Kurz hielten wir noch den Blickkontakt, ehe ich mich wieder umdrehte und das Fernrohr erneut an mein Auge legte.
Die nächsten Minuten oder vielleicht waren es auch Stunden verbrachte ich damit kichernd in den Himmel zu sehen und Deen begeistert jede Kleinigkeit zu beschreiben, die ich sah. Still hörte er mir zu und stand dabei so dicht neben mir, sodass sich permanent unsere Arme berührten. Langsam begannen jedoch die Sterne immer blasser zu werden und ich nahm das Rohr von meinen Augen.
Lächelnd sah ich den Sonnenaufgang an und drehte meinen Kopf leicht zu Deen. Dieser hatte genießerisch die Augen geschlossen und ich sah dabei zu, wie die Sonnenstrahlen immer weiter sein Gesicht hinaufkletterten. Er schien nicht zu merken, dass ich ihn beobachtete, also ließ ich meinen Blick weiter über ihn wandern und blieb an seiner Kleidung hängen.
Er hatte eine schwarze Hose und ein einfaches schwarzes T-Shirt an und unweigerlich ließ es mich daran denken, wo er und Ingrid heute waren. Die Sachen hatte er am Tag nach unserer Ankunft hier angeschleppt, da Annelise ihm keine Zeit gelassen hat, seine aus seinem Haus zu holen.
Das Glücksgefühl in mir verschwand und ich wurde unruhiger. Zwar wollte ich den Moment nicht kaputt machen, doch ich wollte sicher sein und Antworten haben. Unentschlossen zerbiss ich meine Lippe und spielte an meinem Nasenring, als er die Augen öffnete und zu mir sah. ,,Frag ruhig", murmelte er und sah nach vorne.
Seufzend folgte ich seinem Blick, ,,Ihr wart bei ihrer Beerdigung, oder?" Es war eine eher rhetorische Frage, da ich mir bei der Antwort ziemlich sicher war, dennoch wollte ich Gewissheit. Deen nickte und ich seufzte. ,,Sie hat dich nur zu deiner Sicherheit hiergelassen." Versuchte er mich zu beschwichtigen und ich nickte leicht. ,,Was allerdings nicht besonders viel gebracht hat", lachte er trocken auf, ,,ganz ehrlich, du wärst sicher gewesen, wenn du mitgekommen wärst." Erstaunt sah ich ihn an, doch er sah weiter nach vorne.
,,Ihr Grab ist wunderschön", schulterzuckend verzog er das Gesicht, ,,So schön wie ein Grab eben sein kann, sagen wir", er tippte sich an sein Kinn, ,,sagen wir, es ist ihrer würdig geworden." Leise lachte ich und nickte. Jetzt sah er endlich zu mir, ,,Willst du es sehen?" Unsicher sah ich zu ihm, ,,Ingrid meint, es sei zu gefährlich."
Schulterzuckend schob er grinsend seine Hände in seine Hosentasche und wand sich mir richtig zu, ,,Ich bin ja bei dir und wir haben ja gesehen, was das letzte Mal passiert ist." Immer noch unsicher sah ich auf den Boden zwischen uns und dachte darüber nach, ,,Es macht keinen Unterschied mehr, ob du in dem stickigen Haus hockst oder herausgehst." Das ließ mich leicht zusammenzucken.
,,Sie finden dich überall." Erschrocken von seinem wissenden und tiefen Tonfall sah ich hoch, doch er schien durch mich hindurch zugucken. ,,Deen?" Hauchte ich fragend und er schüttelte rasch seinen Kopf, ,,Los, komm!" Und schon hatte er meine Hand gepackt und zog mich hinter sich her.
Im Vorbeigehen schnappte er sich noch das Fernrohr und schob es an einigen Stellen zusammen. Als er es mir wiedergab, hing eine etwas dickere Scheibe an einer silbernen Schnur. Verdutzt nahm ich es und sah ihn an. ,,Du hast es von einer Hexe?" Schulterzuckend grinste er lässig zu mir herunter. ,,Sie hatte noch was gut bei mir."
Meine Mundwinkel zuckten und ich schloss kopfschüttelnd meine Hand um die Kette herum. Dieser Mann war einfach unglaublich. Als Vampir etwas bei einer Hexe gut zuhaben. Wieder schüttelte ich meinen Kopf, während er mich durch die Ruine des Hauses hinunter auf die Straße zog.
Da wir uns hinter den Häusern befanden, trafen wir nur selten auf andere Menschen und Deen nahm auch jede Nebengasse, die er finden konnte. Als er meinen fragenden Blick bemerkte, murmelte er etwas, das wie ,,Abkürzung" klang, doch sicher war ich mir nicht. Dennoch war es mir irgendwie egal, denn so naiv es auch klingen mag, ich vertraute ihm genug, dass ich ihm wie gerade blind folgen würde.
Wir waren schließlich am Ende des Dorfes angekommen, zu mindestens standen hier nur noch wenige Häuser und wie automatisch fiel mein Blick auf eine kleine Kirche. Sie stand dort inmitten eines Feldes, von dem sich Steine in den Himmel hoben. Die Kirche sah alt aber dennoch normal, wie jede Dorfkirche aus.
Deens Schritte und somit auch meine hatten sich verlangsamt, während wir uns dem Friedhof näherten. Seine Hand hatte er seit dem Dach nicht mehr von meinem Handgelenk gelöst und ich war ihm irgendwie dankbar dafür. ,,Meine Mutter", murmelte ich und ohne dass ich die Frage richtig stellte, verstand er worauf ich hinauswollte. ,,Sie liegt neben ihr." Schluckend nickte ich und legte meine Hand auf das kleine Tor, welches den Eingang darstellte.
Vorsichtig schob ich es begleitet von einem quietschen auf und machte einen Schritt nach vorne. Sofort legte sich eine bedrückende Stimmung über uns, doch Deen schien mein zögern zu bemerken und schob mich bestimmt nach vorne.
Viele der Gräber wirkten verlassen, so wie als wäre seit Jahren niemand mehr hier gewesen. Andere wirkten, wie als wären sie erst gestern gebaut worden. Mein Blick flog über jeden Grabstein und immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich das Alter der verstorbenen Personen ausrechnete. Bei einem Kindesalter überkam mich Gänsehaut und ich sah traurig zu Boden, während Deen mich weiter führte.
Vampire wurden alt, zwar nicht unendlich alt, doch so alt, dass der Tod schließlich etwas Willkommenes war. Früher waren wir für viele Tode verantwortlich und sind es immer noch, weshalb ich mich immer unwohler fühlte und nervös an meinem Nasenring zog. Es kam mir falsch vor hier zu sein und auch das meine Mutter sowie Annelise hier waren.
Das machten wir jedoch, damit wir keine Aufmerksamkeit erregten und ich wusste insgeheim, dass es das auf verdrehte Weise richtig war. Plötzlich blieb Deen stehen.
Verwirrt sah ich zu ihm, doch er hatte seinen Kopf zur anderen Seite gedreht und sah auf das Grab hinunter. Langsam folgte ich seinen Blick und stockte bei dem Namen, der dort in den Stein geritzt geschrieben stand. Merinda Winshell. Darunter stand das Datum. In einer Woche ist ihr Todestag. Taub taumelte ich nach vorne und als meine Knie nach ließen fiel ich nach unten.
Langsam streckte ich meine Hand nach dem Stein aus und strich sanft über die Buchstaben. Leise tropfte es, doch ich ignorierte es und presste meine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. ,,Ich war noch nie an ihrem Grab gewesen." Flüsterte ich leise und blinzelte, worauf meine Wangen noch nasser wurden, ,,Damals, als es passierte, machte man mich verantwortlich." Während ich sprach, begann es in meinem Kopf Revue zu passieren. ,,Sie sagte, es wäre meine Schuld und sie hatten recht." Schulterzuckend entwich mir ein leises Schluchzen und ich umgriff so fest den Stein, dass meine Knöchel weiß wurden. ,,Ich habe mich nie hierher getraut." Ein erneuter Schluchzer schüttelte mich und ich sah auf dem Moos bedeckten Boden, ,,ich war nicht einmal bei ihrer Beerdigung."
Schluchzend wischte ich mir über meine Augen und biss die Zähne aufeinander, ehe ich langsam aufstand. ,,Sie hat eine bessere Tochter verdient." Murmelte ich und wandte mich dem anderen Grabstein direkt daneben zu. Ein kleines Lächeln begann an meinem Mundwinkel zu zupfen und ich kniete mich auf vor diesen Grabstein.
Deen gab keinen Laut von sich, während ich leise Annelise alles berichtete, was bisher passiert war und welche Probleme wir hatten. ,,Aber wir schaffen das schon", beendete ich meine Erzählung und nickte während ich mir schniefend die Nase hochzog.
Die Tränen waren mittlerweile getrocknet und immer wenn ich jetzt mein Gesicht bewegte, zog es unangenehm. ,,Wir vermissen dich", flüsterte ich und stand auf. ,,Deen auch, obwohl er es nicht zugeben will", setzte ich noch hinterher und etwas lauter, sodass er es auch hörte. ,,Hey", ertönte es da auch schon hinter mir und genannter trat neben mich.
Leicht lächelnd sah ich zu ihm und er erwiderte es, ,,Wir sollten wieder zurück, bevor Ingrid noch das Haus anhebt." Erstaunt zog ich die Augenbrauen hoch, ,,Das kann sie?" Schulterzuckend schob er seine Hände in die Taschen und drehte sich um, ,,Ich würde es nicht darauf anlegen."
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After the Nightfall
VampireSie ist ein Vampir, doch was ist er? _____________ Vampire sind nicht unsterblich, dass hat Beas Mutter bewiesen, als sie vor ihren Augen von Vampirjägern ermordet wurde. Die Schuld wurde Bea zugeschoben und mit den Jahren blieb ihr nichts anderes...