Kapitel 50 - Teil 2 -

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Die Rührung, die Francesco über ihre süßen Worte empfand, war so groß, dass es ihm schwer fiel, sie zu ertragen. Seine Hand legte sich auf ihre, genießerisch schloss er die Augen und liebte die Wärme ihrer Berührung. Kurz danach öffnete er wieder die Augen und sah sie mit all seiner Liebe zu ihr an. „Trotz des Wissens, dass du nicht mehr normal leben kannst? Dass du deine Familie nie wiedersehen wirst? Und dein Beruf aufgeben musst, um bei mir zu bleiben?" Er wollte zwar nicht, dass sie ihr ganzes menschliches Dasein aufgeben musste, doch er musste sie retten: denn ein zweites Mal sie zu verlieren hätte er nicht verkraftet.

Langsam nickte Ariana. „Ich weiß. Es wird mir schwer fallen, all das aufzugeben. Vor allem meine Familie liegt mir sehr am Herzen, Francesco", flüsterte sie. Irgendwie musste es möglich sein, sie wiederzusehen. Jetzt, nachdem sie keine beste Freundin mehr hatte, würde sie wohl auch nicht mehr nach Marseille zurückkehren. Das Wissen, dass Manon sie hasste, belastete sie noch mehr. „Gibt es keine Möglichkeit, meine Familie eines Tages wiederzusehen? Hast du Manon informiert?"

Lange verweilten seine stahlblauen Augen auf ihren. „Deine Familie wirst du bestimmt in diesem Jahrzehnt nochmal wiedersehen, doch wäre es dann dein letzter offizieller Besuch bei ihnen. Und was Manon angeht, sie hat von deinem Unfall gehört und glaubt, du seist tot." Diese Lüge ihr am Telefon zu erzählen fiel selbst ihm schwer, doch da seine Sorge um Ariana mächtig stark war, konnte er Manon so vortäuschen, dass ihre ehemals beste Freundin wirklich tot war.

Also glaubte Manon, sie würde nicht mehr leben. Vielleicht war das ein Vorteil. Nicht, weil sie ihre Schuldgefühle einreden wollte, sondern dass Manon ihr Leben ab jetzt so leben konnte, wie sie wollte. „Wie soll ich denn meinen Eltern unter die Augen treten?", fragte Ariana vorsichtig. Ganz sicher wussten sie ebenfalls, dass sie nicht mehr lebte.

„Es ist entscheidend, ob sie bereits bescheid wissen oder nicht: also, dass du für die sterbliche Welt jetzt nicht mehr am Leben bist", sagte er und hob seine Hand an ihrer Wange. „Wir müssen erst herauskriegen, ob sie es bereits erfahren haben, nur so können wir sehen, wie es weitergeht." Der Daumen strich Ariana zärtlich über die Wange und Francesco versuchte alles, um ihr zu klar zu machen, dass sie möglicherweise niemand von ihrer Familie je wiedersehen würde.

Das verstand sie sogar, auch wenn es ihr schwerfiel. Auf manche Leute konnte sie verzichten, doch nicht auf ihre Familie. Sollten sie noch nicht Bescheid wissen, konnte sie diese besuchen. Wenn nicht ... nicht auszudenken, wie ihre Eltern trauern würden. Ganz sicher würden sie sogar nach Rom fliegen, um ihr Grab zu besuchen. Was, wenn sie Ariana dann quicklebendig zu Gesicht bekamen?

Sanft wurde ihr komplettes Gesicht umfasst, damit sie zu ihm hochblicken konnte. „Mache dir nicht zu viele Gedanken darum. Zuerst einmal musst du dich an dein neues Leben gewöhnen, damit der Außenwelt nichts passiert. Und Schritt 1 ist folgendes: Deinen Durst unter Kontrolle zu halten." Und mit diesen Worten ließ er eine Hand zu seinem Hals wandern, um sich dort selber einen kleinen Schnitt zuzufügen. Ein Tropfen Blut quoll aus der zugefügten Wunde und lief ihm langsam dem Hals herab.

Sofort meldete sich Arianas Gaumen mit einem brennenden Kitzeln. Ihr Verlangen wurde größer und unhaltbar, während ihre Augen den Tropfen verfolgte. Allerdings rührte sie sich nicht, obwohl ihr Kopf danach schrie. Alles, was sie tat, war ihre Hand an seinen Hals zu legen, um den Tropfen nicht mehr zu sehen. Es war eine Qual, die sie so nicht aushielt.

„Unterdrücke deinen Durst nicht, Ariana", bat er sanft und umfasste ihr Handgelenk, damit er ihre Hand fortschieben konnte, „Tu, was du tun musst." Das Tröpfchen Blut trat aus der Wunde und glänzte wie ein funkelndes Juwel, der dazu verlockte, ihn zu kosten.

„Francesco, nein!", protestierte Ariana schwach mit abgewandten Blick. Wollte er tatsächlich, dass sie sich an ihm labte? Ihm weh tat, nur, damit ihr Hunger gestillt war? Wie er sich das überhaupt vorstellte, war ihr schleierhaft! Ein Biss war ganz sicher nicht angenehm und sie als Ungeübte konnte vielleicht Schaden anrichten.

Der Hunger nach Dir [Luna Rossa - Reihe Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt