Aufgeflogen

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"Lina? Hörst du mich?" seine Hand streicht über meinen Kopf.
Ich höre dich ganz genau Marvin, aber ich will und kann dich jetzt nicht anschauen!
"Komm schon Lina, mach die Augen auf! Es tut mir leid!" mit einem leicht besorgten Unterton rüttelt er wie verrückt an mir rum.
"Scheiße, scheiße!" ich höre seine Schritte, wie er nervös im Zimmer umher läuft.

Geschieht dir recht, du Arschloch!

Er kniet sich wieder neben mich und drückt mir einen Kuss auf die Stirn:
"Ich hole Hilfe Lina!"
Er tastet noch kurz nach meinem Puls und zückt sein Handy um einen Anruf zu tätigen:
"Max, bist du zuhause? Ich brauche deine Hilfe.... jajajaja... Ich bin gleich da und hole dich ab. Mach dich schonmal fertig und pack deinen Notfall Rucksack zusammen. NEIN! ICH HOLE DICH!"

Ich kann hören wie er sein Handy auf dem Nachttischschränkchen ablegt und hastig in den Nebenhaus rennt.
Irgendetwas knistert und raschelt.
Marvin kommt mit einem Affenzahn zu mir zurückgerannt und wickelt mir ziemlich unsanft das Handtuch vom Körper.
Vermutlich hab ich wieder etwas Blut zwischen den Füßen, denn er Flucht wütend vor sich hin, als er mir eine Unterhose über die Füße streift.

Am liebsten würde ich ihm jetzt schreiend eine knallen, denn jede Einzelne Berührung von ihm Schmerzt.

Körperlich.

Seelisch.

Anschließend zieht er mir noch eine Jogginghose an.
An dem Pullover verzweifelt er fast und ich warte nur darauf, das er mir vor Wut noch eine knallt.
Aber er tut es nicht.
Zum Schluss deckt er mich zu und verschwindet im Galopp aus der Hütte.

Hat er jetzt wirklich das Handy liegen lassen?

Ich öffne vorsichtig meine Augen und suche den Nachttisch ab, bis mein Blick direkt an dem Handy festhängt.
Meine Augen füllen sich mit Tränen und ich kann mein Glück kaum fassen!
Draußen fährt Marvin mit quitschenden Reifen davon und ich greife mit zitternden Händen nach meiner Rettung.

Gott sei Dank hat er keinen PIN drin.

Mein Daumen scrollt in der Kontaktliste im Eiltempo alles durch, bis ich auf den gesuchten Kontakt stoße: Tom.
Schnell drücke ich den grünen Hörer und hoffe das er überhaupt abnimmt.

"Marvin Was ist denn noch? Ich habe keine Nerven mehr mit dir zu diskutieren"
"Tom?"
"Ja? LINA? Bist du es?" Bei diesen Worten weine ich vor lauter Erleichterung.
"Ich habe nicht viel Zeit, er wird gleich wiederkommen. Ich bin in einer Hütte im Wald, aber ich habe keine Ahnung wo. Er hat mit einem Max telefoniert und wird diesen auch gleich abholen. Es muss ein Sanitäter sein oder so. Er hat irgendetwas von Notfalrucksack geredet." Ich hoffe er versteht alles, da ich nebenher Schluchze ohne Ende.
"Gehts dir gut?" seine Frage möchte ich gerade nicht beantworten und würde ihn einfach schnell ab:
"Ich muss auflegen, wenn er kommt und mich telefonieren sieht... Bitte Tom...Holt. Mich. Hier. Raus!" mit Tränenerstickter Stimme lege ich schnell auf und lösche den Anruf aus der Anruferliste um das Handy wieder an seinen Platz zurückzulegen.

Es dauert eine halbe Ewigkeit bis Marvin wieder, mit diesem Max im Schlepptau, zurück kommt.
Wäre ich wirklich in einer Notsituation gewesen, könnte ich es mir jetzt in einer Holzkiste bequem machen.

Vier schwere Füße trampeln über den Boden und stoppen abrupt neben dem Bett.
Eine eiskalte Hand fasst an mein Handgelenk und für einen kurzen Augenblick ist es still:
"Also, entweder verarscht sie dich oder ihr Puls spielt verrückt!"
"Wie, sie verarscht mich?" Marvins Stimme wird etwas dunkler.
"Naja, ihr Puls geht ab wie eine Rakete. Vermutlich hat sie Angst.. joa, wird immer schneller!" dieser Max hat mich leider durchschaut und ich versuche so zu tun, als würde ich gerade aufwachen.
"Was...Was ist...passiert?" ich hoffe, das meine geringfügigen Schauspielkünste für diese Vollpfosten ausreicht.
Marvin beobachtet mich mit Adleraugen und sieht aus als wenn er mir gleich an den Hals springen will.

"Max kannst du mal kurz nach nebenan gehen?" der plötzliche überaus freundliche Tonfall lässt mich nichts gutes erahnen und ich flehe Max stumm an, hier zu bleiben.
Dieser zuckt leider nur mit den Schultern und schließt sogar die Türe verantwortungsbewusst, als er das Schlafzimmer verlässt.
Ich habe mein Gesicht noch gar nicht richtig zu Marvin gedreht, da klebt auch schon seine Hand auf meiner Wange.
Ein kurzer aufstöhnen meinerseits, lässt Marvin nur kurz verächtlich aufschnauben:
"Du wagst es, mich so hinters Licht zu führen? Ich hab mir Sorgen gemacht verdammt!"

Oh Sorry....
Was kommt denn jetzt noch?
Schmerzen oben, Schmerzen unten...womit hätten Sie noch gerne das Vergnügen?

Marvin zieht die Schublade des Nachttisch auf und zaubert ein Pärchen Handschellen zwischen seine Finger:
"Du weist das du ein ungezogenes Mädchen warst, oder?" sein amüsiertes Grinsen lässt mich erschaudern und ich versuche einfach alles über mich ergehen zu lassen.

Vielleicht findet mich Tom irgendwann.
Vielleicht...
Irgendwann...
Oder auch nicht!

Er legt eine Hand in die Handschellen, fädelt alles um den oberen Balken des Kopfteils durch und legt auch die andere Hand ebenfalls in Ketten.
An meinen Füßen zieht er mich weiter nach unten, so das meine Arme auf Spannung in der Luft hängen und das Eisen schön tief in die Haut reindrückt.
"MARVIN! ICH SOLTE AUCH MAL WIEDER GEHEN!" Max scheint recht ungeduldig zu sein und sorgt dafür das der Herr Folterknecht noch schlechtere Laune bekommt, falls das überhaupt noch möglich ist!
"So, jetzt überlegst du hoffentlich das nächste Mal genau, ob du mich verarschen willst!"
Ich schenke ihm einen Verachtenden Blick und werde dafür noch kurz auf den Bauch gedreht, damit meine Hände überkreuzt sind und die Handschellen auch richtig schön die Blutzufuhr unterbrechen.
Mein gequältes aufstöhnen, entlockt ihm ein leises lachen.

Ein ohrenbetäubendes Krachen dringt vom vorderen Teil des Hauses zu uns durch und das laute Gebrüll vereinzelnder Männerstimmen ist zu hören.
"Das warst du, stimmts?" er zieht meinen Kopf an den Haaren so weit nach hinten, das ich Angst habe, das meine Luftröhre abknickt.
Sein Blick trifft mein Blick.
In seinen Augen flammt etwas zerstörerisches auf und ich frag mich aller Ernstes wieviele Persönlichkeiten dieser Mensch besitzt.

Kurzzeitig durchfährt mich die Angst, das er mir einfach den Hals umdreht und mir meine Lebenslichter für immer auslöscht.

Wrong Way (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt