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Victoria P.O.V

Meine Augen sind rot und aufgequollen von den vielen Tränen, die ich nachts nicht aufhalten konnte. In den letzten Tagen habe ich die Wohnung nicht verlassen. Als ich nach Hause gekommen bin, saß Alessia vor meiner Tür. Ihre Reaktion auf mein Aussehen war eine Umarmung und das Versprechen gleich wiederzukommen, mit vier Bechern Schokoladeneis. Wir haben viel geredet und obwohl ich Alessia echt lieb habe, konnte ich es ihr nicht erzählen. Als sie nachgefragt hat, bin ich wieder in Tränen ausgebrochen, worauf sie nur erwidert hat: ,,Ich bringe sie um, wenn ich sie das nächste Mal sehe..."

Doch nach zwei Tagen, in denen ich mich ausruhen konnte, holt mich das reale Leben wieder ein. Ich öffne meine Augen und muss stark blinzeln, irgendwer hat die Vorhänge geöffnet und mit irgendwer meine ich Alessia. Ich muss stöhnen und ziehe mir die Decke über den Kopf. ,,Nichts da. Heute ist der Tag, an dem dein neues Leben beginnt", sagt meine teuflische Freundin mit ihrer Sing-Sang Stimme. Sie zieht mir die Decke vom Kopf und schaltet das Radio ein, das sich in meinem Schlafzimmer befindet. Eigentlich ist es immer stumm, da ich die Musik, die sich gerade in den Charts befindet, nicht ausstehen kann. Leider weiß das Alessia auch, weshalb sie nur lacht, als ich mir die Ohren zuhalte. Ich quäle mich aus dem Bett und gehe in die Küche, um gemeinsam zu Frühstücken.

Nachdem das erledigt ist, gehen wir gemeinsam in das Schlafzimmer, um meinen Koffer zu packen. ,,Was macht ihr denn eigentlich in Rotterdam? Oder anders gefragt, was für Klamotten brauchst du?", fragt Alessia und bevor ich antworten kann, spricht sie schon weiter. ,,Warte ich google es einfach mal.... Rotterdam ist eine Hafenstadt in der niederländischen Provinz Südholland. Mit der Ausstellung alter, bla,bla,bla. Schiffsmuseen, nein danke. Vielleicht wenn ich 30 Jahre älter bin" Sie sucht weiter. ,,Hey, Schiffsmuseen anzuschauen ist bestimmt interessant", verteidige ich die Stadt. Alessia schaut mich nur mit diesem ,,das ist jetzt nicht dein Ernst" Blick an. Ich seufzte und fange schon mal an, Unterwäsche einzupacken. ,,Das klingt doch schon verlockender.... Rotterdam ist eine trendy Ausgehstadt, eine schicke Einkaufsstadt und hippe Künstlerstadt. Damit können wir arbeiten. Erstmal ein paar Basics. Fünf Blazer mit passender Hose, wie auch vier Crop Tops, deine Lederjacke und was auf keinen Fall fehlen darf, sind deine Stiefel mit den Absätzen. Die kann man super zu diesem Jumpsuit mit den bunten Streifen kombinieren"Alessia hat das besagte Kleidungsstück in der Hand. Ich nicke und packe den Rest in den Koffer. ,,Habe fast alles. Die Schuhe, von denen du gesprochen hast, kann ich leider nicht mitnehmen. Ich habe sie Damiano gestern geliehen" Alessia fährt zu mir herum und schaut mich ungläubig an. ,,Ich frage mich gerade, was mich mehr schockieren sollte, dass Damiano auf fünf Zentimeter Absätzen laufen kann oder dass er die gleiche Schuhgröße wie du hat" Ich muss schmunzeln. Für mich ist es nichts Besonderes mehr, dass Damiano sich meine Schuhe leiht. Er hat einfach kleine Füße oder ich große. Ich denke, es ist eine Frage der Perspektive. ,,Ich werde ihm schreiben, dass er dir diese Schuhe sofort zurückgeben soll, denn ohne denen kannst du nicht zum ESC", sagt sie und geht aus dem Zimmer. Verwirrt schaue ich ihr hinterher. Woher hat Alessia Damianos Nummer?

Nachdem der Koffer gepackt ist, und ich noch einige meiner Lieblingsteile mitgenommen habe, stehe ich auf der Terrasse und atme tief ein. ,,Ich wünsche dir viel Glück. Ihr schafft das schon und mache dir nicht so viele Gedanken. Und komm erst wieder, wenn ihr diesen Preis gewonnen habt", feuert mich Alessia an. Ein warmes Gefühl steigt in meiner Brust auf und mein Magen kribbelt vor Vorfreude.

Am Flughafen treffe ich auf Damiano. Er umarmt mich. ,,Thomas hat schon erzählt, was passiert ist", flüstert er mir ins Ohr. Ich versteife mich. Was hat Thomas den anderen erzählt? Die Wahrheit oder eine Lüge? Das gute Gefühl von heute Morgen ist verschwunden. Der Klos in meinem Hals ist wieder da und ich würde am liebsten wieder anfangen zu heulen. Wegen Felicita bin ich hier hergekommen und jetzt ist sie nicht da. Sie liegt bestimmt im Krankenhaus und an ihrer Seite ihr Verlobter. Ich lache bitter. Als ich sehe, dass Ethan mit Thomas auf uns zukommt, nehme ich meinen Koffer und gehe Richtung Check-in. ,,Victoria warte!", ruft mir einer der Jungs hinterher, ich jedoch drehe mich nicht um.

Obwohl ich eigentlich nervös und aufgeregt sein sollte, spüre ich nichts. Wir sind vor etwa einer Stunde in das Flugzeug gestiegen. Ich habe mir einen Platz am Fenster ausgesucht und die anderen nicht mehr angesehen. Neben mir sitzt Damiano und wirft mir immer mal wieder besorgte Blicke rüber. Ich trage eine schwarze und schlichte Sonnenbrille, wie auch mein bestes Gammeloutfit. Das besteht aus einem schwarzen oversized Pullover, einer schwarzen Jogginghose und einem Messy Zopf. Ich würde ja Messy Bun sagen, aber bei der Haarlänge eines Bobs ist nur ein kleiner Messy Zopf möglich. Ich habe mich komplett abgeschottet, indem ich meine Kopfhörer, seit ich das Flugzeug betreten habe, nicht mehr abgenommen habe. Dennoch haben meine Ohren auf Durchzug geschaltet und ich höre nichts von der Musik.

Thomas habe ich seit unserem Streit mit keinem Blick gewürdigt. Ich starre aus dem kleinen Fenster. Der Himmel ist blau und die Sonne strahlt. Plötzlich zupft mir jemand meine Kopfhörer aus den Ohren. Damiano! Wütend fahre ich herum und erstarre. Neben mir sitzt nicht wie erwartet Damiano, sondern Thomas. Wut wallt in mir auf, aber ich drücke sie herunter, um mein Pokerface zu erhalten. ,,Ich weiß, dass du wütend auf mich bist und ich kann das verstehen. Schließlich fällt seine Freundin nicht alle Tage in Ohnmacht, aber ich möchte nochmal sagen, dass dieser Matteo nicht echt ist. Felicita hat diese nicht reale Person nur genutzt, um sich ihren Traum zu erfüllen. Sie wollte malen und unsere Mutter hat das einfach nicht akzeptiert. Sie hat mir das alles selbst erzählt. Und es tut mir leid, dass ich es dir nicht gesagt habe, aber Felicita wollte es dir selbst erzählen" ,,War das alles?", frage ich emotionslos. Ich lasse es so klingen, als wäre mir das alles egal, aber mein Herz schreit. Es klammert sich an den Hoffnungsschimmer. Ich möchte Thomas glauben, aber ich habe das Bild doch gesehen.

Thomas sieht mich enttäuscht an. ,,Felicita ist gestern aufgewacht und ihr geht es körperlich wieder gut. Ich dachte, dass du das vielleicht wissen willst", sagt er leise. Ich reiße ihm mein Kopfhörer aus der Hand und drehe mich zum Fenster. Felicita geht es wieder gut. Erleichtert atme ich aus.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Thomas mit Damiano spricht und den Kopf schüttelt. Damiano schaut mich ernst an und ich weiß, dass er das alles für mich absagen würde. Will ich überhaupt noch am ESC teilnehmen? Wenn ja, muss ich mich mit Thomas vertragen, denn unser Streit schadet dem Bandklima. Und wenn ich so darüber nachdenke. Was hat Thomas eigentlich gemacht? Klar, er hat mir etwas nicht erzählt, was wichtig für mich gewesen wäre, aber trotzdem. Er ist mein Freund seit der Schulzeit. Ich verspreche mir, später nochmal darüber nachzudenken, lehne meinen Kopf an die Fensterscheibe und schließe die Augen. Nur wenige Sekunden später bin ich kurz davor einzuschlafen...

Malen in E-DurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt