Kapitel 16 - On-Off Kindergartenkram

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Es sind ein paar Tage vergangen, seitdem ich Felix das letzte Mal gesehen habe. Felix war beruflich in Köln und hatte viel zu tun. Er hat sich in der Zeit kaum bei gemeldet und teilweise nicht mal auf meine Nachrichten geantwortet. Ich weiß, dass das zwischen uns was Lockeres ist, aber es stört mich trotzdem. Auch wenn er viel zu tun hat, hätte er mir ruhig mal schreiben können. Vielleicht steigerte ich mich auch etwas in die Situation rein, aber er hat mir bisher nicht das Gefühl gegeben, dass ich ihm egal bin. Ich war in Berlin und hab die letzten Tage viel gearbeitet. Kathi hatte Corona und ich musste fast doppelt so viel arbeiten, weil wir deutlich unterbesetzt waren. Ich war echt genervt die letzten Tage und bin froh, wenn die Woche endlich vorbei ist. Nächste Woche habe ich Urlaub und fahre hoch zu meiner Familie und Freunden. Das erste Mal seitdem ich in Berlin wohne. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich erstmal richtig in Berlin einleben musste, bevor ich wieder zurück in die Heimat konnte. Aber so langsam vermisste ich alle und freute mich sehr, sie wieder zu sehen.

Ich hatte wieder Spätschicht und war mit Simon alleine im Store. Da nicht viel los war, begannen wir schon alles aufzuräumen, damit wir so früh wie möglich Feierabend machen konnten. Es war gerade mal 20 Uhr an einem Mittwoch und ich sehnte mich nur noch nach meinem Bett. Nachdem wir den Store endlich abschlossen, rauchten Simon und ich noch eine, bevor er sich von mir verabschiedete und zur U-Bahn-Station ging. Ich wollte mich gerade in die andere Richtung machen, da hupte mich ein Auto an, welches am Straßenrand stand an. Ich hob den Kopf, verdrehte innerlich die Augen und ging auf das Auto zu.
„Wird das jetzt wieder ein regelmäßiges Ding?" fragte ich den Fahrer während ich mich an das Beifahrerfenster lehnte.
„Ne, war gerade in der Gegend" grinste Ali mich an.
„Und hast zufällig so lange hier gewartet bis ich Feierabend habe?" fragte ich ihn skeptisch.
„Kann man so sagen. Soll ich dich nach Hause fahren?" grinste er.
„Ne schon gut, ich fahr mit der Bahn" antworte ich ihm.
„Ich kann dich doch schnell rumfahren, ist kein Thema".
„Musst du echt nicht" sagte ich stur.
„Entweder du nimmst das Angebot jetzt an und ich fahr dich Nachhause oder du nimmst das Angebot an und ich fahr dich nach Hause" antwortete Ali grinsend.
„Berlin ist nicht ungefährlich um diese Uhrzeit" fügte er hinzu.
„Ich komm schon ganz gut alleine klar" wollte ich Ali gerade klar machen, da lehnte er sich schon rüber und öffnete die Beifahrertür von innen.
„Jetzt sei nicht so stur und steig ein" befahl er mir.
Mit einem genervten Blick stieg ich in sein Auto und schloss die Tür.
„Du weißt doch gar nicht wo ich wohne" sagte ich zurückhaltend und schaue Ali an.
„Kannst du mir ja zeigen" grinste er.
„Weiß nicht, ob ich das möchte" antworte ich und schaute ihm in die Augen.
„Oh man, jetzt stell dich nicht so an, keine Angst, ich werde schon nicht nachts vor deiner Tür auflauern" lachte er.
„Wie auch immer, hab ja anscheint keine Wahl hier" seufzte ich und verdrehte leicht die Augen.
Ist das gerade wirklich eine gute Idee Lou? Du weißt ganz genau, dass er bei dir Auftauchen wird, wenn du ihm jetzt zeigst, wo du wohnst. Du hast gerade mit ihm abgeschlossen und jetzt sitzt du wieder bei ihm im Auto und lässt dich von ihm herumfahren. Wenn Felix das wüsste, würde er ausrasten. Aber er hat sich ja auch kaum bei mir gemeldet, wie sollte er das hier schon erfahren? Ist ja eigentlich auch nichts dabei...
„Worüber denkst du nach?" fragt mich Ali und reißt mich aus meinen Gedanken. Er muss bemerkt haben, dass ich gerade etwas abgeschweift bin.
„Gar nichts" antworte ich stumpf und schaue auf mein Handy. Keine neuen Nachrichten. War ja klar.
„Du kannst hier rechts ranfahren" sagte ich zu Ali und zeigte auf den Rewe auf der rechten Straßenseite, nachdem wir etwas gefahren sind.
„Ich kann dich auch bis vor die Tür fahren" sagte Ali skeptisch.
„Ich weiß, dass du das kannst, ich hätte aber gerne, dass du mich hier rauslässt. Muss außerdem noch was einkaufen" Keine Chance, ich bin ja nicht blöd grinste ich in mich hinein.
„Wie du meinst" antwortete Ali und fuhr rechts ran. Ich lächelte ihn an, bedankte mich bei ihm fürs nach Hause fahren und stieg aus dem Auto. Ohne mich umzudrehen ging ich in den Rewe ein paar Meter weiter und hörte hinter mir die quietschenden Reifen Ali's Autos.
Das kann echt nicht wahr sein, ich weiß genau, was er vorhat. Mit seiner charmanten Art versucht er mich jetzt wieder um den Finger zu wickeln, immer etwas mehr, bis ich schließlich darauf eingehen würde und er wieder das hat was er wollte. Gerade jetzt, wo ich dabei bin jemand neues kennenzulernen, muss er wieder in mein Leben treten. Aber diesmal nicht! Ich habe mit ihm abgeschlossen und kein Bock mehr auf diesen On-Off Kindergartenkram. In meinen Gedanken versunken kaufe ich ein noch ein paar Dinge für mein Abend essen und machte mich schließlich mit meinen Einkäufen auf den Weg nach Hause. Zuhause angekommen räumte ich die Einkäufe ein, machte mir einen Salat zum Abendessen und machte es mir anschließend im Bett gemütlich. Ich öffnete Spotify auf meinem Laptop und scrollte durch meine Playlisten. Irgendwie fand ich nichts Passendes. Auf meiner Startseite wurde mir die neue Folge Gemischtes Hack angezeigt. Ich überlegte kurz und drückte schließlich auf Play. Felix' Stimme wieder zu hören bescherte mir ein leichtes Lächeln auf die Lippen. Ich vermisste seine Stimme und ihn. Ich kuschelte mich ins Bett und lauschte den zwei Quatschköpfen beim Reden. Obwohl mein Tag nicht gut lief, schaffte der Podcast es, meine Laune zu bessern. Ich hörte die Folge zu Ende und klappte meinen Laptop zu. Gerade als ich die Augen schließen wollte, klingelte mein Handy. Ich zuckte zusammen und schaute auf das Display. Anruf von Felix, ohne lange zu zögern nahm ich den Hörer ab.
„Hey" sagte ich mit müder Stimme.
„Hey, hab ich dich geweckt? Ist doch noch voll früh" antworte Felix mir am anderen Ende.
„Fast, hat ja nicht jeder so selbstbestimmte Arbeitszeiten wie du" lachte ich.
„Stimmt, vergesse ich manchmal. Wie geht's dir?" fragte er mich.
„Ganz gut, bin ziemlich kaputt, hab viel gearbeitet diese Woche und dir?"
„Auch, nur das meine Arbeit mir Spaß bringt" lachte er.
„Okay Angeber" lachte ich.
„Hör mal, tut mir leid, dass ich mich kaum bei dir gemeldet hab, ich hatte einfach echt viel zu tun und hab ehrlich gesagt nicht wirklich dran gedacht" sagte Felix mit etwas bedrückter Stimme.
„Hab ich mir schon gedacht" antwortete ich.
„Bist du sauer?" fragte er.
„Ne alles gut" antworte ich, was natürlich etwas gelogen war. Natürlich nervte mich das, aber ich wollte nicht so unentspannt auf ihn wirken.
„Ich muss morgen noch was für 1Live aufnehmen und bin dann Freitag wieder Berlin, hast du dann Lust was zu machen?"
„Würde ich ja gerne, aber ich fahre am Freitag nach der Arbeit zu meiner Familie, habe ne Woche Urlaub" antworte ich ihm.
„Achso, das hast du gar nicht erzählt"
„Ja hab ich spontan entschieden, hast dich ja auch nicht gemeldet, so dass ich dir das erzählen konnte" antwortete ich schnippisch.
„Aha also bist du doch sauer" merkte Felix an.
„Ne ist doch egal jetzt, ich war ein bisschen sauer, aber ich weiß ja, dass du viel zu tun hast. Hast dich ja jetzt gemeldet"
„Na gut. Wann fährst du denn am Freitag?" fragte er.
„Um 16:36 Uhr fährt mein Zug"
„Kann ich dich dann wenigstens zum Bahnhof fahren?"
„Klar gerne, wenn dir das passt" antworte ich mit einem Grinsen im Gesicht.
„Ick mach das schon passend" sagte Felix selbstbewusst.
„Ich muss schon wieder auflegen, wir sehen uns dann Freitag, freu mich dich wieder zu sehen" sagte er und ich hörte, wie er grinste während er dies aussprach.
„Ich mich auch, bis Freitag" antworte ich ihm und legte auf.
Auch wenn wir uns nur kurz sehen würde freute mich sehr auf Felix. Zufrieden kuschelte ich mich unter meine Bettdecke und schloss meine Augen.

Nachts in Berlin (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt