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Victoria POV

,,Du warst mein Traum, aber jeder wacht mal auf"

Und da liegt sie. Auf den blütenweißen Laken. Ihre Lider sind geschlossen und verdecken das einzigartige fliederlila ihrer Iris. Wir sind sofort zu ihr ins Krankenhaus gefahren. Wir durften nicht gleich zu ihr, da ihre Kopfverletzung genäht werden musste, aber ich habe gewartet. Ich bin immer noch etwas geschockt, aber ich konnte mich etwas beruhigen. ,,Die Besucherzeit ist in etwa 20 Minuten zu Ende. Wir bitten Sie, dann zu gehen. Die Patientin braucht noch Ruhe", sagt die Krankenschwester zu mir. Ich nicke und setze mich neben Felicita und berühre sie am Arm. ,,Was machst du nur für Sachen? Wirst einfach ohnmächtig und das auch noch an meinem Geburtstag." Sie bleibt stumm, nur ihre Brust hebt und senkt sich leicht. Ich küsse sie leicht auf ihre Lippen, mit der naiven Hoffnung, dass sie wie Dornröschen plötzlich die Augen öffnet. Nichts passiert...

Seufzend nehme ich Felicitas Hand in meine und male mit meinem Daumen leichte Kreise darauf. Plötzlich wird die Tür aufgestoßen. Ich schrecke auf. ,,Ja, ich denke, ich habe es verstanden, dass nur eine Person zu meiner Tochter kann. Also lassen sie mich durch, wer auch immer gerade da ist, soll gehen", keift eine Frau, die anscheinend Felicitas Mutter ist. Ihr Blick fällt auf mich und durchbohrt mich. Wenn ich mir vorstelle, was ich für ein Bild abgebe, finde ich ihre Reaktion auf mich nicht sonderbar. Meine Augen sind bestimmt rot und mein Make-up hat sich verabschiedet. Meine Kleidung ist zerknittert und die Strickjacke, die ich mir übergeworfen habe, passt nicht zu dem viel zu kurzen Kleid. ,,Wer sind sie?", fragt die Frau mich und ich erhebe mich, um mich vorzustellen. ,,Ich bin Victoria de Angelis. Ich bin die Freundin von Felicita. Sie ist heute plötzlich in Ohnmacht gefallen und wir haben natürlich sofort den Rettungswagen gerufen", stelle ich mich vor und halte meine Hand hin, damit sie sie schütteln kann. Misstrauisch schaut die Frau zwischen mir und meiner Hand hin und her. Schließlich drückt sie leicht meine Hand. ,,Merkwürdig. Felicita hat mir gar nicht erzählt, dass sie eine neue Freundin kennengelernt hat. Ist ja auch egal. Wie du sicher verstehst, musst du gehen. Es darf nur eine Person hier bleiben und ich denke, wer das sein wird, ist klar." Warte, hat diese Frau mich gerade rausgeschmissen? Und wieso hat Felicita ihrer Mutter nichts von mir erzählt? ,,Ich denke, Sie verstehen nicht, ich bin nicht eine Freundin von Felicita, sondern ihre feste Freundin. Wir sind seit etwa zwei Monaten zusammen", stelle ich klar.

Ihre Mutter schaut mich erstaunt an, um dann aus dem Nichts anzufangen zu lachen. Irgendetwas läuft hier gerade gewaltig schief. ,,Was ist daran so witzig?", frage ich zögernd. Mein Bauchgefühl sagt mir jedoch, dass ich die Antwort auf meine Frage nicht hören möchte. ,,Na gut Schätzchen, wie soll ich dir das am besten sagen? Meine Tochter kann nicht mit dir zusammen sein, denn sie ist verlobt mit Matteo Ricci, der nebenbei nicht nur ein gutaussehender Mann ist, sondern auch sehr einflussreich. Ich stelle mir also die Frage, was soll Felicita mit einer Lesbe wie dir?" ,,Nein, das kann nicht sein. Felicita wohnt seit drei Monaten in unserer gemeinsamen Wohnung. Wir haben so viel Zeit zusammen verbracht, waren gemeinsam im Urlaub, ich hätte es gemerkt, wenn da jemand anderer gewesen wäre", protestiere ich. ,,Gemeinsamer Urlaub.....oh, um Himmelswillen. Wer auch immer du glaubtest zu sein, lass uns in Ruhe und hör auf dir irgendwelche verrückten Geschichten auszudenken. Schau dich nur an, was sollte meine Tochter von dir wollen? Und falls du es nicht glauben willst, hier ist ein Foto von den beiden."

Hört man sein Herz, wenn es zerbricht? Wenn es splittert und sich diese Splitter in deinen Körper bohren, sodass es schmerzt. Ich würde mich wundern, wenn nicht. In meinen Ohren rauscht es und meine Sicht verschwimmt, als ich erblicke, was sich auf dem Handy befindet. Auf dem Handy, das mir Felicitas Mutter zeigt, ist eine glückliche Felicita zu sehen, die von einem gutaussehenden Mann umarmt wird. Ich strecke meine Hand nach diesem Bild aus, um sie zu berühren, vielleicht um zu testen, ob das alles nur eine Illusion ist, die zu Staub zerfällt, wenn ich sie berühre. Eine Träne löst sich und kullert mir übers Gesicht. Schnell wische ich sie weg. Du bist stark Victoria, mache ich mir selber Mut, aber wem mache ich etwas vor? Ich möchte mir einfach nicht die Blöße vor Felicitas Mutter geben und anfangen zu heulen. ,,Was machst du dann noch hier? Geh' jetzt und halte dich von meiner Tochter fern", keift diese Frau mich wieder an. Ich drehe mich um und verlasse den Raum. Im gehen stoße ich jemanden an, der mich wüst beschimpft. Das Letzte, was ich mitbekomme, sind einzelne Gesprächsfetzen. ,,Darling, wer war das?" ,,Ach dieses Mädchen ist niemand, nur eine dieser Verrückten, die für gleichgeschlechtige Ehe und so einen Mist sind" ,,Na toll. Jetzt ist ihre Mutter auch noch homophob", schleicht mir ein Gedanke in den Kopf, bis ich mich wieder auf die Tatsache konzentriere, was ich gerade erfahren habe.

Felicita ist verlobt. Sie liebt mich nicht. Ich setzte mich auf eine Bankreihe. Merkwürdigerweise ist mir plötzlich kalt. Ich höre die Geräusche gedämpft, wie durch Watte. ,,Vic. Victoria?", höre ich eine Stimme, die mir bekannt vorkommt. Ich erkenne Thomas, der mich besorgt mustert. In seinen Händen befinden sich zwei Kaffeebecher. ,,Ist alles okay? Ist irgendwas mit Felicita?", fragt Thomas panisch. Ich schüttel' den Kopf, dennoch reagiert mein Körper auf ihren Namen. Die Tränen, die ich vorhin so mühsam heruntergeschluckt habe, brechen hervor, schwappen über mein Gesicht. Laute Schluchzer schütteln meinen Körper. Zwei Arme schlingen sich um mich und mir steigt Thomas Geruch in die Nase. Nach einer Weile löse ich mich von ihm. ,,Sie ist verlobt...", flüstere ich. ,,Felicita ist verlobt mit jemand anderen", wiederhole ich mich. Ich blicke in Thomas Augen und sehe Mitgefühl darin und ein schlechtes Gewissen, der Schock fehlt. Wieso ist er nicht geschockt, so wie ich es bin? Und wieso hat Thomas ein schlechtes Gewissen? Das kann nur bedeuten, dass ......

,,Du wusstest davon? Du wusstest, dass sie verlobt ist?" Wut steigt in mir auf und ich werde immer lauter, bis ich ihn schließlich anschreie. Ich löse mich von ihm. Thomas weicht meinem Blick aus und das zeigt alles, was ich wissen wollte. ,,Du wusstest, dass sie verlobt ist und hast keinen Ton zu mir gesagt?", schreie ich ihn unter Tränen weiter an. Im Augenwinkel sehe ich wie eine Krankenschwester sich zu uns umdreht, jedoch ist mir das egal.

Thomas Mund öffnet sich und schließt sich wieder. Er sieht aus wie ein Fisch auf dem Trockenen. ,,Weißt du, wie schlimm es ist, deine Freundin zu sehen, die an deinem Geburtstag ohnmächtig wird, sich auf den Kopf verletzt und in die Klinik muss?  Und ob das noch nicht genug ist, begegne ich ihren Eltern. Die haben erstens nichts von mir gewusst, zweitens, was viel schlimmer ist, mich eine verrückte Lesbe genannt. Erklären mir, dass ich mich irre, da ihre Tochter, Felicita Raggi verlobt ist mit....", ich schluchze so stark, dass man mich nicht mehr versteht. ,, mit....mit Matteo Ricci. Einem Mann!" Mein Herz schmerzt, aber die Wut ist größer. Ich bin nicht mehr geschockt, sondern nur noch wütend und verletzt.

Und ich habe panische Angst. Um Felicita. Auch wenn es verrückt ist, ich habe ihr mein Herz geschenkt. Und jetzt habe ich panische Angst um sie, da sie immer noch bewusstlos in diesem Krankenzimmer liegt.

,,Das ist alles gar nicht so wie es aussieht", erklärt Thomas mir. Ich muss bitter lachen. ,,Ach ja, dann erkläre mir mal, was hier wirklich los ist...", sage ich. ,,Ich habe Fee eigentlich versprochen, dass ich es dir nicht erzähle, aber das hier ist schließlich ein Sonderfall. Matteo Ricci existiert gar nicht, sie hat ihn nur benutzt, um hier in Rom Kunst studieren zu können, da unsere lieben Eltern ihr das nicht erlauben", erklärt er. ,,Natürlich....", antworte ich wütend. ,,Erzählst du mir als nächstes, dass du mit dem Weihnachtsmann verwandt bist?", frage ich sarkastisch. Wie kann er nur glauben, dass ich ihm diese Geschichte abkaufe? Ich habe dieses Foto mit eigenen Augen gesehen. Aber was, wenn Thomas recht hat, flüstert eine kleine Stimme in meinem Kopf. Nein, Schluss jetzt. Ich habe dieses Bild gesehen. ,,Ich dachte wirklich wir wären Freunde, aber Blut ist wohl dicker als Wasser. Ich gehe jetzt und möchte dich in den nächsten Tagen nicht sehen", verabschiede ich mich.

Ich lasse das Krankenhaus hinter mir und rufe mir ein Taxi. Eigentlich finde ich es bescheuert Geld für ein Taxi auszugeben, wenn man mit der Bahn viel schneller seine Ziele erreicht. Aber an beschissenen Tagen ist sowas erlaubt.

Malen in E-DurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt