Kapitel 55 - Here I am

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Lautes Schlürfen dröhnte aus Rons Richtung, die Milch in seiner Müslischüssel leerend. Ein letztes Mal saßen wir alle zusammen in der Küche und frühstückten. Jeder hing seinen Gedanken nach, so auch ich. Abgesehen davon, dass mich die gestrigen Ereignisse die Hälfte der Nacht wachgehalten hatten, schien es mir so absurd, dass es heute zurück nach Hogwarts gehen sollte. Die Ferien hatten sich wie Ewigkeiten angefühlt und nachdem Hallow gefühlt genauso lange verschwunden gewesen war und ich keine Gelegenheit gehabt hatte, die Briefe von Daphne zu beantworten, überkam mich eine leise Ahnung, dass sie mir heute ordentlich in den Hintern treten würde. Aus genau diesem Grund wollte ich mir vorsichthalber bereits im Vorab eine Ausrede ausmalen. Schließlich konnte ich ihr schlecht erzählen, was tatsächlich vorgefallen war, zumal ich kein Sterbenswörtchen über den Orden verlieren durfte. Allerdings hatten sich meine Ideen bisher jeglicher Kreativität, doch vor allem jeglicher Plausibilität entbehrt. Das Beste, was mir bisher in den Sinn gekommen war, war ein langer Urlaub in... Südamerika. Oder wo auch immer. Abgeschnitten von der Außenwelt, gemeinsam mit meinen Eltern, in den Tiefen des Amazonas. Oder... oder ich blieb bei der halben Wahrheit und erzählte, dass Hallow für ziemlich lange Zeit verschwunden gewesen wäre. Vermutlich letzteres. Eine halbe Lüge musste einfach und unkompliziert sein. Das hatte ich schon früh gelernt. Je mehr Gedanken man sich machte, umso schwieriger und unglaubwürdiger schien es. Und eine halbe Lüge war eben keine Lüge. Aber eben auch nicht die Wahrheit.

Hogwarts. Bei dem Gedanken an die dicken Gemäuer und die Unmengen an Schüler, wurde mir ganz mulmig. Als Vertrauensschülerin oblag mir die Aufgabe mich um die Erstklässler zu kümmern. Ob sie wussten, dass ich diejenige war, deren Brief „verloren" gegangen war? Würden sie mich als sozusagen „Zweitklässlerin" überhaupt ernst nehmen?

In derselben Sekunde fragte ich mich, ob es überhaupt von Bedeutung sein konnte und ärgerte mich darüber nachgedacht zu haben. Schließlich war ich diejenige mit dem Vertrauensschülerabzeichen.

Doch da war noch dieser eine Gedanke, der mich nicht loslassen wollte: Würde ich mich denn jemals wieder ohne Cedric in Hogwarts zuhause fühlen? Mein Blick glitt nach rechts, zu Harry.

Vielleicht. Vielleicht würde ich das.

Dieses Jahr standen die ZAG's an und vermutlich würde ich so viel zu tun haben, dass ich gar keine Zeit hatte, über all das nachzudenken, was letztes Jahr geschehen war. Indes war Voldemort zurückgekehrt und es war ohnehin nur eine Frage der Zeit, bis er sich zu erkennen gab. Und wenn dieser Moment gekommen war, dann...

„Kannst du mir bitte den Kürbissaft reichen, Alicia?" ertönte es plötzlich von Sirius, was mich kaum merklich zusammenzucken ließ. Hatte er gerade mit mir gesprochen? Eilig nickte ich und reichte ihm den großen Krug. Auf einmal geschah etwas, was während der gesamten Zeit, in der ich mich hier befunden hatte, kein einziges Mal vorgekommen war: Er bedankte sich bei mir, gefolgt von einem angedeuteten Lächeln. In jenem Moment konnte man wohl nur von Glück sprechen, dass Sirius den Krug bereits umfasst hatte, denn ich fühlte, wie jegliche Kraft aus meinen Armen wich, als mich ein Gefühl der Überraschung übermannte

Hastig blickte ich zurück auf meinen Teller mit der angebissenen Marmeladesemmel, nahm einen viel zu großen Bissen davon, sodass meine Backen bis auf den letzten Zentimeter gefüllt waren. Mein Rachen schmerzte, als ich den großen, kaum zerkauten Klumpen hinunterwürgte.

Zeit, darüber nachzudenken, hatte ich im Anschluss kaum, da wir dieses Mal zu Fuß zum Bahnhof Kings Cross eilen mussten. Hingebracht wurden wir quasi von einer „Leibgarde", was mir einmal mehr den Ernst dieser Situation bewusst machte. Selbst Sirius begleitete uns entgegen Dumbledores Anweisung. Da er sich freilich nicht in der Öffentlichkeit zeigen durfte, lief er in Form seines Animagus neben uns her. Tonks war bekanntlich ein Metamorphagus, weshalb sie ihr Aussehen beliebig verändern konnte. So begleitete sie uns getarnt als alte Frau, ebenso Moody, Lupin und die Weasleys. Auch Sturgis Podmore hätte ein Auge auf uns haben sollen, der tauchte allerdings nicht rechtzeitig auf.

Till the End (Harry Potter FanFiktion)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt