Rettung

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Die Schlafzimmertüre wird nun ebenfalls gewaltsam geöffnet und eine vertraute Stimme lässt mich erleichtert aufatmen.

"MARVIN! NIMM DEINE FINGER VON IHR WEG UND GEH EIN PAAR SCHRITTE ZURÜCK!"
Marvin zieht noch etwas fester an meinen Haaren, womit es mir unmöglich wird, meine eigene Spucke zu Schlucken.
"Verpiss dich Tom, sonst breche ich ihr Genick!"

Würde er das wirklich tun?
Ich will es gar nicht wissen....

"Ich warne dich jetzt ein letztes Mal, lass sie los und geh ein paar Schritte zurück! Sonst schieße ich und glaub mir, in diesem Fall bereitet es mir echte Freude!" Toms bedrohlicher Ton, macht mir fast schon Angst und ich hoffe so sehr das Marvin einfach aufgibt.
"Du wirst ja wohl nicht auf deinen eigenen Bruder schie..." er kann nicht einmal den Satz beenden, schon ertönt ein ohrenbetäubender knall und der Griff an meinen Haaren lockert sich sofort.
Mein Kopf schnellt nach vorne und während ich versuche tief einzuatmen, kippt Marvin stöhnend auf mich drauf und bringt mein linkes Handgelenk zum Knacken.

Ein lauter Schrei erfüllt den Raum.

Mein Schrei.

Danach ist es kurz still, bis der Schmerz an meinem Gehirn anklopft und freundlich um Einlass bittet.
Darauf verfalle ich in lautes, sehr lautes Weinen und schluchzen.
Alles schmerzt, brennt und ist kaputt.

Marvin wird Ruckartig von mir heruntergezogen und sein andauerndes aufstöhnen, deutet mir, das er noch am leben ist.

"PHIIIIIIL!" Tom brüllt die ganze Bude zusammen und neben mir taucht ein Polizist auf, der versucht beruhigend auf mich einzureden.
Es ist Stephan.
Irgendjemand klettert zu mir aufs Bett und hält meinen Oberkörper fest, während Stephan meine Hände von den Handschellen befreit.
"Lina! Wir bleiben jetzt schön wach! Verstanden!"

Ist das Phil?

Ich habe absolut keine Kraft mehr irgendein Körperteil von mir zu bewegen und lass meine Tränen einfach ungebremst über meine Wangen laufen.
"Tom, ich mach das! Geh du zu Lina!"
Kurz darauf kniet Tom neben mir und streicht mir über die Wange.
"Danke!" hauche ich ihm entgegen und werde von ein paar Händen auf den Rücken gedreht.
Ich zische Laut auf und kann jetzt erst richtig Phil neben mir erkennen:
"Lina, wo hast du Schmerzen?"
Meine Unterlippe fängt an zu beben und ich drücke ein "Überall!" zwischen meine Lippen durch.
"Franco, ich brauche alles für einen Zugang! Nick, ich möchte ein Monitoring, Blutdruck... ach volles Programm eben!" Phil schnappt sich mein linkes Handgelenk, worauf ich wieder einen kurzen Schrei ausstoße und Phil sofort meine Hand wieder ablegt.
"Marion, bringst du mir bitte noch eine Schiene für das Handgelenk!"
Franco macht sich an meiner rechten Hand zu schaffen:
"Hey kleines! Jetzt hast du es geschafft!"

Tom entgleisen gerade, am unteren Ende des Bettes, sämtliche Gesichtszüge:
"Phil, da ist ziemlich viel Blut zwischen ihren Beinen!"
Phil reagiert sofort und betrachtet schnell die Lage:
"Wann war das Lina?"
"Heute Nacht oder morgen... Keine Ahnung, ich hatte keine Uhr...." meiner Stimme fehlt jegliche Kraft "ich bin bewußtlos gewesen und hab mich währenddessen auch übergeben"
Er verzieht sein Gesicht und nimmt die Schiene von Marion entgegen.
Nachdem mein Handgelenk fixiert ist, zieht Phil noch seinen Bodycheck durch.
An den Oberschenkeln jaule ich schon fast auf und Franco schneidet kurz darauf die Hosenbeine aus.
Ein lautes zischen der Sanitäter zieht durch den Raum, während Tom sich nur durch das Gesicht fährt und mir den Rücken zudreht.
"LINA!!!!!" Florians Stimme lässt meinen Körper vollends entkrampfen, aber Tom scheint ihn wohl vor der Türe abzufangen.
Phil spritzt mir nebenher eine ordentliche Menge Schmerzmittel und Nick hat es auch endlich mal geschafft das Monitoring anzubringen.

Nachdem ich komplett versorgt bin, wird die Trage geholt und Florian hat es geschafft, sich durch die Menge zu drücken.
"Ach du Scheiße! Lina, ich.. du...es tut mir so leid... wie geht es dir... Was.. " Flo ist total neben der Spur und mustert meinen Körper genauestens.
Sein Blick bleibt zwischen meinen Beinen, an meinem Handgelenk und meiner Wange hängen.
Er kann sich seine Tränen nicht verkneifen und drückt alle aus dem Weg um mich vorsichtig in die Arme zu schließen.
"Flo!" ich kann nichts anderes tun, als regungslos dazuliegen.
Phil zieht Florian jetzt auf die Seite, da er mich endlich in die Klinik bringen will.
Tom, Phil, Flo und Stephan lagern mich auf die Trage um und ich stoße ein tiefes brummen aus, da die Schmerzen leider noch nicht ganz betäubt sind.

Phil und Franco schieben mich raus zum Krankenwagen.
Unterwegs ernte ich lauter geschockte und mitleidige Blicke.
Ich kann Paul, Robin und Moritz erkennen und ich bin mir nicht sicher, ob der eine Rücken zu Marc gehören könnte.

Das Geholpere, wenn man in den Krankenwagen geschoben wird, lässt mich kurz aufschrecken und für einen Moment breitet sich unbändige Angst aus.

Der Monitor piept in einem unschönen Rhythmus, während Phil diesen kritisch beäugt.
Florian taucht endlich wieder neben mir auf und drückt fest meine Hand:
"Du brauchst keine Angst mehr zu haben! Wir sind jetzt alle da und Marvin ist weg!" seine Worte können das ungute Gefühl nicht verdrängen und ich werde zunehmend nervöser.
Phil stützt sich mit einem Ellenbogen auf der Trage ab und drückt sanft mit der rechten Hand auf meiner Wange, meinen Kopf zu sich:
"Konzentriere dich jetzt bitte mal nur auf mich! ER sitzt im Streifenwagen und kommt nicht mehr an dich ran! Du musst versuchen ruhiger zu werden, ok? Atme einmal tief ein und dann ganz langsam wieder aus! So ist es gut. Ich möchte dir nur ungern ein Beruhigungsmittel geben"
Ich nicke ihm langsam zu und bekomme mich tatsächlich wieder etwas unter Kontrolle.
Allerdings werden meine Augen ganz schwer und ich versuche mit aller Kraft dagegen anzukämpfen.
"Es ist ok! Mach deine Augen zu. Wir lassen dich nicht alleine. Ruh dich aus!" nachdem Florian seinen Mund schließt, sinke ich erschöpft in einen tiefen Schlaf.

Gefühlt, nach einem Wimpernschlag, werde ich wieder geweckt.
"Lina, hörst du mich? Mach bitte die Augen auf!" meine Augenlider sind so schwer, das ich es einfach nicht schaffe.
"Geht nicht..." flüstere ich dem unbekannten Mensch entgegen.
"Okay, kann ich verstehen. Wir müssen jetzt als erstes in die Gyn, da das doch ziemlich viel Blut ist, das da entweichen will. Danach ins Röntgen, wegen deinem Handgelenk...." was der Typ labert, interessiert mich absolut gar nicht , ich möchte einfach nur wissen wo Florian ist:
"Flo?"
Kur darauf schieben sich Finger zwischen meinen Fingern der rechten Hand hindurch und ein sanfter Kuss trifft mich an der Schläfe: "Ich bin da!"
Erleichtert versuche ich irgendwie ein Lächeln zustande zu bringen, aber es gelingt mir absolut nicht.
Ich fühle mich schwach und kaputt.
Zerstört wäre wohl angebrachter.

Ja, ich bin zerstört und kann froh sein, das ich noch Lebe!
Wer weiß was er noch mit mir angestellt hätte.

Die Stimmen um mich herum werden von Sekunde zu Sekunde dumpfer und entfernen sich immer weiter von mir.

Wo gehen die hin?

In meinem Körper lösch sich jegliches Gefühl aus und die Dunkelheit winkt mich mit ihren furchterregenden Klauen zu sich in das Nichts!

Wrong Way (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt