KAPITEL 23

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V E R E N A

Man sagt, dass das Leben an einem vorbeiziehen soll, wenn man stirbt. Ich habe ewig auf diesen Moment gewartet, habe mich darauf eingestellt die Höhen und Tiefen und vor allem meine Liebsten noch einmal vor Augen zu sehen, aber es ist nichts passiert.

Stattdessen spüre ich einen eisernen Schmerz unterhalb meines linken Auges; ein Schmerz, der sekündlich schlimmer zu werden scheint.

Man sagt auch, dass man ab einem bestimmen Punkt nichts mehr spürt und alle Schmerzen verrauchen, doch auch dies entspricht nicht der Wahrheit und ich beginne mich zu fragen, ob alles über den Tod auf einer einzigen Lüge basiert.

Ich habe schon nach dem ersten Schnitt aufgegeben ihn anzuflehen mich zu verschonen, weil er es sowieso nicht tun wird.

Harry Styles ist ein Psychopath und ich bin ihm restlos ausgeliefert, habe keine Chance hier lebend herauszukommen.

Bei diesen Gedanken möchte ich einfach nur schreien, aber aus meinem Mund kommen keine Geräusche.

Tränen bilden sich in meinen noch unversehrten Augenwinkeln und ich versuche mich zu beruhigen und meinen Atem auf einem einigermaßen normalen Level zu halten. Durch meine Adern fließt das bloße Adrenalin, gemischt mit einem Hauch von Todesangst.

Niemals habe ich mir vorgestellt, die Welt so bald und noch dazu auf diese unnatürliche Weise zu verlassen. Ich habe mir immer gewünscht irgendwann einmal eine eigene Familie zu gründen und anderen Menschen mit ihren Problemen zu helfen. Ich wollte ein guter Mensch sein, der es geschafft hat, etwas Markantes zu bewirken.

Auf einmal vernehme ich ein schrilles Klingeln in meinen Ohren, welches mich aus meinen moralischen Gedanken reißt.

Der braunhaarige Lockenkopf verschwindet aus meinem benebelten Sichtfeld und murmelt irgendwelche Schimpfwörter, ehe ich das Knallen der schweren Kellertür zu hören bekomme.

Panisch versuche ich mich von den Fesseln loszureißen; erfolglos.

Ich darf nicht aufgeben.

Das Blut tritt nach wie vor aus der durch Harry entstandenen Wunde und verfestigt sich allmählich auf meiner trockenen Haut.

Das letzte Mal, als ich solche Schmerzen gespürt habe, bin ich ohne Narkose am Bein genäht worden.

Ich muss kämpfen.

Ich beiße die Zähne zusammen und versuche erneut mit aller Kraft die Fesseln zu lösen; wer weiß wie viel Zeit mir noch bleibt, bis der Psychopath wieder in den Keller zurückkehrt und mit seiner Arbeit fortfährt.

Mein Blick fällt auf das Skalpell, welches er auf der Liege in greifbarer Nähe zurückgelassen hat.

Der Kampf gegen die Zeit beginnt.

Ich strecke mich, so gut ich kann, kneife die Augen zusammen und versuche mit meinen Fingern das silberne Material in die Hände zu bekommen, doch es möchte mir einfach nicht gelingen. Es scheint fast so, als hätten sich alle gegen mich verschworen und mein Todesurteil unterschrieben.

Mit den Zähnen knirschend versuche ich es ein weiteres Mal, spüre, wie mir die Fessel mein Handgelenk abschnürt und in mein Fleisch schneidet, weil ich so sehr daran ziehe.

Die Gesichter meiner kleinen Schwester und meiner Mutter sind es schließlich, die mir den notwendigen Auftrieb geben und ich kann es kaum fassen, als ich den kleinen kühlen Gegenstand letztendlich zwischen meinen Fingern spüre.

Schnell drehe ich das Skalpell um und beginne die Fessel meiner Hand durchzusäbeln.

Es dauert nur wenige Sekunden, bis das Material nachgibt und ich es schaffe meine linke Hand zu befreien. Ich wiederhole dieselbe Handlung auf der anderen Seite und richte mich anschließend auf, um bei meinen Füßen weiterzumachen.

EYES LIKE HAZEL » HARRY STYLESWo Geschichten leben. Entdecke jetzt