Kapitel 25

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Tatsächlich stand das Haus noch, dennoch hatte Ingrid drinnen alles auf den Kopf gestellt und hielt uns eine Strafpredigt. Wütend stand sie vor uns und wedelte mit ihren Hände durch die Luft, wobei es immer wieder hinter uns knallte, wenn sie sie zu hektisch bewegte. Langsam verlor sie die Kontrolle und ich ebenfalls. ,,Bea, von dir hatte ich deutlich mehr erwartete, vorallem nach dem was mit Annelise passiert ist."

Empört öffnete ich den Mund, doch da hob sie schon ihre Hand um mich da von abzuhalten etwas zu sagen, ,,Nein, ihr habt einen Fehler gemacht und ich will keine Ausreden, was denkt ihr was passiert wäre, wenn sie dich jetzt angegriffen hätten." Rief sie und warf ihre Arme in die Luft.

Bei dem folgenden Knall zuckte ich heftig zusammen. ,,Mein Gott, Annelise hat nicht ihr leben gelassen, damit ihr jetzt so mit eurem umgeht." Meine Hände zitterten, während ich langsam meinen Mund schloss. Sie hatte recht, mit allem.

Schuldig sah ich zu Boden und bemerkte wie Deen sich neben mir anspannte. Auch er schien etwas sagen zu wollen, wurde jedoch von Ingrids Hand unterbrochen, ,,Nein", rief sie und ihre Stimme war von dem ganzen Schreien heiser geworden. ,,Du hilfst mir jetzt im Laden und du", sie wand sich an mich, ,,widmest dich jetzt deinen Übungen." Drohend hob sie den Finger, doch ich ließ sie gar nicht dazu kommen ihre Drohung auch auszusprechen, sondern nickte nur und drehte mich um, um ins Wohnzimmer zu gehen.

Wer auch immer mich Tod sehen wollte, hätte heute die perfekte Gelegenheit dazu gehabt und ich habe es einfach so in kauf genommen. Wie in Trance setzte ich mich auf das Sofa und begann meine Übungen, dabei fühlte sich alles dumpfer an als zuvor. Das Bild vom Grab meiner Mutter ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Vorsichtig und ohne groß darüber nachzudenken stand ich auf und begann meine Arme auszubreiten.

Langsam begann alles zu verschwinden, der ganze Raum, bis nur noch unter mir ein Brett und um mich herum leere war. Ruhig bewegte ich meine Finger und ließ die Illusion des Nichts, die Wände hoch krabbeln, bis der Raum komplett schwarz war.

Nur nebenbei merkte ich, wie eine Tür aufging und Schritte ertönten, dann ein Schrei. Erschrocken ließ ich meine Arme fallen und die Illusion zerplatzen. Ingrid stand in der Küchentür, hinter ihr lugte Deen in den Raum und sah sich verwirrt um, während Ingrid mich panisch ansah. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihr Gesicht kreidebleich.

Unbeholfen stand ich in der Mitte vom Wohnzimmer und sah sie verwirrt an. Kopfschüttelnd kam sie auf mich zu, ,,Mach das nie wieder!" Rief sie und ich zuckte zurück bei ihrer lauten Stimme. Ihre Hände schlossen sich um meine Schultern und sie zog mich zu sich herunter. ,,Nie wieder, hörst du!" Schrie sie mir fast ins Gesicht und Spucketröpfchen prallten auf meine Wange. ,,Was-?" Begann ich, doch sie wich kopfschüttelnd zurück und begann durch den Raum zu tigern.

Deen sah ihr ebenso verwirrt wie ich dabei zu, während er am Türrahmen lehnte und eine Schüssel abtrocknete. Kopfschüttelnd wand ich mich von diesem attraktiven Anblick ab zurück zu Ingrid. Diese fuhr erneut zu mir herum, ,,Es gibt dunkle Illusionen Kind", ihre Stimme war ruhig, während sie mir tief in die Augen sah, ,,Sie lassen denjenigen der sie sieht, direkt in seine schlimmsten Alpträume blicken oder seinen eigenen Tod sehen. Mein Gott", sie warf die Arme in die Luft, ,,du kannst in Köpfe eindringen und den Menschen glauben lassen er sieht sich oder die, die er liebt, gerade vor sich sterben."

Erschrocken wich ich zurück, doch sie schüttelte den Kopf und kam näher, ,,diese Illusionen sind mächtig und gefährlich." Nachdenklich sah sie mich an, ,,ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, wie du diese gerade erzeugen konntest." Jetzt sah ich sie verwirrt an, ,,Was habe ich den gerade getan?" Hilflos verknotete ich meine Hände und wartete auf die Antwort. ,,Du hast ein Nichts erschaffen." Noch verwirrter als vorher seufzte ich.

,,Auf andere wirkt es bedrückend. Es fühlt sich so an, wie wenn deine schlimmsten Alpträume auf dich zukommen würden ohne das du sie siehst." Geschockt riss ich die Augen, doch ehe ich etwas sagen konnte legte sich eine Begeisterung auf ihr Gesicht und sie kam schnell auf mich zu.

,,Deen, du übernimmst die Küche", rief sie zu Deen und winkte ihn weg, ehe sie mich auf das Sofa zog. Überfordert sah ich zu ihr, während sie meinen Blick mit purer Euphorie begegnete. Fast sah es so aus als würde sie gleich abheben. ,,Ich wusste das in dir Potenzial steckt, doch so viel habe ich nicht gedacht, obwohl", sie runzelte die Stirn, ,,mir hätte es klar sein sollen, als ich erfahren habe wer deine Mutter in Wirklichkeit war." Sie nickte sich selbst zu und begann mir dann Anweisungen zu geben, was ich tun sollte.

Die nächsten Stunden verbrachte ich damit härteste Illusionen zu erschaffen, deren Ausmaß ich nicht wirklich sah. Ingrids Schreie mich von deren Wirkung jedoch überzeugten. Sie waren noch lange nicht perfekt und Ingrid schien das innerhalb eines Tages ändern zu wollen.

Schweiß lief mir überall herunter und mörderische Kopfschmerzen begannen sich in meinem Kopf breit zu machen, während mein Körper immer schwerer wurde. Nur mit einem Gang aufs Klo konnte ich mich von ihr los machen. Erschöpft sank ich auf dem Klo zusammen und stütze meinen Kopf in meine Hände, ehe ich auf sie herunter sah.

Das einzige was mir langsam klar geworden ist, ist das ich nichts über mich selbst wusste und das ich der Wahrheit zum Tod meiner Mutter nicht wirklich näher gekommen war. Seufzend rieb ich mir über mein Gesicht und nach dem ich erledigt hatte, was es zu erledigen gab stolperte ich die Treppe wieder herunter.

Unten fand ich Ingrid jedoch nicht auf dem Sofa sitzen, weshalb ich mich erleichtert darauf fallen ließ und unter einer Decke versteckte, ehe sie wieder kam. Anscheinend tat sie das eine ganze Weile nicht, denn als ich das nächste Mal meine Augen öffnete sah ich in Dunkelheit und nicht die meiner Illusionen, sondern in nächtliche Dunkelheit.

Gähnend setzte ich mich auf und spürte sofort die Proteste meines Körpers. Alles tat mir weh und dabei hatte ich mich nicht einmal bewegt, sondern nur meditiert. Meine Arme brannten jedoch wie die Hölle genauso wie meine Beine und mein Rücken, sowie mein Hintern. Am schlimmsten war jedoch mein Kopf. Kurz überlegte ich mich einfach wieder zurück zu legen, doch dann würde ich niemals wieder hochkommen.

Langsam hievte ich mich also hoch und schlurfte mit einer Hand an meinem Kopf und eine andere an meinem Rücken in Richtung Küche. Dort war ich jedoch nicht alleine, denn als ich durch die Tür trat sah ich Deen auf einem der Stühle sitzen und auf seine Hände starren.

,,Schlafprobleme?" Nicht nur Deen erschrak bei dem dünnen Klang meiner Stimme. Geschockt hielt ich mir eine Hand an den Hals und räusperte mich, während ich seinen Blick auf mir spürte. Mit verzogenem Gesicht arbeitete ich mich nach vorne und öffnete den Kühlschrank. Kurz entschlossen legte ich meinen Kopf hinein und stöhnte erleichtert auf, als die Kälte durch meinen Kopf zu dringen schien.

Nach einigen Sekunden wurde mein Kopf jedoch richtig kalt und ich zog mir schnell aus einem der Fächer einen der Blutbeutel raus, ehe ich die Tür wieder schloss. Ohne die Tüte zu öffnen biss ich hinein und trank mit geschlossenen Augen daraus, bis ich nur noch Plastik in meiner Hand hatte.

Gestärkt drehte ich mich zu Deen um und begegnete seinem kontrollierten Blick.

After the NightfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt