Kapitel 26 - Barhopping

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Pov Lou:

„Wollen wir nach der Arbeit noch was trinken?" fragte mich Lena, während wir bei der Arbeit das Lager etwas aufräumten.
„Weiß nicht, es ist Mittwoch, wollen wir das nicht lieber Freitag machen?" fragte ich sie. Es sind inzwischen ein paar Tage vergangen, nachdem ich von Felix abserviert worden bin. Und eigentlich, habe ich es ganz gut verkraftet. Mehr oder weniger. Durch die Arbeit hatte ich nicht besonders viel Zeit über ihn nachzudenken, weil Ferien waren und wir ziemlich viel zu tun hatten. Sobald ich zuhause war, legte ich mich ins Bett und daddelte noch etwas am Handy rum. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir Felix' Storys nicht angeguckt habe. Seitdem er auf Tour war, postete er wieder regelmäßig, meisten irgendein dummes Zeug und ich Idiot guckte mir das an und verfiel ins Selbstmitleid. Ich vermisste ihn schon irgendwie, ich meine, es ist komisch, wenn du von – wir sehen uns jeden Tag, zu – wir brechen quasi den Kontakt ab und haben Funkstille, innerhalb von einem Tag gehst. Aber so wie er in seinen Storys drauf war, scheint er mich schon vergessen zu haben. Immer happy und gut gelaunt. Ich will nicht sagen, dass ich es ihm nicht gönne, dass er jetzt wieder auf Tour sein kann, ich will nur sagen, dass ich mir schon gewünscht hätte, dass es ihm auch ein bisschen schlecht geht. Aber was weiß ich schon, wie es ihm geht, kann ich wohl kaum anhand seiner Storys erkennen.
„Hallo? Bist du noch da?" fragte mich Lena mit lauter Stimme und wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht.
„Was?" fragte ich sie und schüttelte meinen Kopf, um mich aus meinen Gedanken zu kriegen.
„Ich hab gesagt, dass dir das gut tun wird, wenn du ein bisschen Ablenkung bekommst. Mal wieder was unternehmen. Außerdem haben wir beide morgen frei, also passt es perfekt. Samstag hab ich Frühschicht, da kann ich dann nicht so lange" sagte sie und setzte ihren Hundeblick auf.
„Ja gut, von mir aus können wir heute los" sagte ich und grinste.
„Yeey" quietschte Lena und klatschte in ihre Hände.
„Hast du einen konkreten Plan?" fragte ich sie.
„Mmmh, lass doch einfach in ne Bar und gucken, was der Abend noch so bringt oder?" grinste sie mich an.
„Okay machen wir so" sagte ich. Ich war lange nichts mehr trinken, weil ich eigentlich nicht so der Fan von Alkohol war, aber mit Lena war es immer lustig. Sie war mega extrovertiert, sodass man immer neue Leute kennenlernte, wenn man mit ihr zusammen unterwegs war.
„Mädels, ihr sollt arbeiten" zischte unsere Chefin dazwischen, als wir uns gerade überlegten, in welche Bar es heute Abend gehen soll. Wir warfen uns einen genervten Blick zu und räumten weiter auf, bis wir ein paar Stunden später Feierabend hatten.

Kurz nachdem ich zuhause angekommen bin, rief Lena mich an.
„Hey, was los?" fragte ich sie.
„Ich wollte dir noch was erzählen" sagte sie und ich hörte eine leichte Verunsicherung in ihrer Stimme.
„Okay, dann schieß los" sagte ich erwartungsvoll.
„Ich habe gerade die neue Folge Gemischtes Hack gehört auf dem Rückweg" sagte sie leicht beschämt.
„Mhm, ich dachte, wir boykottieren die jetzt" sagte ich gespielt genervt. Das meinte ich natürlich nicht ernst, Lena konnte machen was sie wollte, ich wusste sowieso, dass sie nicht widerstehen konnte.
„Man du weißt, dass ich das nicht kann, find's einfach lustig, außerdem kenn ich die schon viel länger als du, also nicht so gut wie du, aber..." bevor sie weitersprechen konnte, unterbrach ich sie.
„Komm zum Punkt Lena".
„Ja Dings, Felix hat erzählt, dass er gestern Abend wieder zurück nach Berlin gefahren ist, für ein paar Tage, ich dachte nur, dass solltest du wissen, weil wir ja heute loswollen".
„Okay, danke für die Info, aber ich bezweifle, dass wir uns über den Weg laufen würden, schließlich ist Berlin nicht gerade klein. Und wenn doch, können wir immer noch zecken". Ich lachte, während ich das aussprach, aber mein Magen drehte sich bei dem Gedanken fast um. Ich musste endlich aufhören, mir Gedanken über ihn zu machen. Auch, wenn das Ganze in meinen Augen jetzt noch weniger Sinn ergibt, in Bezug auf, er hätte keine Zeit für mich.
„Alles klar, ich wollte nur, dass du das weißt, für den Fall der Fälle" sagte Lena und ich war froh, über die Information.

Eine Stunde später klingelte es an meiner Tür. Ich öffnete sie und Lena kam mir freudig entgegen.
„Ich freue mich so, dass wir endlich mal wieder losziehen, hab das voll vermisst die letzte Zeit" sagte sie, während sie mich drückte.
„Ich freu mich auch" grinste ich sie an.
„Ich muss noch kurz meine Tasche packen und dann können wir auch". Ich packte meinen restlichen Kleinkram ein und kurze Zeit später verließen wir meine Wohnung. Es war ungefähr 20 Uhr und wurde langsam dunkel. Für einen Mittwoch war ziemlich viel los auf den Straßen und die Bars waren auch alle recht voll. Wir gingen noch ein Stück spazieren und entschieden uns schließlich für eine Bar, in der Nähe vom Kotti. Ich bestellte mir einen Wodka Cranberry und Lena tat es mir gleich. Wir setzten uns an einen Tisch, der recht versteckt in einer Ecke stand und stießen an.
„Prösterchen" grinste Lena und ich stimmte mit ein.
„So, wir haben jetzt so viel über mich geredet die letzte Zeit, ich will jetzt endlich mal wissen, was bei dir so abging die letzte Woche" grinste ich sie mit wackelnden Augenbrauen an.
Sie lachte „Ehrlich gesagt eher wenig, hab Corona gut überstanden, aber war schon echt langweilig alleine zuhause, danach wieder viel gearbeitet und jetzt sind wir hier" sagte sie und nahm einen großen Schluck aus ihrem Glas.
„Also nichts neues?" sagte ich enttäuscht.
„Ich hab mir, als ich Corona hatte, aus Langeweile wieder Tinder runtergeladen und hab auch jemanden kennengelernt" lachte sie.
„Echt? Warum hast du das nicht vorher erzählt?" fragte ich sie mit großen Augen.
„Keine Ahnung, wir schreiben viel, aber wir haben uns noch nicht getroffen. Ich weiß nicht so richtig, auf welche Schiene das geht, er ist mega lustig, aber eigentlich gar nicht so mein Typ" sagte sie.
„Mh verstehe, aber Versuchs doch einfach, wenn ihr euch gut versteht, könnt ihr euch doch mal treffen und dann wirst du schon sehen".
„Ja hast recht" grinste Lena.
Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile über die Arbeit und natürlich auch über Männer, was auch sonst. Lena wollte mir ein paar Typen in der Bar schmackhaft machen, aber ich war wirklich nicht in Stimmung für sowas gerade. Oder auch generell, was ernstes will ich auf keinen Fall und auf einen One-Night-Stand habe ich auch keine Lust, ich hatte auch noch nie einen, bin da glaub ich nicht so der Typ für. Lena und ich bestellten uns noch einen zweiten Drink und so langsam spürte ich, wie mir der Alkohol zu Kopf stieg. Aber ich war in einer guten Stimmung, ich wurde lockerer und lachte so viel, wie schon länger nicht mehr.
„Was ist denn mit dem da?" lachte Lena und zeigte auf einen Typen, der an der Bar saß, mit einem Glas Bier in der Hand. Lachend warf ich ihm einen Blick zu und spürte einen kurzen Schlag in meinem Magen.
„Oh mein Gott Lena, das ist Julian" flüsterte ich ihr mit großen Augen zu, während das Lachen aus meinem Gesicht verschwand.
„Julian wer?" sagte sie und schaute mich fragend an.
„Julian in, Felix' Bruder Julian" flüsterte ich, um bloß nicht auf mich aufmerksam zu machen. Gerade in diesem Moment drehte sich Julian um und warf einen Blick durch die Bar, ich wendete meinen Blick schnell von ihm ab und drehte mich zu Lena.
„Oh Shit, stimmt" sagte Lena und konnte sich das Lachen nicht zurückhalten.
„Hat er mich gesehen?" fragte ich sie. Lena schaute unauffällig in seine Richtung und hielt kurzen Blickkontakt mit ihm.
„Jap" sagte sie schlicht, während sie ihn anschaute.
„Nein, nein, nein, das kann jetzt echt nicht wahr sein" fluchte ich leise. „Können wir bitte gehen? Also woanders hin? Wenn Julian hier ist, wird Felix bestimmt nicht weit sein" bettelte ich Lena an.
„Sicher? Das wäre die Chance, nochmal mit ihm zu reden" sagte sie, während ich mir schon meine Jacke überzog.
„Ja! Ganz sicher, ich will nicht mit ihm reden und ihn schon gar nicht sehen, abgesehen davon, bin ich betrunken" zischte ich sie an und Lena verstand sofort.
Sie zog sich ihre Jacke an, wir schnappten uns unsere Taschen und gingen, an der Bar vorbei, Richtung Ausgang. Julian erkannte mich sofort und es wirkte fast so, als wollte er mich anhalten, aber ich lächelte ihn nur an und ging schnurstracks Richtung Ausgang. Als ich die Tür öffnete, drehte ich mich noch einmal kurz zu ihm um und erkannte Felix, der scheinbar gerade vom Klo kam und sich neben ihn setzte. Julian flüsterte ihm etwas zu, Felix hob seinen Kopf Sekunden später in Richtung Tür und erkannte mich. Sein Blick lag starr auf mir und mein Herz machte einen Aussetzer, als Lena mich an der Hand aus der Bar zieht.

Nachts in Berlin (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt