraus und zieht ihre Lippen nach. ,, Isch glaube, isch 'abe mich verlaufen...isch 'abe les toilettes nischt gefunden. 'ier sind sie nischt, non?", fragt mich Alessia mit einem starken französischen Akzent. Sie schaut mich verführerisch an und lässt ihre Augenlider flattern. Ich kann sie nur mit offenem Mund anstarren. ,,Also wenn das nicht funktioniert, weiß ich auch nicht weiter."

Alessia geht mit schwingenden Hüften um die Ecke. Ich warte einige Minuten ab, dann folge ich ihr. ,,Ab'er non, isch kann meine Lieblinge nischt draußen lassen", zetert Alessia. Sie hat es geschafft, dass der Security sich mit dem Rücken zu mir gedreht hat. Toto und Chili gehen auch voll in der Schauspielerei auf. Die beiden haben sich vor den Mann gesetzt und schauen ihn traurig an. Schnell schlüpfe ich unter der Absperrung durch und fange an zu rennen.

Ich bin schon außer Atem, als ich Vics Stimme wahr nehme. ,,Wisst ihr eigentlich, was für ein erbarmungsloses Paket ihr abgebt? Hallo, wir sind Maneskin, eine der besten Bands in Italien, wir haben schon fast zwei Alben rausgebracht, haben es geschafft hier herzukommen und jetzt wickeln wir das Publikum mit unserer Musik um den Finger. Nebenbei sollten wir auch daran denken, den Pokal zu gewinnen, aber das ist nebensächlich.... Europa wird heute Abend unseren Namen kennen! Nebenbei muss ich sagen, hat Alessia gesagt, dass wir nicht zurückkommen können ohne diesen Pokal", ruft Vic. Sie scheint voller Tatendrang und als ich um die Ecke biege, sehe ich, dass die anderen lächeln. ,,Na, wenn das so ist, müssen wir wohl gewinnen, damit wir wegen Alessia nicht ins Exil müssen", sagt Damiano amüsiert. Unsere Blicke kreuzen sich und seine Augen weiten sich. Ich räuspere mich und Vic fährt zu mir herum.

Bevor sie irgendwas sagen kann, purzeln mir die Worte aus dem Mund. Ich erzähle ihr alles von Anfang an. Wie ich es hier hergeschafft habe und warum ich ihr nicht erzählt habe, dass ich scheinverlobt war. Am Ende schaue ich sie einfach nur an. Vic erwidert meinen Blick und ich sehe, dass ich sie immer noch nicht überzeugt habe. ,,Ich will ja nicht stören, aber wir müssen los", unterbricht Damiano diesen Augenblick. Verzweiflung steigt in mir auf. Nein, das darf nicht sein. Die Worte, die ich so lange schon gedacht habe, aber nicht ausgesprochen habe, fallen mir plötzlich so leicht.

,,Ich liebe dich"

,,Ich liebe dich", wiederhole ich und schaue tief in ihre Augen, danach halte ich den Atme an. Plötzlich fühle ich mich etwas leichter, da ich ihr endlich das gesagt habe, was mir seit ich im Krankenhaus aufgewacht bin, durch den Kopf schwebt. Ich warte auf Vic's Antwort. Sie schaut mich an und ich sehe, dass sie etwas geschockt ist. Ich halte den Atem an.....sag was. ,,Sag etwas", schreit eine Stimme in meinem Kopf. Habe ich mich geirrt? Habe ich sie so sehr verletzt, dass sie mir nicht mehr verzeihen kann? ,,Maneskin. Auf die Bühne in drei, zwei, eins, jetzt....." Vic wird mitgezogen. Sie dreht sich immer wieder zu mir um. Sie sieht etwas verzweifelt aus. Plötzlich reißt sie sich los und rennt auf mich zu, ich komme ihr entgegen. Sie stoppt kurz vor mir und unsere Lippen treffen sich für einen kurzen Augenblick. Mein Herz hört auf zu schlagen, dann ist der Augenblick auch schon wieder vorbei. Vic dreht sich um und betritt die Bühne.

Ich streiche mit der Hand über meine Lippen und weiß, dass ich nichts mehr zu befürchten habe. Musik erklingt und ich werde zur Seite geschoben. Techniker laufen hinter der Bühne hin und her. Es sieht von außen aus wie ein riesiges Chaos, aber wenn man genauer hinschaut, sind die Abläufe perfekt aufeinander abgestimmt. Da erinnere ich mich wieder, was für ein Auftritt Maneskin gerade hat. Meine Freunde sind dabei, die Bühne des Eurovision Song Contest zu rocken. Ich sehe, wie jeder von ihnen alles gibt. Ethans Harre fliegen wild um ihn herum. Thomas und Vic spielen, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Damiano.....ja Damiano ist einfach Damiano. Rockig, selbstbewusst und mit seiner wahnsinnigen Stimme wickelt er das Publikum und hoffentlich auch die Jury um den Finger. Die Leute jubeln und Lichtblitze zucken über die Bühne. Aufgeregt springe ich auf und ab. Meine Bewegungen scheint Vic auf mich aufmerksam zu machen und unsere Blicke verhaken sich. Sie grinst glücklich....

 ~ fünf Stunden später ~

Ich schaue Vic lächelnd an. Wir schlendern gemeinsam am Pier herum. Ich genieße die klare Luft, denn in der Halle war es richtig stickig gewesen. Es sind unsere letzten Stunden in Rotterdam. ,,Lass uns endlich nach Hause gehen", sage ich und muss lächeln. Nach Hause. Vor ein paar Monaten war das für mich noch das Internat in der Schweiz gewesen, jetzt ist es die Wohnung von Victoria und mir. Überhaupt ist zu Hause dort, wo sie sich befindet.


Malen in E-DurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt