Die ganze Wahrheit?

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Ich dreh mich mit dem Gesicht zur Wand und drücke meine Stirn dagegen.

Tom oder Moritz?
Keine Ahnung ob ich es verkrafte ihm jemals wieder in sein Gesicht zu schauen, wenn er alles bis ins kleinste Detail weiß....
Andererseits weiß ich JETZT das ich ihm vertrauen kann.
Er ist nicht wie Marvin und bemüht sich mir ebenfalls zu helfen. Nehme ich zumindest an.
Was erzähl ich denn?
Ob Jessy da ihre Finger im Spiel hat?
Na ganz sicher!
Sie hat mich indirekt auf seine Neigung auf "härteres" Hingewiesen und sie hat zu mir gesagt das ich mich nicht so anstellen soll.
Sie war mit mir diese Klamotten einkaufen.
Kann ich meine beste Freundin verpfeifen?
Hallo?
Deine beste Freundin hat dich ihm praktisch ausgeliefert.
Aber wenn ich das zugebe, dann muss ich meine dumme Entscheidung auch preisgeben.

Mir platzt fast der Kopf und ich komme zu keiner Richtigen Entscheidung.

Früher oder Später wird es eh rauskommen und es ist vielleicht besser wenn ich es selbst zugebe.
Falls Marvin jemals dran kommt, wird es Tom eh erfahren und von daher kann ich es ihm auch gleich beichten. Wenn ich schon dabei bin das ganze zu erzählen, sollte Florian dabei sein.
Ein zweites Mal bekomme ich das sicherlich nicht über die Lippen.
Nur wie mach ich das mit Marvin?
Ich weis nicht sicher ob es Toms Bruder ist und das kann ich ihm auch so oder so nicht aufs Brot schmieren.
Wenn der mich in die Finger bekommen sollte und weis das ich geplaudert habe, will ich gar nicht wissen was er mit mir macht.
Da muss ich mir noch was überlegen.

Ich atme tief durch und nehme meinen ganzen Mut zusammen, der sich ehrlich gesagt auf dem Level eines Regenwurm befindet.
Zitternd verlasse ich mein Zimmer und betrete den offenen Wohnraum, worauf die Gespräche verstummen und alle Blicke auf mich gerichtet sind.
Mein ganzer Körper beginnt zu zittern und ich muss mich wirklich zusammenreißen nicht an Ort und Stelle zusammen zu brechen.
"Also..." ich atme einmal tief durch "vielleicht könnte Phil mir nochmal eine Ladung Schmerzmittel reinballern und dann..." ich bringe es kaum fertig den Kloß in meinem Hals runter zu schlucken und versuche mir nervös die aufkommenden Tränen zu verkneifen "...und dann würde ich .... mit Tom und Flo reden wollen"
Tom und Flo nicken mir fest entschlossen zu und zumindest Florian scheint auch etwas nervös zu werden.
Ich bewege mich auf den Esstisch zu und stelle mich zwischen Phil und Alex um Phil meinen Zugang unter die Nase zu heben.
"Warte, ich hole kurz was!" Phil springt auf und kramt in irgendeiner Tasche neben dem Sofa herum.

Mittlerweile wird mir eiskalt und auch leicht schwummrig, was zur Folge hat, das mein Körper leicht nach hinten kippt.
Alex ist so geistesgegenwärtig und stoppt meinen kleinen Fall mit beiden Händen an meiner Hüfte.
Prompt versteife ich vom Haaransatz bis zum kleinen Zeh, murmle ihm aber sofort "Sorry, ist nicht wegen dir!" zu und stütze mich dann selbst mit einer Hand auf seiner Schulter ab.
"Gehts denn?" er nimmt seine Hände schnell wieder zu sich, scheint aber für weitere Auffangaktionen in den Startlöchern zu stehen.
"Nein, aber daran lässt sich momentan wohl kaum was ändern!"
"So, jetzt gib mir mal deine Hand und dann bekommst du eine Ladung Schmerzmittel!" meine Hand legt sich gefügig in Phils Hand um endlich die befreiende Flüssigkeit in mir aufzunehmen.
"Flo hol Lina noch einen Pullover oder eine Decke, sie ist eiskalt!" er lässt seinen wachsamen Blick über mich gleiten, während seine Finger sich zusätzlich an meinem Handgelenk positionieren.
"Du brauchst meinen Puls gar nicht kontrollieren.... Mein Herz springt dir gleich ins Gesicht, wenn ich das nicht schnell hinter mich bringen kann!"
Mit einem wissenden Blick nickt er vor sich hin und macht Florian Platz, der mir eine Decke um die Schultern legt.
"Also, dann mal los!" ich laufe in mein Zimmer und versuche mich irgendwie auf meinem Bett ohne Schmerzen zu positionieren.
Tom und Flo betreten ebenfalls das Zimmer.
Flo setzt sich neben mich und Tom nimmt auf meinem Schreibtischstuhl Platz und hält einen kleinen Notizblock in der Hand.
"Lina, du kannst jederzeit Pause machen wenn es dir zu viel wird! Wir haben Zeit! Und dir braucht nichts peinlich zu sein. Du kannst nichts dafür und wir brauchen diese Aussage leider, um dieses miese Schwein ausfindig zu machen und hinter Gitter zu bringen!"
Fast hätte ich lauthals aufgelacht.
Nicht vor Freude, sondern wie eine hysterische und kranke Psychopathin.
Zum Glück kann ich mich ab und zu auch beherrschen.
"Bevor wir anfangen muss ich euch zwei noch etwas sagen.... Ich... Ich hab echt scheiße gebaut und bin eigentlich wirklich selbst dran schuld und..." mein mutiger Redefluss wird von meinem Bruder unterbrochen:
"Du bist nicht schuld Lina! Du.."
"Herrgott Florian. Halt die Klappe und lass mich ausreden! Es fällt mir eh schon schwer genug und es wird dir noch viel schwerer fallen das alles anzuhören!" meine Wut schlägt voll und ganz ein und Florian weitet erschrocken seine Augen.
"Also, nochmal: Um alles Richtig zu stellen, muss ich euch leider auch etwas sehr unschönes erzählen. Ich schäme mich wirklich in Grund und Boden und wünschte mir, ich hätte niemals zugestimmt. Leider war ich so dumm und kann es nicht Rückgängig machen. Wenn ihr mich nach unserem Gespräch lieber meiden wollt oder was auch immer, habt ihr alles Recht dazu" mit gesenktem Kopf hole ich tief Luft und nachdem ich die zwei Gesichter gecheckt habe, die wohl mit den bisherigen Informationen nicht viel anfangen können, starte ich von Anfang an:
"Zu eurem Verständniss müsst ihr wissen, das Jessy eine Prostituierte ist." kaum habe ich angefangen, grätscht auch schon wieder Florian dazwischen: "Bitte was? Lina, du hast doch nicht..."
Tom unterstützt mich dieses Mal und fährt Florian übers Maul, das er mich einfach mal erzählen lassen soll.
"So, sie hat mir also den Floh ins Ohr gesetzt, das ich meinem Bruder ja nicht so auf der Tasche liegen kann und mein Leben selbst finanzieren muss. Hat sie ja nicht so ganz Unrecht. Sie hat mir....sie hat mir dann Angeboten mir ein paar "nette" Herren auszusuchen und sie wollte immer aufpassen das nichts passiert!"
"Wo hat das ganze stattgefunden?" Toms beruflich antrainierte Distanziertheit macht es mir gerade wesentlich einfacher darüber zu sprechen. Florian kann ich aber absolut nicht anschauen.
"Bei ihr Zuhause. Da wo du und dieser Stephan auch wart um nach mir zu suchen"
Tom legt den Kopf leicht schief und schüttelt kaum merklich mit dem Kopf:
"Warst du an diesem Tag in der Wohnung?"
"Ja! Im Schlafzimmer unter dem Bett."
"Okay.... dann erzähl weiter bitte!"
"Sie hat versucht mich Trinkfest zu machen und ich musste manchmal schon gegen meinen Willen trinken. Das blaue Auge damals hatte ich von einem ihrer Bettgeschichten, weil ich nicht mit ihm in die Kiste wollte. Naja, zumindest hatte ich da zwei Typen die...hört sich jetzt blöd an... Die aber ganz ok waren. Jessy meinte ich soll mir vorstellen, ich hätte die Männer spontan kennen gelernt und dann eben einen One-Night-Stand geschoben."
Florians verächtliches Schnauben ist nicht zu überhören und meine Gefühlswelt sinkt schon wieder ins Nirwana ab.
"Nachdem sie mich aus dem Krankenhaus abgeholt hatte, war es anfangs noch ganz normal... aber von jetzt auf gleich ist sie ganz komisch geworden. Sie wollte das ich nur noch Gemüse esse, damit meine Beckenknochen weiter hervorstehen. Sie hat "Termine" für mich vereinbart ohne mich vorher zu fragen und hat eben angefangen mein Nutten-Leben zu managen. Einer hat mich dann mit zu sich nach Hause genommen und mir dort auch schon die Handschellen angelegt."
"Wie sah der aus und wo wohnt er?" Toms Kiefermuskeln spannen sich auffällig an und seine Lippe zieht sich zu einem dünnen Strich.

Wrong Way (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt