Kapitel 30

283 23 7
                                    


Alec erstarrte, zumindest für einen Moment.
Dort am Eingang, bei den Türstehern, stand sie. Camille...
Er sollte Magnus wegbringen, zurück in die Menschenmenge führen und damit in Sicherheit. Doch irgendwas an diesem Anblick ließ ihn zögern. Ein kalter Schauer durchlief ihn, als Magnus sich zu ihm umdrehte und ihn fragend anblinzelte.
„Alexander?"
Und dann ging plötzlich alles ziemlich schnell. Sie rannte los, vorbei an den erstaunten Sicherheitsleuten und hielt auf die beiden Männer zu. Sofort reagierte Alec und stieß den anderen Mann hinter sich. Nur einen Wimpernschlag später rannte die junge Frau auch schon ungebremst in ihn hinein und er spürte den Aufprall in seiner Seite. Durch jahrelanges Kampf- und Selbstverteidigungstraining gelernt drehte er leicht den Körper und ließ den Schwung von sich abgleiten, damit er das Gleichgewicht behalten konnte. Doch anders als bei der ersten Begegnung mit Magnus, griff er diesmal nicht zu, sondern ließ sie zurückprallen, weg von sich und aus der Reichweite des Mannes, den er zu schützen gedachte.
Geschockt blickte Camille auf und sah ihn mit unnatürlich weit aufgerissenen Augen an. In Natura und von nahem ist sie gar nicht so hübsch, ging es Alec durch den Kopf, als er sie so betrachtete. Wie durch einen dicken Nebel hörte er etwas klirrend zu Boden fallen und irgendwo fingen Leute an zu schreien. Doch seine Aufmerksamkeit lag noch immer auf der Frau, die gerade von einem der Sicherheitsmitarbeiter zu Boden gedrückt wurde, damit ein anderer ihr die Hände auf dem Rücken arretieren konnte. Das schien sie aus ihrer Starre zu lösen, denn sie begann zu schreien und hysterisch um sich zu treten.
Nur einen Moment später trat Jace in sein Sichtfeld und kam auf ihn zu geeilt. Was war denn los? Warum sah sein Bruder so panisch aus? War etwas mit Magnus? Er hatte ihn doch in Sicherheit gebracht, oder nicht? Er wollte sich umdrehen, er musste sich umdrehen, um nach seinem Magnus zu sehen. Doch Jace hinderte ihn. Sein Bruder griff unter seinem Arm hindurch und zog ihn etwas zur Seite, zwang ihn dazu sich hinzusetzten und schließlich sogar dazu sich hinzulegen. Was sollte das Ganze? Und warum sahen die Leute ihn so panisch an?

Alec fühlte nicht wirklich etwas, nur eine unheilvolle aufkommende Kälte und einsetzende Müdigkeit. Einfach für einen Moment die Augen schließen, das klang nach einer guten Idee. Aber er musste nach Magnus sehen. Er wollte sich wieder aufsetzen, doch Jace drückte ihn wieder zurück.
„Magnus..." zwang Alec sich hervor zu pressen. Warum fiel ihm das Sprechen so schwer?
„Magnus ist in Ordnung." versuchte sein Bruder ihn zu beruhigen.
Gott sei dank. Alec legte den Kopf zurück und entspannte sich etwas. Magnus ging es gut. Alles andere war unwichtig. Für einen Moment schloss er erschöpft die Augen, doch ein Schlag auf seine Wange ließ ihn wieder aufschrecken.
„Wach bleiben, Alec! Nicht die Augen zu machen! Bleib gefälligst bei uns."
Er hörte die Stimme seines Bruders durch das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren und versuchte sich auf ihn zu konzentrieren. Warum sah Jace aus wie ein Reh im Scheinwerferlicht? Die Augen aufgerissen und geschockt, etwas blass um die Nase und hektisch atmend.
Dann tauchte ein vertrautes Gesicht über ihm auf. Magnus mit seinem Handy am Ohr und Tränen in den Augen. Warum weinte er? Das würde sein schönes Make-Up zerstören. Alec versuchte eine Hand zu heben, um ihm die Tränen wegzuwischen, ehe sie den Kajal verschmieren könnten. Doch Magnus drückte sie wieder auf den Boden.
„Oh Alexander, es wird alles gut, hörst du? Alles wird gut. Du musst nur wach bleiben, ja? Bleib bei mir."
Natürlich würde er bei Magnus bleiben, er liebte ihn. Sein Blick verlor den Fokus, doch ein weiterer Schlag auf die Wange holte ihn wieder zurück. Plötzlich stach helles Licht in seine Augen und er versuchte den Kopf wegzudrehen, doch eine starke Hand auf der Stirn verhinderte das.
„Schön wach bleiben, Lightwood. Während meiner Schicht machst du gefälligst keinen Ärger."
Lightwood, so wurde er nur im Dienst genannt, oder wenn die Kacke so richtig am Dampfen war. Aber auf Arbeit war er nicht, das wusste er.
„Herondale, übernimm hier mal. Fest drücken und bloß nicht loslassen."
Er kannte die Stimme. Hodge, einer der Rettungssanitäter mit denen sie öfter zu tun hatten.
„Lightwood, weißt du was passiert ist?"
Er schüttelte leicht mit dem Kopf, das Sprechen fiel ihm immer schwerer. Er konnte sich nicht wirklich auf die Worte konzentrieren.
„Weißt du wo du bist?"
„Pandemonium." presste er hervor. Doch dann schien alles in weite Ferne zu rücken. Die nächste Frage hörte er schon kaum noch und sein Blick glitt zurück zu dem Gesicht, das ihm die Welt bedeutete, ehe er in Dunkelheit versank. Wieder traf eine Hand seine Wange, doch er reagierte nicht mehr.

Feuer und FlammeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt