Kapitel 27 - Simp

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Pov Felix:

Ich trocknete meine Hände ab und ging durch die volle Bar zurück zu Julian, der am Tresen saß und Richtung Tür starrte. Ich setzte mich neben ihn und haute ihm auf die Schulter.
„Was ist denn mit dir?" lachte ich.
„Lou ist da vorne" flüsterte Julian mir zu und ohne lange zu zögern, blickte ich zur Tür. Als ich sie sah, blieb mir kurz die Luft weg. Sie sah mich kurz an, wich meinem Blick schnell aus und verließ die Bar. Ich starrte die geschlossene Tür an, bis Julian mich zurück aus meinen Gedanken holte.
„Digger, ich weiß ja nicht was bei euch abging, aber sieht so aus, als müsstet ihr da was klären" sagte er und warf mir einen strengen Blick zu.
„Da gibt's nichts zu klären" sagte ich und pulte das Etikett von meiner Bierflasche ab.
„Wie da gibt's nichts zu klären? Ihr hängt jeden Tag aufeinander und auf einmal ignoriert ihr euch und sie verlässt die Bar, sobald sie uns sieht?"
„Man alter, ich habs verbockt" sagte ich genervt und hielt meinen Kopf gesenkt.
„War mir schon klar" sagte Julian und lachte sarkastisch. Ich warf ihm einen bösen Blick zu, aber sagte nichts weiter.
„Deine Stimmung die letzten Tage ist abgesehen von den Shows richtig mies, ich weiß, dass das was mit ihr zu tun hat. Also tu uns doch bitte allen den gefallen und klär das" ging er erneut auf mich ein.
„Es gibt nichts zu klären Julian. Ich meinte zu ihr, dass ich keine Zeit für sie habe und sie halt nur sowas wie ein Zeitvertreib für mich war" sagte ich und pulte weiter.
„Das war ja offensichtlich ne Lüge" grinste Julian mich belustigt an und ich verdrehte die Augen.
„Ja aber ist doch wahr, was soll ick denn machen Alter?" sagte ich seufzend.
„Mit ihr reden und ihr sagen, dass du ihr nicht die Wahrheit gesagt hast?" sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Das bringt doch eh nichts, komme rüber wie ein richtiger simp".
„Manchmal muss man halt ein simp sein" lachte er. „Außerdem hab ich dich schon lange nicht mehr so happy gesehen, sie hat dir richtig gut getan, ick glaub dit weißt du auch" sagte Julian und schaute mir in die Augen.
Ich ließ seine Worte kurz auf mich wirken und schaute wieder zur Tür.
„Scheiß drauf, ich geh kurz raus" sagte ich und stand auf. Als ich draußen war, schaute ich mich einmal um, aber Lou war nicht mehr da. Ich ging noch ein paar Meter und suchte sie, aber sie war weg. Genervt ging ich wieder an die Bar und setzte mich zu Julian.
„Sie ist weg" seufzte ich.
„Du weißt ja wo sie wohnt" zwinkerte er mir zu.
„Ich geh doch jetzt nicht zu ihr Alter" winkte ich ab „kommt richtig creepy rüber".
„Musst du wissen Digger".

Julian und ich saßen noch ein zwei Stunden in der Bar und tranken noch ein paar Drinks. Wir unterhielten uns über die letzten Tage, was auf der Tour bisher so passiert ist und wie es weiter geht. Während unseres Gesprächs schweifte ich mit den Gedanken immer wieder ab. Ich hätte nicht erwartet, Lou heute zu sehen und so schnell wie sie einen Abgang gemacht hat, ging es ihr wahrscheinlich ähnlich. Schon ein komischer Zufall, dass wir uns gerade heute wieder sehen. Hatte Julian recht? Sollte ich doch nochmal zu ihr gehen und ihr die Wahrheit sagen? Was, wenn sie gar nicht mehr mit mir reden will? Meine Gedanken kreisen, was ich nicht nur der Situation, sondern auch dem Alkohol zu verdanken habe.
„Also wat is jetzt? Wo geht's hin?" grinste Julian mich an, als wir die Bar verlassen haben und draußen eine rauchten.
„Weeß ick net" sagte ich schlicht.
„Man Alter, fahr einfach zu ihr, schlimmer als jetzt kann es auch nicht werden oder?"
Recht hat er, ich könnte es entweder retten oder nochmal komplett ruinieren. Ich schaute auf meine Uhr, es war halb 1, ich weiß nicht mal, ob sie schon zuhause ist.
„Ick kanns ja versuchen" sagte ich und zog an meiner Zigarette.
Julian nickte mit dem Kopf und grinste mich an. Wir verabschiedeten uns und ich entschied mich, zu Fuß zu Lous Wohnung zu gehen, in der Hoffnung das ich etwas ausnüchtern würde und mein Kopf ein bisschen klarer werden würde, denn ich wusste immer noch nicht so wirklich, was ich ihr gleich sagen sollte. Je näher ich ihrer Wohnung kam, desto nervöser wurde ich, aber ich musste es versuchen, ich stehe sonst wie ein noch viel größeres Arschloch da, wenn ich das jetzt einfach ignoriere. Ich musste noch ein paar Meter gehen und überlegte mir innerlich, was ich gleich zu ihr sagen sollte. Weil ich so nervös war, steckte ich mir auf den letzten Metern noch eine Kippe an und inhalierte das Nikotin ein. Als ich endlich angekommen bin, blieb ich noch ein paar Minuten vor ihrer Wohnung stehen, bis ich schließlich klingelte. Es antwortete niemand, kein Wunder, ich würde auch nicht aufmachen, wenn ich keinen erwarte um die Uhrzeit. Ich ging ein paar Schritte zurück und versuchte zu erkennen, ob Licht in ihrer Wohnung brannte. Nichts. Ich klingelte nochmal, aber sie antwortete nicht. Ich kramte mein Handy auf meiner Hosentasche und schaute auf die Uhr, es war fast 1 Uhr, so wie ich Lou kenne, schläft sie entweder schon, oder sie macht sich langsam auf den Weg nach Hause. Ich öffnete WhatsApp und ging auf unseren Chat. Die letzte Nachricht von ihr habe ich am 02.04. bekommen Ich vermisse dich einfach und würde dich gern wiedersehen las ich innerlich vor. Und genau so ging es mir jetzt. Ich vermisse sie und gerade nachdem ich sie heute wiedergesehen habe, würde ich nichts lieber, als sie wieder in meine Arme zu schließen. Sie hat mich nur für eine Sekunde lang angeschaut und ich habe sofort gespürt, dass sie enttäuscht und verletzt von mir war. Ich starrte weiter auf den Chat und sah plötzlich, wie das kleine online Symbol unter ihrem Namen erschien. Das bedeutet, dass sie noch wach ist. Ich könnte ihr schreiben, aber wahrscheinlich würde sie mir sowieso nicht antworten. Abgesehen davon, will ich das eh mit ihr persönlich klären. Ich entschied mich, einfach hier auf sie zu warten und letzte mich auf die kleine Treppe vor der Haustür, lange konnte es ja nicht mehr dauern. Es war zum Glück nicht besonders kalt, der leichte Wind durchfuhr meinen Körper und ich merkte, wie der Alkohol langsam nachließ. Ich schaute wieder auf mein Handy, ich sitze hier schon seit ner halben Stunde, so langsam begann ich mir Sorgen zu machen. Ich griff wieder nach meinem Handy und öffnete Instagram, vielleicht hatte sie ja irgendwas gepostet, ich brauchte nur ein Lebenszeichen von ihr, schließlich ist es nicht ganz ungefährlich hier. Ich tippte Lous Namen in die Suchleiste ein und sah, wie sich der rote Kreis um ihr Instagram Profilbild bildete. Ohne zu zögern tippte ich rauf. Sie hatte ein Selfie mit Lena in dem Klo von irgendeiner Bar gepostet vor 35 Minuten. Sie lachte, aber sah dennoch recht erschöpft aus, man sah ihr auf jeden Fall an, dass sie was getrunken hatte. Ich schloss mein Handy wieder. Wenn sie vor ner halben Stunde noch in ner Bar war, dauerte es bestimmt noch, bis sie zuhause war. Ich entschied mich, noch 10 Minuten hier zu warten, wenn sie dann nicht da ist, gehe ich.
Die 10 Minuten fühlen sich an wie Stunden, ich sitze auf der Treppe und starre auf die Straße vor mir. Scheiß drauf denke ich und will gerade aufstehen, als ich gerade zwei Frauenstimmen um die Ecke höre, die sich kichernd voneinander verabschieden. Mein Herzschlag wird schneller, ich springe auf und stehe wie platziert vor der Tür, als Lou plötzlich lachend um die Ecke kommt. Sie kramt kichernd in ihrer Tasche herum, nimmt ihren Schlüssel raus und hebt ihren Kopf in Richtung Tür. Als sie mich sieht, verfällt ihr Lachen schlagartig. Sie bleibt abrupt stehen und starrt mich mit großen Augen an.

Nachts in Berlin (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt