Die Nacht habe ich mehr schlecht als recht verbracht, da mein Kopf wohl gedanklich noch im Keller der Hütte steckt und er sämtliche Fluchtmöglichkeiten als Film vorbeiziehen lässt.
Dementsprechend hägt meine Laune, sowohl auch meine Augenringe, im Keller.
Florian ist der Erste der mein Zimmer, mit frisch duftenden Kaffee, stürmt:
"Guten Morgen Schwesterchen. Du siehst heute aber nicht aus wie das blühende Leben!"
"Danke, du mich auch. Kaffee her, sonst wirst du es in den nächsten fünf Minuten in diesem Raum nicht überleben" mit einem leichten grinsen versuche ich die Schärfe aus meinen Worten etwas aufzulockern.
"Hier, trink. Wir reden besser erst wenn die Tasse leer ist" er setzt sich an den kleinen Tisch gegenüber meines Bettes und starrt stur zum Fenster raus.Der arme Kerl muss auch wirklich jede Laune meinerseits abfangen.
Die Gewissensbisse rütteln mich langsam etwas wach und ich versuche ihn etwas versöhnlich zu stimmen:
"Sorry Flo. Ich hab heute Nacht echt scheiße geschlafen und das hängt mir total in den Knochen!"
"Alles kein Problem Lina! Das wird auch wieder. Du solltest dir aber vielleicht Gedanken darüber machen, mit einem Psychologen darüber zu reden. Die Ärzte werden dich sowiso noch darauf ansprechen und wenn du dann schon eine Entscheidung getroffen hast, wäre das sicherlich kein Nachteil!" er wirkt etwas nervös, aber versucht trotzdem seine Stimme bestimmt klingen zu lassen.
"Ich weis nicht ob das sein muss. Meiner Meinung nach muss das einfach ein paar Tage sacken und dann ist wieder alles im Lot!" schulterzuckend trinke ich die letzten Schlucke Kaffee und stell die Tasse neben mir auf dem Nachtschränkchen ab.
"Nur das du es weist: Es kann dir helfen und ist überhaupt keine Schande, wenn man sich nach solchen traumatischen Erlebnissen in professionelle Hände begibt!"Das Gespräch wird durch Tom und Marc beendet, die nach einem energischen Klopfen, mein Zimmer betreten:
"Morgen ihr zwei!"
Flo gibt seinen Stuhl frei und setzt sich zu mir auf das Bett, während Tom und Marc sich die beiden Stühle an mein Bett herziehen.
"Na, bist du bereit?" Marc wirkt heute ganz anders in seiner Uniform, als wenn er Zivil mit einem Zacken in der Krone neben mir rumlallt.
Tom hat auch wieder seinen professionellen Gesichtsausdruck aufgesetzt, der mir in dieser Situation aber wesentlich hilfreicher ist, als ein freundschaftlicher oder mitleidiger Blick.
"Lina? Alles okay?" Marc befreit mich aus meiner Starre und ich nicke ihm entschlossen zu.
"Okay, dann bringen wir das Ganze einfach schnell hinter uns. Du erzählst uns jetzt bitte Alles von Anfang an. Also, von da an, als du auf Toilette gegangen bist. So unangenehm es vielleicht auch manchmal wird, du solltest nichts auslassen! Jedes Detail kann wichtig sein" Tom nickt mir zu, während ich noch einmal einen tiefen Atemzug nehme und alles haargenau von Anfang an erzähle.
Bei manchen Passagen meiner Erzählungen kann ich keinem ins Gesicht schauen und starre einfach an die Decke.
Während dem Erzählen überflutet mich manchmal mehr Angst, als ich in der Situation selbst hatte und ich lasse mir Florians Worte nochmal durch den Kopf gehen.Vielleicht wäre es doch nicht so falsch mit einem Psychologen zu reden.
Wenn es nichts bringt kann ich es immer noch abbrechen.Nach einer halben Ewigkeit, in der ich meine Sicht preisgegeben habe und die Männer diverse Fragen gestellt haben, folgen die sehnlichst erwarteten Worte:
"Gut, danke Lina. Ich denke das dürfte reichen! Jetzt ruhst du dich aus und wir kommen dich das nächste Mal wieder auf die normale Art und Weise besuchen!" Tom erhebt sich, drückt mich einmal fest und verlässt anschließend mit Marc, der sich eine feste Umarmung auch nicht entgehen lässt, den Raum.
Florian ist ein bisschen blass um die Nase geworden und hat in der ganzen Zeit kein einzigstes Wort verloren.
"Flo? Ist alles klar bei dir?" verunsichert umklammere ich seine Hand, worauf er mir seine volle Aufmerksamkeit schenkt:
"Ich bin nur etwas geschockt. Mir war klar das die Tage kein Zuckerschlecken gewesen sind, aber.... du hättest schon allein am anfang deiner Entführung sterben können...wenn man so darüber nachdenkt.."
Er schüttelt seinen Körper und seufzt schwer auf.
"Denk nicht darüber nach. Es ist vorbei und alles ist gut gegangen! Jetzt hoffen wir darauf, das Marvin seine gerechte Strafe bekommt!" ich bin geneigt Florian ebenfalls einen Psychologen zu empfehlen, lasse meinen Kommentar aber einfach direkt auf der Zunge liegen und spreche es nicht aus.Ich muss noch drei weitere Tage im Krankenhaus bleiben, werde jedoch immer von irgendeinem der Männer besucht damit ich nicht so alleine bin, wenn Florian arbeiten ist.
An der Abschlussuntersuchung stimme ich einer vorerst psychologischen Betreuung zu und kann dann endlich mit Florian zusammen nach Hause gehen.
Das Autofahren bringt mich fast um und ich bin so froh wenn die Schmerzen endlich wieder komplett verschwunden sind.
"Nächste Woche kümmern wir uns mal um eine Schule, oder?" Flo lächelt mich an und ich stimme ihm freudig zu.
"Was willst du nach dem ABI machen?"
"Ehrlich gesagt, hab ich keine Ahnung! Darüber sollte ich mir dann jetzt auch mal langsam Gedanken machen" so bin ich eben!
Immer auf den letzten Drücker.
"Ja, das solltest du. Aber jetzt gehen wir zuerst mal nach oben in unser Zuhause!" Florian ist so gütig, mich halbwegs aus dem Auto rauszuziehen.
Er schnappt sich meine Krankenhaustasche und rennt schon fast die Treppen hoch um die Türe aufzuschließen.
"Kann es sein das du heute etwas übermotiviert bist?" kopfschüttelnd erreiche ich die Türe und werde von Flo direkt durchgeschoben.
"ÜBERRASCHUNG" eine geballte Ladung lauter Stimmen schmettert mir entgegen, während mein Herz überlegt ob es komplett den Geist aufgibt oder nur ein paar Takte aussetzt.
Völlig entgeistert stehe ich im Eingangsbereich und treffe auf sehr viele strahlende Gesichter.
Von der Decke hängt eine bunte Girlande mit der Aufschrift "Willkommen Zuhause Lina" und auf dem Esstisch sowie auf der Arbeitsplatte der Küche steht viel Fingerfood.
"Was macht ihr alle hier?" ich versteh die Welt gerade überhaupt nicht mehr, während Flo mir ein Arm um die Schulter legt:
"Naja, dein Neustart in Köln beginnt genau jetzt! Und damit du mal siehst, wer dich schon alles in sein Herz geschlossen hat, haben die Verrückten hier alles für deine Begrüßunsparty organisiert".
Vor Rührung steigen mir schon die Tränen in die Augen:
"I-ich weiß g-gar nicht...Was ich sagen soll..."
"Du brauchst auch überhaupt nichts zu sagen, es reicht vollkommen das Du da bist!" Tom kommt als erstes auf mich zu und schenkt mir eine herzliche Umarmung.
Danach folgen Phil, Alex, Franco, Paul, Marc, Stephan, Moritz und Robin.
Marc kommt mit zwei Bier in der Hand auf mich zugestürmt und drückt mir eins davon in die Hand:
"Zum Wohl Kleine! Wir sind jederzeit alle für dich da und wir sind wirklich froh, das du unsere Irrenanstalt bereicherst!"
Phil kommt im Stechschritt auf mich zu und tauscht mein Bier gegen ein Alkoholfreies aus:
"Fräulein nimmt noch Schmerzmittel, also nix da mit Alkohol!"
Marc und ich verdrehen gleichzeitig die Augen, worauf Phil nur lachend den Kopf schüttelt.Wir verbringen alle zusammen einen schönen entspannten Abend und ich bin verdammt froh, das ich hier gelandet bin.
Wenn der Start in Köln auch alles andere als lustig war und sowohl die ganzen Menschen um mich herum, als auch ich einiges aushalten mussten, hat sich dieser Steinige Weg trotzdem mehr als gelohnt."Leute, jetzt fehlt nur noch das Zelt, dann wäre der Zirkus hier komplett!" mein freches Mundwerk ist auch wieder zum Leben erwacht und sorgt dafür das Florian sich peinlich berührt mit der Hand durch das Gesicht fährt, der Rest seinen Humor aber nicht verloren hat und herzlichst darüber lacht.
~ Ende ~
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Wrong Way (ASDS)
FanfictionASDS - Fanfiction Die 18 Jährige Lina Wehr wird von zuhause rausgeschmissen und nimmt sich vor, bei ihrem Bruder Florian Wehr in Köln unterzukommen. Dank einer Freundin trifft sie leider eine folgenschwere Entscheidung. Kann Flo ihr helfen und komm...