Gally betrachtete mich eingehend. Unruhig wankte ich von einem auf den anderen Fuß. Ich hielt es kaum aus, so von ihm angesehen zu werden. Einerseits war es alles, was ich wollte, aber andererseits machte es mich auch ultra nervös. Was sollte das?
“Ich will dir gerne etwas zeigen”, brach Gally das Schweigen.
“Müssten wir jetzt nicht auch arbeiten gehen?”, fragte ich.
“Ach” Er trat einen Schritt näher auf mich zu. “Wir könnten doch auch mal einen Tag blau machen” Ich schluckte. Sein Blick war eindringlich.
“Ich möchte Alby nicht schon wieder verärgern”, wandte ich ein.
“Ich bin mir gar nicht sicher, ob du schon arbeiten musst. Schließlich bist du noch keine offizielle Bewohnerin der Internats.”
“Zur Schule musste ich aber.”
“Wegen der Schulpflicht.” Er seufzte. Es klang so schön und trotzdem zerriss es mir das Herz, dass ich ihn so frustrierte. “Kannst du einfach 'Ja' sagen?”
Ich nickte stumm und hielt den Atem an, während er mir so nah war.
Er führte mich vom Hof weg, jedoch versteckt, dann in den Wald hinein. Wir gingen durch dichtes Gestrüpp. Es war eindeutig, dass auf diesen Weg, vielleicht Gally selber, hin und wieder jemand vorbei kam, denn es hatte sich ein dünner Trampelpfad ausgebildet.
Allein hätte ich den Weg jedoch nie gefunden, geschweige denn dass ich hier wieder zurück zum Internat kommen würde. Der Weg nahm verschiedene Abbiegungen und war unterschiedlich stark bewachsen. Er hätte mich jetzt entführen können und ich hätte den Weg nicht zurück gefunden.
Doch ich wusste, dass Gally das gar nicht vorhatte. Er wollte mir etwas zeigen und irgendwie spürte ich, dass es wichtig war.
Irgendwann wurden seine Schritte langsamer und er stampfte nicht mehr wie ein Fremdenführer durch den Dschungel. Zaghaft schaute er sich nach mir um. Ein leichtes, nervöses Lächeln schlich sich auf sein Gesicht und seine Augen funkelten. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Doch er hatte auch Angst. Angst, dass ich es seltsam finden könnte oder nicht mögen würde, was auch immer kommen mochte. Ich konnte mir immer noch nichts vorstellen.
Ich versuchte nicht, mir irgendwelche Fantasien auszudenken, denn das erste, was mir einfiel, war dass er mir ein sonderbares Fabelwesen zeigen würde. Aber das war natürlich Quatsch. Doch egal, was es sein würde, es würde mir sicher gefallen.
Zaghaft streckte ich die Hand nach vorne aus, um ihm das zu zeigen. Gally zögerte, starrte erst meine Hände an, dann schaute er mir ins Gesicht und als er meinen auffordernden Blick sah, ergriff er meine Hand.
Seine Hand war einerseits groß und fest, aber andererseits auch weich. Und warm. Ein Kribbeln fuhr von der Hand ausgelöst meinen Arm hinauf. Ein gutes. Ich drückte kurz zu.
Dann fürchte Gally mich weiter.
Schon nach wenigen Schritten hielt er an und sagte: "Da ist es"Vor uns lag ein Ort, ich konnte es im ersten Moment gar nicht richtig zuordnen. Am Boden lag altes Werkzeug, ein Schuppen stand dort und… Eisenbahnen. Alles sah so unglaublich alt und kaputt aus. Es hatte eine ganz eigene Atmosphäre. Das hier war sowas wie ein alter Bahnhof oder ein Stellwerk.
"Was?" Verwundert schaute ich mich um. Das war auf keinen Fall das, womit ich gerechnet hätte.
"Es ist nicht der romantischste Ort…" Gally fuhr sich nervös über das kurze Haar.
"Machst du Witze?", unterbrach ich ihn. "Es sieht total cool aus." Alles sah aus, wie aus einer anderen Welt. Das Internat und all die Sorgen schienen hier ganz weit weg zu sein, dabei waren wir nur ein paar Minuten zu Fuß entfernt. Ich konnte verstehen, warum Gally mir diesen Ort hatte zeigen wollen. Das war auf keinen Fall komisch oder so. Es machte mich einfach nur glücklich.
Und da er gerade von romantisch geredet hatte, tat ich das, wonach ich mich am meisten sehnte. Ich sprang auf ihn zu und schlang meine Arme um seine Taille.
Für einen Moment erstarrte er, dann legte er die Arme um mich und erwiderte so die Umarmung. "Ich wollte dir das hier zeigen, weil es irgendwie mein Ort ist, mein Rückzugsort.", murmelte er an meinem Haar. Es kitzelte leicht. Ich genoss das Gefühl. Ich nickte an seiner Brust.
"Hier bin ich immer hergekommen, wenn ich mich abregen musste oder es mir einfach nicht gut ging und ich allein sein wollte. Wenn du willst, können wir hier auch ein paar Sachen zerschlagen.", bot er an.
Es war ein Witz, das war klar, dennoch antwortete ich: "Ich will lieber einfach so bleiben"
Ich merkte, wie Gallys Atem einen Moment aussetzte, dann schob er mich ein Stück von sich.
"Ich will nicht, dass du noch einmal aus meinem Leben verschwindest", erklärte er.
Mein Magen krampfte sich vor Aufregung kurz zusammen und ich merkte ein leichtes Ziehen im Hals. "Ich hatte nicht vor, demnächst wieder hier wegzugehen, aber…" Ich war mir noch immer nicht ganz sicher, ob alles so funktionieren würde, wie wir uns das vorstellten. Ob ich wirklich bleiben KONNTE.
Er schüttelte den Kopf. "Du verstehst nicht. Ich will dich immer bei mir haben. Du bist mir die wichtigste Person und wenn ich bei dir bin…" Gally schluckte. "Dann bin ich seit langem wieder richtig glücklich"
Ich nickte. "Ich auch" Ich wollte noch mehr sagen, doch mir fehlten die Worte. Meine Hände wurden schwitzig und mein Atem beschleunigte sich. Ich wollte, dass er wusste, wie viel mir das hier bedeutete, aber es kam mir so vor, als hätte ich verlernt, zu reden.
Endlich löste mich Gally aus meiner misslichen Situation. Er nahm mich wieder fester in den Arm und flüsterte mir zu: "Darf ich dich küssen?" Und als ich nickte, legte er sanft seine Lippen auf meine. Es schmeckte erstaunlich süß.
Viel zu schnell war der Kuss vorbei, doch das störte mich nicht. Erleichtert schauten wir uns in die Augen, unser beider Atem ging schwer. Ich lachte leicht und ließ mich in seine Arme fallen. So lange hatte ich, ohne es zu wissen, auf diesen einen Moment gewartet.
Ja, jetzt wusste ich, dass ich angekommen war. Ich war zuhause und lag in den Armen von der Person, die mir von allen am wichtigsten war.
-Fin-
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Wer bist du wirklich? (Maze Runner FF / Gally)
FanfictionRobin lebte allein im Wald. Ohne Eltern oder sonst irgendjemanden, der einem sagte, was man zu tun oder zu lassen hatte. Nach mehreren Tagen mit wenig Essen trifft Robin dann auf ein großes Haus was einem Schloss gleichen könnte und somit auch auf d...