Kapitel 28

26 1 0
                                    

So saßen wir eine ganze Weile da. Ich wagte es nicht, ein neues Thema anzufangen oder ihn auch nur länger als drei Sekunden anzuschauen. Ich wollte ihn nicht verärgern, falls er wirklich seine Ruhe haben wollte. Ich versuchte mich deshalb auf etwas anderes zu konzentrieren. Ich betrachtete das dumpfe Licht der Lampe vor uns und die umliegende Umgebung, die man noch erkennen konnte. Es war nicht viel. Kleine Insekten flogen an das Licht heran und umschwirrten es. 

“Wenn ich hoch in die Sterne schaue, fühl ich mich immer so klein und ehrfürchtig.”, sagte Gally plötzlich in die Stille hinein. Er riss mich komplett unerwartet aus meiner Trance. Ich schaute ihn an, als er fortfuhr: “Ich bin nichts im Vergleich zum ganzen Universum und das beruhigt mich irgendwie. Das nimmt den Druck raus, dein Leben müsse etwas ganz besonderes sein, weisst du? Du darfst für einen Moment oder für ein paar mehr einfach nur existieren.”

Ich betrachtete Gallys Seitenprofil, wie er hoch in die Sterne schaute. Das Licht der Lampe erschuf ein faszinierendes Spiel aus hartem Licht und Schatten. Es sah beinahe wie ein Gemälde aus, doch ich wusste, dass dieser Gally hier echt war, dass er atmete und Wärme ausstrahlte. 

Ich riss meinen Blick von ihm los und blickte ebenfalls hinauf. Doch alles, was ich fühlte, war ein mulmiges Gefühl, ein Anflug von Angst. 

"Fühlst du dich nicht eher einsam? Ich meine, wenn sich praktisch niemand dafür interessiert, was du im Leben machst. Wenn es egal ist, ob du lebst oder nicht?" 

"Dazu brauch ich nicht in die Sterne zu schauen." Gallys Blick wanderte vom Himmel zu mir. Er musste über seine eigenen Worte lachen. "Das ist ein bisschen deep, oder?" 

Ich fand es eher weniger lustig. Es klang traurig. Ich kannte dieses Gefühl, dass daher rührte, wenn man niemanden mehr hatte, der einen gern hatte. 

"Du hast nicht wirklich viele Freunde, oder?", fragte ich dumpf. 

Er schüttelte den Kopf. "Nenn mir einen?" 

Ich senkte den Blick. Woher sollte ich das so genau einschätzen können? Doch es war eher eine rhetorische Frage, denn er fragte sofort. "Du doch auch nicht, oder?" 

"Im Weisenheim nicht. Das hab ich dir bereits erzählt. Aber ich hatte gehofft, hier dazu zu gehören, dass das hier mein Platz ist, wo ich hingehöre. Ich habe nie aufgegeben, danach zu suchen" 

Gally lächelte ein wenig. "Ich glaube das hast du geschafft. Zumindest, wenn Alby dich lässt." Ich wollte gar nicht daran denken. Der Gedanke, Alby könnte mich erneut fortschicken, war für mich unerträglich. 

"Ich will dir mal was von mir erzählen. Eigentlich red ich nicht gerne über mich oder meine Vergangenheit, aber vielleicht verstehst du mich dann endlich." Ich schluckte. Das klang ein wenig wie ein Vorwurf. Ich gab mir große Mühe ihn zu verstehen, leider hatte er mir bisher nicht sonderlich viele Möglichkeiten dazu gegeben. Ich rückte mit den Stuhl ein wenig näher, um ihn zu bedeuten, dass er sich mir öffnen konnte. Ich wollte zuhören, egal was jetzt kam. 

"Als kleines Kind hatte ich eigentlich ganz gute Freunde, so viele wie ein Kind eben so hat. Alles war normal. Doch dann kamen wir so langsam in die Pubertät und die anderen merkten, dass ich irgendwie anders war. Ich wurde gemobbt. Weil ich fett war. Gut das kann man sich jetzt nicht mehr vorstellen, aber…" Gally stutzte und versuchte zu überlegen, wie er weiter fortfahren sollte. Ich nutzte die Pause, um ihn zu betrachten. Natürlich war mir schon aufgefallen, dass Gally trainiert war. Er hatte seinen verhassten Körper getrimmt, um reinzupassen. Eine Welle des Mitgefühls überrollte mich. Doch ich hielt die Klappe, denn ich wusste, dass es Gally nicht gefallen würde, wenn ich es jetzt aussprechen würde. 

"Ich hab aufgehört zu versuchen, Freunde zu finden, weil es nicht geklappt hat und weil ich Angst hatte. Andere von mir wegzustoßen hindert sie daran, dass sie auf mich losgehen könnten, verstehst du"

Wer bist du wirklich? (Maze Runner FF / Gally) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt