Kapitel 15

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,,Es gibt verschiedene Techniken oder Methoden es zu lehren." Sie nahm meine Hände und brachte sie in der Luft in Position.

,,Manche sagen, es ist wie als würdest du dir ein Gefäß vorstellen und es dann langsam füllen. Andere sagen man explodiert einfach und wieder andere meinen es ist wie meditieren." Unsicher sah ich auf meine Hände. ,,Und was ist deine Methode."

Sie wackelte mit ihren Augenbrauen und grinste herausfordernd, ,,Ich bin mir sicher, das sahst du schon erraten." Ein Stöhnen entwich mir, ,,Meditieren", fröhlich glucksend nickte sie und ließ meine Hände fallen.

Sie nahm die gleiche Pose mir gegenüber ein und sah mich an, ,,ich möchte, dass du in dich gehst und Ausschau hältst nach dem Gefühl, welches du hattest, als du den Ring abgezogen hast. Du musst es greifen und festhalten, nicht loslassen." Wies sie mich an, ,,Wir müssen dieses Gefühl formen, du musst dich daran gewöhnen, sodass wir den Ring abziehen können und du es immer noch unter Kontrolle hast."

Schluckend sah ich auf den Ring. Er hatte mich also Jahre lang davor beschützt zu explodieren. Fragend sah ich hoch, ,,Was ist dann? Was können Hexen?"

Das entlockte ihr ein lautes Lachen und ihre Augen funkelten auf. ,,Du kannst mit dieser Macht alles anstellen, was du willst. Du kannst Dinge manipulieren und ich meine nicht nur Menschen, sondern auch jegliche Elemente, sowie die Macht eines anderen. Einige Hexen haben sich auch auf die Nekromantie spezialisiert oder die Alchemie, andere auf Licht oder Regeneration, wobei", sie hielt inne und lächelte mich an, ,,die hast du ja schon."

Verblüfft sah ich sie an, ,,Und was ist deine Spezialität?" Lächelnd sah sie auf ihre Hände, ,,Animation", verwirrt sah ich sie an. Sie griff hinter sich und nahm sich eine Tasse von dem kleinen Tisch. Diese stellte sie auf ihre offene Handfläche und sah sie locker an.

Gerade wollte ich fragen, was das sollte, als die Tasse sich bewegte. Sie flog hoch und im Kreis herum. Verstehend nickte ich und sah ihr dabei zu, wie sie die Tasse wieder anstellte, ,,Allerdings hast du diese Fähigkeit als Vampir auch schon", nickend richtete ich meine Hand auf die Tasse und holte sie zu mir.

,,Doch nicht so gut wie reinblütige Vampire." Mein Gesicht verzog sich, als ich daran dachte, zwischen fremden Menschen aufgewachsen zu sein.

Blut hat Macht. Sehr viel Macht. Nachdenklich sah ich auf meine Hände, ,,und was ist, wenn ich mit der rohen Macht arbeite?" Ich spürte ihren Blick auf mir, sah jedoch konzentriert auf meine Hände, ,,Wenn ich sie manipuliere?"

Einige Zeit herrschte Stille, ehe sie sich anders einsetzte, mich jedoch nicht aus den Augen ließ. ,,Die Macht ist stark, weshalb wir sie in eine Form pressen und so einsetzten. Niemand mir bekanntes kann die Macht so kontrollieren, dass er keine Form braucht."

Kurz herrschte noch Stille, ehe sie anschloss, ,,Aber ich kenne auch keine Hexe, die halb Vampir und halb Hexe ist." Vorsichtig sah ich hoch und sie nickte, ,,Aber zuerst meditieren."

Entnervt seufzte ich, doch sie hatte schon ihre Augen geschlossen und dann ging es los. Zuerst sagte sie mir nur, dass ich herunterkommen sollte und mich auf mein Innerstes fixieren sollte. Dann summte sie mir etwas vor und gab mir Anweisungen, wonach ich suchen solle.

Es fühlten sich an wie Stunden, während ich dort auf dem Boden saß und mich nicht bewegen durfte. Immer wieder entwichen mir Seufzer bis sie begann mir für jeden einen Klaps auf den hinter Kopf zu geben.

,,Das ist doch sinnlos." Rief ich und warf meine Hände in die Luft, während meine Augen immer noch geschlossen waren. Schon landete eine Hand an meinem Hinterkopf, ,,Konzentriere dich, suche nach einem starken Gefühl und halte es fest."

Seufzend machte ich mich wieder ans Werk. Horchte in mich hinein und suchte. Mein innerstes war einerseits aufgewühlt, gleichzeitig aber auch taub. Viele Sachen wollten einfach nicht in meinen Kopf und wanderten deswegen einfach in mir herum. In meinem Kopf spielten sich alle möglichen Szenen ab. Von den letzten Momenten meiner Mutter über Annelise bis hin zu Deens verletzenden Worten in der Küche und in der Schenke.

Vorhin war er auch einfach so verschwunden. Wut kochte in mir hoch. Ich verstand, dass auch er mit Annelise befreundet gewesen war und Zeit brauchte, um damit klarzukommen, doch er ignorierte mich völlig.

Heiß fiel mir ein, wie er heute Morgen neben meinem Bett saß und vollkommen übermüdet wirkte. In mir mischte sich ein Strudel aus Gefühlen zusammen und anstatt ihn festzuhalten, ließ ich mich treiben und dachte an alles Mögliche gleichzeitig.

Der Ring begann zu jucken und ich griff danach, um ihn abzuziehen, als man mich aufhielt. ,,Greife es", ertönte eine Stimme, ,,halte es fest." Verwirrt runzelte ich die Stirn und begann es zu versuchen. Die Stimme klang ernst und irgendwie drängend. In mir wirbelte aber immer noch alles herum und ich begann langsam nach einzelnen Sachen zu greifen.

Einfache Momente fielen mir sie in den Schoß. Wie ich in Deen hereinlief, wie ich ihm essen brachte und wir uns in seinem Haus jagten. Wie er mich festhielt. Wie er damals in die Sterne hochsah. Ich begann mich ohne es zu merken auf diese Dinge zu konzentrieren und merkte dabei gar nicht, wie der Ring von meinem Finger verschwand.

Plötzlich dachte ich an das, was an dem Abend in diesem Keller passierte. Wie er mich mit den anderen Männern auslachte. Etwas knallte und klirrte. Laut zerbrach etwas und ich riss meine Augen auf. Ein Luftzug wehte durchs Zimmer und als ich zum Fenster hinter dem Sofa sah, sah ich direkt hinaus.

Scherben lagen überall auf dem Boden und auch einige Flaschen aus dem Regal waren zu Boden gefallen. Die Tasse war vom Tisch gekippt und Ingrid betrachtete sie gerade eingehend, ehe sie sich mir zuwandte.

Der Ring war wieder an meinem Finger und sie nickte, ,,Das war ein Anfang. Du musst noch viel üben, aber wenn du lange und viel meditiert wird das was." Entsetzt sah ich sie an, ,,Können wir es nicht mal mit dem explodieren probieren?" Gequält sah ich sie an, doch sie lachte nur.

,,Für heute ist es genug. Du musst doch Hunger haben." Stellte sie fest und erhob sich, ehe sie, ohne auf eine Antwort von mir zu warten, wieder in die Küche lief.

Lange blieb ich noch dort sitzen und sah aus dem kaputten Fenster hinaus. Es war mittlerweile dunkel geworden und die Luft wurde immer kühler. Ein kaltes Gefühl breitete sich in mir aus. Etwas, das die Leere nicht füllte, sondern weiter aushöhlte.

Ich war alleine. Niemand war bei mir. Deen konnte ich es nicht verdenken, dass er weg war und ich würde es ihm auch nicht übelnehmen, wenn er gar nicht mehr wieder käme. Stumm saß ich da und ließ endlich meine Gedanken zu Annelise streifen.

Schuld machte sich in mir breit, als ich an den Dolch dachte, welcher für mich bestimmt war. Sie hatte es nicht verdient. Sie war immer nett zu mir gewesen, eigentlich zu allen. Meine Wangen wurden nass und ich wischte mir hastig mit meinem Ärmel darüber, ehe ich aufsprang und zu Ingrid in die Küche ging.

Sie lachte, irgendeine Suppe. Es war mir erstaunlich gleichgültig, was es gab und ich aß auch nur sehr langsam, da ich keinen Hunger verspürte. Schnell half ich Ingrid noch aufzuräumen, ehe sie sich verabschiedete und mir meine Tasche gab, welche noch im Flur zum Hinterausgang stand.

Damit bepackt lief ich hoch und stellte meine Tasche ab, ehe ich in das von Ingrid beschriebene Bad lief. Müde putze ich meine Zähne und wusch mich, ehe ich mir ein Shirt und eine Leggins überzog und in mein Bett fiel. Vielleicht sollte ich auf Deen warten, wer weiß, was er wieder treibt.

Mit diesen Gedanken fielen mir meine Augen zu und ich versank in der Dunkelheit.

After the NightfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt