Kapitel 6

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Kniehoher Nebel und wummernder Bass, angeheizte Stimmung und tanzende Leiber im Stroposkopenlicht. Es war Samstag Abend und halb New York schien sich im Pandemonium zu treffen. Selbst vor dem Eingang schienen die Wartenden bereits zu feiern und zu dem aus dem Club dringenden Beat zu tanzen.
Einen Moment blieb Alec unschlüssig stehen und blickte auf das Gebäude. Vor zwei Stunden war er tatsächlich versucht gewesen zuhause zu bleiben und die Nase wieder in die Bücher zu stecken. Er hatte sich auch wirklich in bequemen Klamotten auf sein Bett geschmissen, das Lehrbuch vor sich aufgeschlagen und sich mit Block und Stift bewaffnet. Doch es führte zu dem selben Ergebnis wie schon die ganzen letzten Tage zuvor. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Ständig drifteten seine Gedanken ab. Jace hatte recht gehabt, er dachte noch immer an die Begegnung mit diesem 'komischen Typen' – Magnus, berichtigte er sich selbst. Jener hatte gefragt ob sie sich wiedersehen würden und Alec wusste nicht genau warum er zugestimmt hatte. Außerdem war die Frage: Wie? Durch Lydias Anruf hatten sie es verpasst Nummern auszutauschen. Er seufzte, vielleicht war das auch besser so. Oder nicht?
Es nutzte nichts sich jetzt darüber Gedanken zu machen und auch in dem Punkt hatte Jace recht gehabt, er brauchte Ablenkung.
Seufzend fuhr er sich durch das Haar und er hoffte nur, dass er in diesem Trubel seine Geschwister und deren Freunde auch finden würde. Diese waren schon am frühen Abend aufgebrochen, als Alec noch bei seinem Lehrgang gewesen war. Dann straffte er seine Schultern und ging los.Einer der Türsteher winkte ihn heran, begrüßte ihn mit Handschlag und winkte ihn durch. Es erstaunte Alec schon ein wenig, dass er dem Personal anscheinend so bekannt war. Aber vermutlich verdankte er das seiner Schwester, die hier im Club ja fast schon zuhause war.

Das Pandemonium zu betreten, war wie eine andere Welt zu betreten. Wärme schlug ihm entgegen, als er die Clubräume betrat und die Menschen lachten ausgelassen. Hier herrschte immer gute Stimmung und es schien fast, als würde man am Eingang seine Sorgen zurücklassen, sie zusammen mit seiner Jacke abstreifen und für ein paar Stunden in fremder Obhut lassen.
Nachdem er seine Jacke an der Garderobe abgegeben hatte, steuerte er eine der Bars an. Sich gegen den Tresen lehnend beobachtete Alec die Feiernden und versuchte sich von der anscheinenden Leichtigkeit der Atmosphäre anstecken zu lassen. Es war nicht schwer, dröhnender Bass und rhythmischer Beat sorgten dafür, dass sich die Muskeln im Körper fast von allein bewegten.
Nachdem er sich ein Bier bestellt hatte, ließ er seinen Blick über die Tanzfläche schweifen. Vielleicht würde er ja jemanden entdecken, den er kannte und der ihn zu seinen Geschwistern führen würde. Aber eigentlich wollte er erst noch einen Moment hier sitzen bleiben. Denn auch wenn er kein besonders guter Tänzer war, wusste er doch dass seine Schwester und die anderen Mädels ihn nicht in Ruhe lassen würden, bis er mit ihnen auf die Tanzfläche ging.

Magnus lachte, atemlos, aber glücklich und irgendwie gerührt. Seine Freunde gaben sich wirklich alle Mühe ihn von seinen trüben Gedanken abzulenken und aufzumuntern. Gefühlte zwei Stunden tanzten sie nun schon abwechselnd mit ihm. Hauptsächlich wechselten sich Clary und Isabelle ab, aber auch Raphael hatte ihm auf der Tanzfläche Gesellschaft geleistet. Ja, sogar Jace hatte ihn in seiner unvergleichlich 'charmanten' Art und zum Tanzen aufgefordert.
Aber seine Abende bestanden nicht nur aus Spaß und Party, immerhin war er der Besitzer des Clubs. So sehr er es auch bedauerte, doch es wurde Zeit für einen Rundgang. Es lag in seiner Verantwortung nachzusehen, ob alles in Ordnung war, ob in den Barbereichen irgendwas gebraucht wurde oder ob es irgendwelche Probleme gab. Immerhin war es sein Anliegen, dass sich seine Gäste wohl fühlten und in einem gesicherten Rahmen für ein paar Stunden alles um sich herum vergessen konnten.
Und so schlenderte er nun durch sein kleines Reich, begrüßte hier und da ihm bekannte Leute und sprach mit dem Personal. An einer Bar holte er sich einen Cocktail und versicherte sich, dass es noch ausreichend Vorräte gab. Dann begab er sich zu einem der erhöhten Sitzplätze und überblickte von dort die Tanzfläche. Wie üblich regte sich so etwas wie väterlicher Stolz in seiner Brust. Noch vor einem Jahr hätte er sich nicht träumen lassen, dass sein Baby, sein Club so schnell in der Szene anerkannt werden würde.
Einige Minuten stand er einfach nur da und nippte an seinem Glas, wippte leicht mit den Kopf im Takt der Musik. Doch auch da verweilte er nicht lange, schließlich gab es noch mehr Bereiche, die er ablaufen musste. Also steuerte er die nächste Bar an und von dort machte er sich auf den Weg zum Eingang. Hier sprach er kurz mit dem Leiter seiner Sicherheitsleute. Obwohl recht großer Andrang herrschte, hatte der Club noch ausreichend Kapazitäten, um Gäste aufzunehmen. Dennoch mussten seine Leute darauf achten nicht zu schnell zu viele hinein zu lassen. Aber Magnus wusste, dass er sich auf sein Personal verlassen konnte.
Nach einen kurzen Gespräch mit Dorothea, der Dame an der Garderobe, wandte er sich wieder den Partyräumen zu. An der letzten Bar würde er sich einen neuen Drink bestellen und sich dann wieder zu seinen Freunden begeben. Während er sich zu der Bedienung hinüber lehnte, blickte er sich weiterhin um und stockte für einen Moment. Breite Schultern, sich bewegende Muskeln unter einem dunkelgrünen Hemd und wirres dunkles Haar. Resigniert seufzte er und schüttelte kaum merklich den Kopf. Fing er jetzt schon an jedem Mann mit seinem 'Retter' zu vergleichen? Wie wahrscheinlich war es ihn noch einmal durch puren Zufall zu treffen? Besonders hier inmitten der ganzen Leute. Und dabei war er gerade so gut drauf gewesen.
Mit einem halb müden und halb traurigen Lächeln nahm er den neuen Cocktail entgegen und machte sich wieder auf den Weg zu den anderen. Doch dabei musste er unweigerlich an diesem Mann vorbei. Und auch wenn er es eigentlich nicht wollte, riskierte er doch einen Blick in dessen Gesicht. Beinahe wäre ihm vor Scheck das Glas aus der Hand gefallen. Er blickte in die dunkelbraunen Augen, welche die letzten Tage seine Gedanken beherrscht hatten.
„Alexander."
Seine Stimme war nur ein flüstern und der andere konnte ihn unmöglich gehört haben und doch sah er das leichte Lächeln, dass sich auf dessen Lippen legte. Magnus brauchte einen Moment um das zu verdauen, doch dann trat er langsam näher und legte eine Hand auf den Unterarm des anderen.
„Magnus... hey."
„Ganz allein?"
Als Alec leicht nickte, konnte er sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Langsam, grade so als würde er befürchten den anderen zu verschrecken, lehnte Magnus sich zu ihm hinüber und brachte seine Lippen in die Nähe des Ohres.
„Dreimal sind wir uns schon begegnet, Alexander, und dreimal bist du vor mir davon gerannt. Heute Nacht gehörst du mir."
Er konnte fühlen, wie der Größere einen Moment erstarrte, was ihn nur noch breiter schmunzeln ließ.
„Zum Reden... und ich schulde dir noch einen Drink." fügte er dennoch hinzu.
Das ließ Alec sich wieder entspannen und er nickte erneut.
„Komm, setzen wir uns hinten in die Nische hinter der Bar. Dort ist es etwas ruhiger."
Magnus deutete an das andere Ende des Tresens, wo sich meist die Angestellten aufhielten, wenn nicht gerade Hochbetrieb war. Etwas zögerlich zog er seine Hand zurück und wartete, dass der andere vorging.

Feuer und FlammeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt