Kapitel 10

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Nachdem ich geduscht und mir etwas Neues angezogen hatte, setzte ich mich mit einem Buch in meinen Sessel. Doch in mir brodelte es. Immer wieder spielten sich alle möglichen Szenen von heute ab. Wie konnte ein Tag nur so schiefgehen?

Seufzend sank ich tiefer in den Sessel und mein Blick glitt hinauf zum Mond. Von unten aus dem Ballsaal drang Gelächter herauf und in mir zog sich alles zusammen.

Mein Herz klopfte wild und meine Sicht verschwamm ein wenig, doch ich konnte meine Gedanken einfach nicht umlenken. Immer wieder tauchten diese braunen Augen auf und seine Lache hallte durch meinen Kopf.

Nur um ein paar Sekunden später durch eine kalte Stimme und einen emotionslos losen Blick ersetzt zu werden. Er hat sich mit diesen Typen über mich lustig gemacht.

Bei der Erkenntnis wurde mir zuerst heiß und dann wieder kalt, anscheinend ist er doch nicht der, für den ich ihn gehalten hatte. Er wirkte immer so nett und freundlich auf mich. Zwar hatte ich früher nie ein Wort mit ihm gewechselt, doch immer gesehen wie er mit anderen oder den Blumen umging.

Vielleicht lag es an mir.

Es musste an mir liegen. Wenn er zu jedem nett ist, nur zu mir so kalt und einfach grauenvoll, dann muss es doch an mir liegen. Hinter meinen Augen begann es zu drücken. Das meiste schlechte, was passiert war, war meine Schuld gewesen. Der Tod meiner Mutter war der letzte Tropfen in dem Geduldsfass meines Vaters.

Mit einem Mal krachten die Bilder wieder auf mich ein, wie diese Männer sie verprügelten und ich nichts tun konnte. Hektisch versuche ich Luft in meine merkwürdig schweren Lungenflügel zu bringen, schaffe es jedoch nicht.

Schnell springe ich auf, doch alles dreht sich und ich falle auf die Knie, während mein Brustkorb sich immer schwerer heben lässt. Es fühlt sich so an als hätte ich verlernt wie man atmet. Meine Sicht verschwimmt und als ich hektisch anfange zu blinzeln, laufen mir Tränen meine Wange hinab.

Plötzlich spüre ich einen Druck in meiner Brust, welcher sich auf meinen gesamten Körper ausbreitete. Ächzend schlage ich mir auf meinen Brustkorb und ringe verzweifelt nach Luft, als etwas an meinem Finger zieht.

Immer heftiger zieht es und ohne hinzusehen, packe ich meinen Finger und drücke um irgendwie dieses ziehen loszuwerden. Unter meiner Hand spüre ich die kühle des Rings und das Ziehen wird immer stärker. Mein Finger pocht und wird unglaublich warm.

Panisch reiße ich mir den Ring von meinem Finger und lege mir beide meine Hände an meinen Kopf, als das Pochen in ihn steigt und alles sich dreht.

Es knallt und etwas fliegt über meinen Kopf, doch ich nehme es kaum wahr. Watte legt sich über meine Ohren und ich höre jemanden schreien. Hoch und unglaublich laut. Dann zerspringt Glas, der Boden wackelt als etwas umfällt und ein reizendes Geräusch ertönt.

Meine Wangen sind nass als das Pochen endlich aus meinem Kopf gewichen ist und ich hebe langsam den Kopf. Vor mir liegen Glasscherben und als ich mich schluchzend bewege, schiebe ich mehrere unter meine Haut.

Wind fegt über mich hinweg und ich sehe verwirrt zur Seite. Das Glas ist aus dem Fenster gefallen. Erschrocken ziehe ich scharf die Luft ein und kriechen über die Scherben weg vom Fenster. In meinen Handflächen und Knien zieht es unangenehm, doch ich registriere es nicht mal richtig.

Gerade wollte ich nach meinem Bett greifen und mich daran hochziehen als ich bemerke, dass es nicht mehr da ist. Oder zumindest existieren nur noch Teile davon. Es ist in der Mitte durchgebrochen und meine Decke und Kissen zerrissen.

Geschockt hob ich ein Buch und drehte mich mit panischem Blick zu meinem Regal. Auch das liegt zerstört auf meinem Boden. Das musste die Ursache für den wankenden Boden gewesen sein. Plötzlich höre ich es hinter mir knirschen und zucke zurück.

Eine Gestalt ist auf den Scherben des zerstörten Fensters gelandet. Das war nun das zweite Mal, dass ich heute aus vollem Halse schrie. Von einer auf die andere Sekunde war die Gestalt bei mir, doch im selben Moment flog hinter mir die Tür auf.

Jemand rannte mit schweren Schritten hinein und die Gestalt wurde, bevor sie irgendetwas machen konnte, von mir geschleudert. Hart prallte sie gegen die Wand und fiel zu Boden. Es sah aus wie eine Frau in einem schwarzen Anzug und mit einer Maske vor dem Gesicht. Doch sie hatte Tätowierungen im Gesicht, das erkannte ich von hier.

Überfordert nahm ich jedes Detail der Frau in mein Gehirn auf, bis sich jemand vor mich kniete. Annelise legte mir beide Hände an die Wange und schüttelte mich. Wimmernd griff ich nach ihren Armen, als eine zweite Person sich neben mich kniete. Deen. Hektisch rutschte ich von ihm weg.

Er verzog sein Gesicht und sah zu der Frau, die gegen die Wand geknallt war. Auch mein Blick glitt dorthin und erstaunt beobachtete ich wie mein Vater sie per Telegenes anhob und angewidert musterte.

Was machte er den hier? Pure Überforderung machte sich in mir breit und ich begann wieder hektisch zu atmen, als Annelise mich zwang sie anzusehen.

Sanft strich sie mir über meine Wange und ließ ihren Blick an mir hinuntergleiten. Gedämpft hörte ich, wie sie mich fragte, ob ich Schmerzen hatte. Da sah sie meine Hand oder was dort fehlte. ,,Der Ring!" Kreischte sie und mein Blick zuckte zu meiner rechten Hand.

Stimmt, den hatte ich abgezogen. Wie von einer Tarantel gestochen schoss sie hoch und begann panisch danach im Chaos zu suchen. Deen und ich starrten sie nur überfordert an, bis sie ihn gefunden hatte und mir schnell überzog.

,,Du darfst ihn niemals abnehmen, hörst du? Niemals!" Sie sah mich eindringlich an und hielt meine Hand samt Ring zwischen ihren Händen, ,,Niemals!" Flüsterte sie und etwas Trauriges legte sich in ihren Blick. Bevor ich etwas erwiesene konnte, trat mein Vater in mein Blickfeld. Überfordert sah ich ihn an und plötzlich bekam ich Angst. Es war meine Schuld. Alles war meine Schuld. Er hasst mich.

Doch mein Vater nickte und Annelise erhob sich. Sie beide begannen zu flüstern und Deen tauchte neben mir auf. ,,Bea", murmelte er und nahm meine Hände. Mein Blick traf seinen und es war als würde mich etwas auffangen.

Die ganze Zeit war ich gefallen. Tiefer und immer tiefer. Jetzt jedoch hielt mich etwas in seinem Blick und ich begann mich langsam zu entspannen. Mein Brustkorb ließ sich wieder niemals heben und ich holte tief Luft.

Ein kleines Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel. ,,Wa-Was ist hier los?" Stotterte ich und setzte mich auf, wobei es in meinen Knien kurz zog. ,,Was ist gerade passiert?" Ruhig legte er mir seine warmen Hände auf meine Schulter und drückte mich wieder auf den Boden.

,,Es ist okay. Das finden wir raus." Sanft wischte er mir mit dem Daumen die Träne von der Wange. Leicht lehnte ich mich dagegen und spürte wie sich mein Körper bei seinen Worten begann angenehm leicht anzufühlen.

,,Bea?" Die tiefe Stimme meines Vaters ließ mich zusammen zucken und ich sah verschreckt hoch. ,,Wir bringen dich hier weg."

After the NightfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt