Kapitel 32

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Es dauerte nur 30 Minuten, bis eine aufgeregte, aber gut aussehende Frau in das Zimmer gestürmt kam. Das erste was Magnus auffiel war die Tatsache, dass sie wie eine ältere Version von Isabelle wirkte, nur ein wenig größer und deutlich geschäftsmäßiger gekleidet. Erst auf den zweiten Blick fielen ihm kleine Unterschiede zwischen den beiden Frauen auf, in denen er seinen Alexander erkannte. Höflich stand er auf und überließ ihr den Stuhl am Bett ihres Sohnes. Dankbar nickte sie ihm zu, schien ihn jedoch für den Moment nicht wirklich wahrzunehmen. Nun, durchaus verständlich, schließlich lag da ihr verletzter Sohn.
„Alec, mein Junge, wie geht es dir?"
Überschwänglich, wenngleich auch vorsichtig umarmte sie ihn und drückte ihm einen Kuss auf den Scheitel. Wenigstens musste sie ihn nicht mehr mit den ganzen Schläuchen und Kabeln sehen, ging es Magnus durch den Kopf. Diese hatte man ihm vor ein paar Minuten abgenommen.
„Es geht mir gut, Mum."
Skeptisch musterte sie ihn, betrachtete sein Gesicht und strich ihm eine Strähne aus der Stirn.
„Das sagst du immer."
„Wirklich, Mum."
Er wirkte ein wenig betreten und unbehaglich. Hilfesuchend blickte er zu seiner Schwester.
„Mum, ich möchte dir jemanden vorstellen." hatte diese ein Einsehen und ging zu dem Freund ihres Bruders hinüber. Freundschaftlich legte sie ihm einen Arm um die Hüfte.
„Das ist Magnus."
Lächelnd blickte Maryse auf und reichte ihm die Hand.
„Sehr erfreut, Magnus. Sie sind Izzy's Freund?" frage sie neugierig.
„Nein Mum." mischte sich nun wieder Alec ein. Röte stieg ihm in die Wangen, als er sich nervös die Lippen befeuchtete. „Magnus ist... ist mein Freund."
Erstaunt und vielleicht eine Spur erschrocken schaute sie ihren Sohn an und blinzelte. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf den jungen Mann an der Seite ihrer Tochter. Auch dieser sah für einen Moment geschockt aus, dann lächelte er nervös aber deutlich verliebt.
„Oh... okay..."
Kurz blickte sie zwischen den beiden hin und her und wusste nicht recht was sie sagen sollte. Dann lehnte sich tief einatmend in dem Stuhl zurück und lächelte etwas unglücklich.
„Bitte entschuldigen sie, Magnus. Es ist nur... Alec hat uns zwar gesagt, dass er... nun ja, auf Männer steht, aber..." etwas unbeholfen zuckte sie mit den Schultern. „Es ist nicht, dass ich etwas dagegen habe, bei den Engeln, nein. Ich denke, ich habe mich nur nie wirklich mit dem Gedanken auseinander gesetzt."
Kurz faltete sie die Hände auf ihrem Schoss und atmete noch einmal tief durch. Dann erhob sie sich und trat mit einem Lächeln auf Magnus zu.
„Hallo Magnus, es freut mich sie kennenzulernen."
Magnus konnte sehen, dass ihr dieses Lächeln ein wenig schwer fiel, als sie ihm erneut die Hand gab. Dennoch nahm er die Geste an und erwiderte sie.
„Ebenfalls sehr erfreut, Miss Lightwood."
Dann jedoch wandte sie sich an ihre anderen Kinder.
„Und jetzt erklärt mir jemand, was eigentlich passiert ist und warum mein ältester Sohn im Krankenhaus liegt."
Gespielt böse stemmt sie ihre Hände in die Hüften, was ihr durchaus einen bedrohlich wirkenden Ausdruck verlieh. Von ihr hat Isabelle das also, schmunzelte Magnus in sich hinein. Aber gleich wurde er wieder ernst und räusperte sich leise.
„Ich fürchte, Miss Lightwood, das ist meine Schuld." gestand er leise, während er an die Seite seines Geliebten zurückkehrte und sich zu ihm auf das Bett setzte. Mit einer kleinen Geste bedeutete er der der älteren Frau sich zu setzen. Kurz blickte er Alec an, welcher ihm mit einem leichten Nicken zu verstehen gab, dass er ihr Vertrauen konnte. Also erzählte der Asiat kurz und knapp was sich zugetragen hatte und wie das Ganze begonnen hatte.

Als er geendet hatte, schaute er verlegen und mit Tränen in den Augen zu Boden. Er wollte nicht, dass es jemand sah und er wollte nicht die Reaktion im Gesicht der Mutter seines Freundes sehen. Würde sie ihn verachten und verurteilen für das, was ihrem Sohn passiert war? Doch als er die Hand spürte, die nach seiner griff, blickte er in das Gesicht seines Geliebten und sah auch in seinen Augen die Feuchtigkeit schimmern. Tapfer versuchte er sich in einem Lächeln und küsste Alec's Fingerspitzen.
Maryse hingegen beobachtete die beiden jungen Männer und konnte die Liebe zwischen den beiden sehen. Ihr Sohn war nie jemand gewesen, der in der Öffentlichkeit viel Zuneigung zeigte, außer vielleicht für seine kleine Schwester. Hier aber zeigte er vor allen Anwesenden eine Zärtlichkeit, die ihr den Atem stocken ließ. Einfache und kleine Gesten, aber mit so viel Hingabe im Blick, dass ihr allein davon die Tränen kamen. Ihr Sohn liebte diesen Magnus und er hatte sich für ihn in die Schusslinie begeben. Wer war sie, dass sie sich dem in den Weg stellen würde. Außerdem, was war wichtiger als ihre Kinder gesund und glücklich zu sehen. Nun war sie es, die sich leicht räusperte.
„Diese Frau... Camille?... ist jetzt in Polizeigewahrsam?"
Ihr Blick richtete sich auf ihre Tochter, die daraufhin bestätigend nickte.
„Aber sie ist noch nicht vernehmungsfähig. Wie es aussieht, steht sie noch unter massivem Drogeneinfluss. Außerdem hatte sie nichts bei sich, keine Papiere, keine Schlüssel oder irgendwas anderes. Im Moment versuchen die Kollegen ihre Spuren zurück zu verfolgen."
Bedauernd zuckte die junge Frau mit den Schultern.
„Gut, du hältst uns im Rahmen deiner Möglichkeiten auf dem Laufenden?"
Nun nickte Izzy wieder. Natürlich würde sie das Ganze im Auge behalten, das stand außer Frage, auch wenn sie als die Schwester des Opfers von den Ermittlungen ausgeschlossen war. Die Ältere wandte sich wieder den beiden Männern auf dem Bett zu.
„Der Angriff auf Alec wird von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden und wir werden zusätzlich eine Zivilklage als Nebenkläger einreichen. Außerdem, wenn du nichts dagegen hast, würde ich auch gerne deinen Fall vor Gericht als Nebenkläger vertreten, Magnus."
Fast hätte sie losgelacht, als sie die erstaunten Blicke der beiden sah. Nicht nur das Maryse Lightwood bereit war Magnus' Fall vor Gericht zu bringen, sie hatte ihn soeben geduzt und das wusste sie, wie ihr verschmitztes Grinsen bewies.
„Mum..."
„Miss Lightwood..."
Setzten beide gleichzeitig an, stoppten aber als sie eine Hand hob – eine Geste, die sich ihr Sohn abgeschaut hatte.
„Bitte, nenn mich Maryse und ja, ich möchte das tun. Zum einen geht es um meine Familie und zum anderen werden beide Fälle mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Verfahren zusammengefasst werden, da der eigentlich Angriff ja wohl auch dir gegolten hat, Magnus. Und wenn ich beides vertrete, kann ich alle Unterlagen einsehen die diese Fälle betreffen."
Gerührt lächelten die beiden Männer, doch Magnus blickte erst kurz Alec an ehe er seinen Blick zu Jace wandern ließ.
„Ich denke, vorher sollte noch ein anderer Punkt angesprochen werden."
Einen Moment verwirrt sah der Blonde ihn an, nickte dann aber verstehend.
„Mum..."
Maryse zog eine Augenbraue hoch. Ihr Adoptivsohn hatte während ihrer Scheidung aufgehört sie so zu nennen, außer es lag etwas Schlimmes in der Luft.
„Robert ist in der Stadt." meinte er schließlich leicht unsicher. Er konnte hören, wie die ältere Frau scharf einatmete.
„Jace, es ist doch gar nichts passiert." mischte sich leise der Ältere der Brüder ein.
„Nicht spassiert?"
Innerhalb von Sekunden fuhr dem Blonden der Puls hoch und damit auch die Lautstärke.
„Nichts passiert? Alec, ich weiß zwar nicht was er zu dir gesagt hat, weil du sturer Hund ja nicht darüber redest. Aber ich habe die Auswirkungen gesehen. Du warst am Boden zerstört, wir haben uns wie früher geschlagen und Izzy hatte Angst vor und um uns beide. Und ich würde wetten, dass du die Bilder auch von ihm hast."
Mit jedem Satz wurde der Ältere immer kleiner in seinem Bett, was zum Teil auch an dem forschenden Blick seiner Mutter lag. Der Mann an seiner Seite legte ihm sanft eine Hand auf den Rücken.
„Jetzt sag mir noch mal, dass nichts passiert ist." setzte Jace fort, nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte. Dennoch hatte er noch immer die Hände zu Fäusten geballt.
„Was für Bilder?" fragte Maryse aufmerksam geworden.
„Von Camille und mir, nachdem sie mich unter Drogen gesetzt hatte." antwortete Magnus leise und mit sichtlichem Unwohlsein.
„Kann ich die sehen? Sie könnten wichtig werden."
Zögerlich nickte der junge Asiat, nicht wirklich sicher ob er wollte, dass die Mutter seines Freundes die Bilder wirklich sah. Doch Jace zog schon sein Handy hervor, suchte den entsprechenden Ordner und reichte das Gerät weiter. Kurz konnte Magnus sehen, wie sich die Miene der Anwältin verfinsterte.
„Jace und Isabelle haben gleich alle nötigen Untersuchungen veranlasst, nachdem sie mich gefunden hatten." fügte er leise an.
Langsam nickte Maryse, die Augen noch immer auf das Telefon ihres zweiten Sohnes gerichtet.
„Alec, hast du die Bilder von deinem Vater?" fragte sie schließlich leise und der Angesprochene nickte leicht.
„Dann sollten wir heraus finden in welcher Verbindung die beiden stehen."
Langsam blickte Alec wieder auf.
„Er meinte, er würde uns beobachten lassen... oder zumindest mich."
„Hat er sonst noch etwas gesagt?" misstrauisch beobachtete die Mutter ihren Sohn und auch die anderen im Raum sahen ihn mit missmutiger Neugier an. Alec hingegen atmete tief durch und griff erneut nach der Hand seines Freundes, drückte diese vielleicht mit etwas zu viel Kraft. Doch Magnus war es in diesem Moment egal, er würde es aushalten.
„Er... er kam ins Büro meines Ausbildungsleiters in der Akademie nach meiner Prüfung. Er war wütend weil ich sie verhauen hab und er hat mich mit einem Tier verglichen, weil ich meiner Liebe gefolgt bin. Er sagte, dass Magnus bei dieser Camille wäre und sich darüber amüsieren würde, dass er... dass er mich zum Narren halten konnte."
Dann blickte er auf und sah dem Mann neben sich in die Augen.
„Er sagte, dass ihr beide seit dem College verlobt wärt."
Magnus, der den Blick fest erwidert hatte, zog die Augenbrauen zusammen.
„Das stimmt nicht. Ja, wir waren verlobt, aber das habe ich damals gelöst und die Beziehung beendet. Bitte Alec, das musst du mir glauben. Und ich würde mich niemals über dich lustig machen."
Mit einem etwas missglückten Lächeln nickte der Größere der beiden.
„Ich glaube dir, Magnus, ich glaube dir wirklich. Aber in der Situation... Ich war so fertig, wegen der Theoretischen und weil ich euch am Vortag gesehen und die Nacht kaum geschlafen hatte. Ich weiß nicht warum ich ihm geglaubt habe. Und als er mir später die Bilder gezeigt hatte, schien alles wahr zu sein. Es tut mir so leid, Magnus. Ich hätte dir vertrauen sollen."
Kurz schloss der Asiat die Augen, ehe er den Blick seines Freundes erneut erwiderte und eine Hand hob und sanft über dessen Wange zu streicheln.
„Alexander, es ist nicht deine Schuld. Du warst verwirrt und konntest nicht klar denken und das hat dein Vater ausgenutzt. Aber ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass Jace Recht haben könnte. Niemand wusste von der Verlobung, außer Camille und mir. Nicht einmal Cat weiß davon."
Alle Blicke richteten sich auf den Blonden, der noch immer neben dem Bett stand, aber inzwischen wieder vor unterdrückter Wut zitterte.
„Jace?" Alec's Stimme klang warnend. Obwohl verletzt, spannte auch er sich an. Behutsam schob er Magnus vom Bett und zog ihn auf seine andere Seite. Alec konnte nur hoffen, dass sein Bruder sich wieder beruhigte, oder er selbst trotz allem noch schnell genug sein würde um ihn aufzuhalten, egal wie schmerzhaft es werden würde. Mit einem kurzen Blick bedeutete er Izzy die Zimmertür abzuschließen. Sie konnten nicht riskieren, dass Jace jetzt auch noch durchdrehen würde. Doch dieser schien nicht zu reagieren, sondern sich immer weiter in seine Wut zu steigern.
„Durchatmen, Herondale."
Alec hatte kurz die Augen geschlossen und die Zähne zusammen gebissen, ehe er etwas umständlich aus dem Bett kletterte und sich eine Hand auf die Seite presste. Dennoch versuchte er mit fester Stimme zu sprechen, um seinen Bruder aus seinem Film zu reißen. Aus diesem Grund nahm er auch den Nachnamen, um den ausgebildeten Feuerwehrmann in ihm zu erreichen. Der Rest der Anwesenden sah ihn entsetzt an, doch vermutlich war er der einzige der in diesem Moment etwas ausrichten konnte.
„Na los, Herondale. Tief einatmen, langsam ausatmen, wütend nutzt du niemandem was."
Als Magnus sah, wie Alec leicht wankte und taumelte, war er sofort an seiner Seite und stützte ihn.
„Komm schon, Mann. Du wirst hier gebraucht."
Alec's Stimme wurde sanfter und zitterte etwas. Schwer stützte er sich auf Magnus, während er langsam auf seinen Bruder zuging.
„Ich brauche dich, du bist doch mein Bruder."
Jace blinzelte und blickte irritiert auf. Erschrocken sah er wie Alec auf ihn zu wankte und griff sofort nach dem freien Arm.
„Alter, du sollst doch nicht aufstehen." murrte er leise.
„Dann raste nicht aus, ich brauche dich wirklich hier. Wem soll ich den sonst unsere Familie anvertrauen."
Schwer schluckte der Blonde und nickte leicht. Zusammen mit Magnus führte er seinen Bruder zurück zum Bett.

Feuer und FlammeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt