Panik

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Was auch noch zu meinen ganz besonderen Fähigkeiten gehört, ist das reinsteigern.
Im Zusammenhang mit der Luft, die man normalerweise zum Atmen braucht, ist das allerdings eher negativ zu bewerten.
Mein Atemrhythmus löst sich im nichts auf und es kommt gefühlt gar nicht so viel Luft bei mir an, wie ich benötige.

"Tom setz sie auf den Boden, den Oberkörper aufrecht gegen dich gelehnt!" Flo springt vom Stuhl auf und kniet sich sofort seitlich von mir nieder.
Ich liege nun wie ein Schlabberlappen gegen Tom gelehnt und kämpfe gegen die schwarzen Punkte in meinem Sichtfeld an.
Als Florian mir eine Hand auf den Mund legt, damit ich über die Nasenatmung wieder die Kontrolle über die Luftzufuhr bekomme, schieb ich die größte Panik und versuche seine Hände weg zu drücken.
"Schnell, irgendjemand muss einen RTW rufen. Akute Atemnot, mit drohender Bewusstlosigkeit" Flo schreit in die Richtung des Esszimmertisch, worauf bald eine Stimme zu hören ist, die bestimmt den RTW informiert.
"Lina hör auf dich zu wehren. Ich bins Flo! Ich tue dir nichts!"
Mein Kopf kämpft gegen die Bewusstlosigkeit an und gefühlt bewege ich mich auf dem schmalen Grad zwischen Wach und Bewusstlos.
"Augen auflassen! Komm bleib wach, die sind gleich da! Die brauchen nicht lange!"
Eine Hand legt sich auf meine Stirn und zieht meinen Kopf nach hinten an einen Körper.
Egal wie tief ich einatme, die Luft erreicht meine Lungen nicht.
Ich kippe seitlich weg und schließe endlich die Augen.
"LINA! Komm atme, du musst atmen und die Augen offen lassen!"
Jemand verpasst mir ein paar Klatscher auf die Wange und bewahrt mich vor der vollkommenen Schwärze.

Vier fiese Knöchel reiben über mein Brustbein und auf mein Gesicht wird irgendwas aufgedrückt, womit ich endlich wieder besser Luft bekomme.
"Lina, hörst du mich? Ich bins, Phil!"
Ich nicke schwach und merke wie an meinem Zugang hantiert wird.
"Machst du deine Augen mal für mich auf?"
Ich geb mir alle Mühe, aber mehr als sie halb zu öffnen, schaffe ich nicht.
"Sättigung 94%.... da muss noch was gehen, sonst nehm ich sie mit! Ich will noch Blutdruck und Blutzucker!"
Immer wieder kämpfe ich gegen den besitzergreifenden Schlaf an, doch das letzte was ich höre ist das mein Blutzucker zu niedrig ist und ich deswegen eine Infusion bekomme.
Danach wird der Dunkelheit der Siegespunkt zugesprochen.

Das knallen einer Türe, lässt meine Sinne wieder auf die Erde zurückkehren.
Langsam aber sicher dringen Stimmen zu mir durch und ich öffne vorsichtig die Augen.

Okay, du lebst noch... Schade... Dieser Tod wäre wohl angenehmer gewesen, als der der mir bevorsteht.

"....wenn sie jetzt schon zusammenklappt, was meinst du was morgen erst passieren wird, wenn sie ihm Gegenübersteht!" Florians Stimme hört sich ziemlich aufgebracht an.
"Florian jetzt setz dich mal hin, du machst mich ganz nervös!" wenn mich nicht alles täuscht, war das Alex' Stimme.
"Ich rede nachher nochmal mit ihr wenn sie wach ist. Mir ist doch selbst unwohl dabei, aber uns bleibt keine andere Wahl. Bevor er sie sich irgendwann aus heiterem Himmel schnappt, was ich ihm wirklich noch zutraue, lassen wir das lieber kontrolliert ablaufen!" Tom versucht zwar überzeugend zu klingen, aber man hört das es ihm auch nicht leicht zu fallen scheint.

Lina du musst das durchziehen!
Tom hat recht!
Du wirst Tag und Nacht Angst haben und wenn er dir eines Tages hinter irgendeiner Ecke auflauert, hast du eh verloren!
Also, Arschbacken zusammenkneifen...
DAS war jetzt selbst für dich etwas zu makaber Frau Wehr!

"Ich....gibt es denn überhaupt keinen anderen Weg?" Florian ist fast am verzweifeln.
"Flo, das halbe Revier und fast die ganze Wache wissen bescheid! Jeder wird ein Auge auf sie haben. Wir müssen das nur unauffällig über die Bühne bringen und rechtzeitig zugreifen!" Francos Worte beruhigen irgendwie keinen Einzigsten in diesem Raum und ich weiß nicht ob ich froh über die ganzen wissenden Menschen sein soll oder ob ich mich in Grund und Boden schämen muss.
"Aber..." Florian stöhnt genervt auf und bevor ER nachher noch seinen Verstand verliert, melde ich mich zu Wort:
"Flo, ich muss das machen. Ich werde das durchziehen und dann ist hoffentlich wieder alles im Lot!" Man könnte meinen ich hätte die ganze Nacht die Seele aus dem Leib geschrieen, so kratzig und belegt hört sich meine Stimme an.
"Lina?" Flo springt gleich von seinem Stuhl auf und kommt zu mir rübergeflitzt.
Alex ist ihm dicht auf den Fersen und kontrolliert sofort meinen Zustand:
"Wie geht's dir? Tut dir irgendwas weh?"
"Ausser Kopfschmerzen und dem Gefühl, das ich von irgendwas überrollt worden bin, geht's mir gut. Danke!"
Alex kann es natürlich nicht lassen und misst vorsichtshalber nochmals meinen Blutdruck und Blutzuckerwert, was alles im Rahmen zu sein scheint.
"Dann setz dich mal langsam auf und ich mach dir anschließend die Infusion ab, die ist durch!" Alex unterstützt mich mit einer Hand an meinem Rücken und behält mich nebenher streng im Auge.

Als ich dann wieder normal auf dem Sofa sitze, setzt sich Flo neben mich und zieht mich an sich:
"Bist du dir sicher?"
"Nein, eigentlich nicht. Aber mir bleibt keine andere Wahl und ich muss das durchziehen!" seufzend schaue ich in Alex Augen, die wohl auch nicht genau wissen was sie ausstrahlen sollen.
"Lina ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um dich zu beschützen und..." Tom quält sich durch seine Worte durch, aber ich unterbreche ihn:
"Das weis ich Tom! Wir gehen jetzt einfach davon aus, das alles gut läuft, mir nichts passiert und Marvin überführt werden kann!"
"Dann muss das Fräulein heute aber bitte auch mal genug trinken und essen, damit der Kreislauf nicht wieder Schlapp macht und der Körper auf Barrikaden geht!"
"Jawohl Franco! Die Information ist angekommen und wurde verinnerlicht!" ich dreh mich grinsend um und strecke ihm die Zunge raus.
"Unglaublich diese Göre!" er schüttelt mit einem fetten Grinsen seinen Kopf und bringt mir sogar unaufgefordert eine Tasse heiß dampfenden Kaffee.
"Dankeschön!Das ist genau das, was ich jetzt brauche!" mein Mundinnenraum ist ziemlich lädiert von meinem letzten Kaffe und ich verziehe bei jedem Schluck mein Gesicht.
"Ich besorg uns jetzt mal was zum essen! Auf was habt ihr Lust?" Tom reist einen Zettel von dem Block vor sich ab und notiert die Wünsche der Anwesenden.
Nach einer kleinen Diskussion haben wir uns für chinesisch entschieden und Tom macht sich mit Franco zusammen auf den Weg um das Essen zu organisieren.
Anscheinend brauchen die beiden etwas frische Luft.... sonst hätte es auch ein Lieferdienst bringen können.

"Können wir, die vielleicht letzten paar Stunden meines Lebens etwas glücklicher und fröhlicher verbringen? Ich würde gerne mit einem Lächeln auf dem Gesicht sterben!" das ist jetzt bestimmt nicht das was die zwei hören wollen, aber es stimmt.
Wenn irgendetwas schief geht will ich an heute denken und mich freuen, das mein letzter Tag noch schön war.
Florians und Alex' Gesicht scheinen etwas an Farbe verloren zu haben und ein kleines bisschen Entsetzen breitet sich darauf aus.
"Du wirst morgen nicht sterben Lina!" Flo schluckt schwer und schaut Alex hilfesuchend an.
"Sehen wir dann morgen. Also, decken wir mal den Tisch und schmeißen ein bisschen Mucke an! Ich will heute nichts mehr über morgen hören und ich will keinen Plan besprechen oder sonst was. Ich bin morgen einfach ich, das hatte Marvin ja sonst auch gereicht!" ich stehe entschlossen auf, kralle mir Flos Handy um es mit der Bluetooth-box zu verbinden und lass ein bisschen Stimmung aufkommen.

Ich fege tanzend durch die Küche um das Besteck zu holen und bereite den Esstisch vor.
"Sollen wir nachher noch Schuhe einkaufen gehen?" Flo ist aus seiner Starre erwacht und holt jetzt noch Gläser aus dem Hängeschrank um diese ebenfalls auf dem Tisch zu platzieren.
"Ja, sonst muss ich morgen in Flipflops gehen. Ausserdem brauche ich noch irgendwas zum anziehen!" während ich mich noch um Wasser, Spezi und co kümmere, kommen Tom und Franco vollbepackt mit lecker riechenden Essen zurück.
Wir setzen uns an den Tisch und ich Falle wie ein ausgehungerter Löwe über mein Essen her.
"Klaus-Bärbel hat wohl extremen Hunger!" Florian klatscht diesen Satz extrem trocken in den Raum, worauf mir fast vor lauter Lachen das Essen aus dem Mund gefallen wäre.
Flo und ich lachen Tränen und werden von den restlich anwesenden skeptisch beobachtet, da sie sich wohl nicht sicher sind ob wir unseren Verstand verloren haben.
Florian ist so gütig und klärt die drei Männer über mein kleines Food-Baby auf.
"Ihr habt doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!" Franco zeigt mit dem Zeigefinger gegen seine Stirn und schüttelt mit dem Kopf.
"Wenn du das jetzt erst bemerkt hast, dann tust du mir echt leid!"
Die Stimmung lockert sich immer mehr und ich frag die restlichen Männer, ob sie Lust haben, mit Flo und mir zum shoppen zu gehen.

Tom hat leider Spätschicht, aber Alex und Franco stimmen zu und so machen wir uns keine Stunde später, zu viert auf den Weg in den nächsten Schuhladen.

Wrong Way (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt